Essen. . Rund 11.000 Schlecker-Beschäftigte werden zum 1. April arbeitslos. Dass drei FDP-Minister die Auffanggesellschaft für die Frauen haben platzen lassen, ließ sich mit dem tatsächlichen Risiko für die Länder kaum begründen.

Ein paar Sekunden braucht Christel Hoffmann, um Worte zu finden. Dann dringt eine leise Stimme durch den Hörer, artikuliert kraftlos Worte wie „Armutszeugnis“, „Enttäuschung“ und „Wertschätzung“, die sie und die anderen Frauen vermissten. Die Schlecker-Betriebsratschefin hat in den vergangenen drei Tagen hilflos die vielen Wasserstandsmeldungen verfolgt. Mal sah es gut aus für die Transfergesellschaft, mal nicht so, dann war Bayern wieder dabei und schließlich doch nur Schluss. Keine Bürgschaft, keine Auffanggesellschaft, „keine Hoffnung mehr“, wie Hoffmann haucht.

Dafür, dass es in dem Polit-Geschacher tatsächlich weniger um Schlecker ging als um ordnungspolitische Grundsatzdiskurse, spricht einiges. Dass drei FDP-Minister die Auffanggesellschaft für 11.000 Frauen haben platzen lassen, ließ sich mit dem tatsächlichen Risiko für die Länder kaum begründen. Das sei überschaubar, betonte extra laut Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), um sich so weit wie möglich von seinem FDP-Kabinettskollegen Martin Zeil zu distanzieren.

Warum sollten Großunternehmen bevorzugt werden?

Die wahre Grundsatzfrage, die von der FDP verneint wurde, geht so: Wenn jeder Geselle eines pleite gegangenen Handwerksbetriebs zum Arbeitsamt gehen muss, warum soll dieser Weg für Großunternehmen künstlich verlängert werden? Die gängigste Antwort lautet: Weil bei Konzernpleiten viele Menschen auf einmal arbeitslos werden, die Arbeitsämter fluten und deshalb schlechtere Chancen haben, alle gleichzeitig eine neue Stelle zu finden.

Diesen Disput trugen in den vergangenen Wochen Ökonomen und Politiker aus. Für Menschen, die arbeitslos werden, gibt es in Deutschland die Arbeitsämter. Es gebe keinen Grund, Konzerne im Pleitefall zu bevorzugen, indem ihnen der Staat durch Transfergesellschaften Sanierungskosten abnimmt. So argumentierten die Wirtschafts-Akademiker und forderten die Landesminister nachgerade auf, sich als Ordnungspolitiker zu profilieren.

Von der Leyen: Es geht darum, den Schlecker-Frauen zu helfen

Beispielhaft für andere Sozialpolitiker entgegnete Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen: „Es geht nicht darum, ein Unternehmen zu stützen, sondern darum, dass die Schlecker-Frauen nicht über Nacht in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.“

Natürlich verfolgt der Insolvenzverwalter mit der Auffanggesellschaft vor allem betriebswirtschaftliche Interessen. Die 11.000 Mitarbeiterinnen sollten mit dem Eintritt in die Transfergesellschaft auch ihre Kündigungsschutzrechte sowie Gehalts- und Abfindungsforderungen abtreten. Eine so bereinigte Belegschaft lässt sich einem Investor besser verkaufen als das Risiko tausender Klagen.

Groll gegen den Firmenpatriarchen Anton Schlecker

Für Ordnungspolitiker ist das kein Argument, schließlich kämpfen Mittelständler in einer Insolvenz mit den gleichen Problemen. Wenn Schlecker ganz verschwindet, weil kein Investor gefunden wird, nehmen das Wirtschaftsliberale als Marktbereinigung hin. Und solche Gedanken hegen auch einfache Menschen, zum Beispiel Angestellte anderer Drogeriemärkte, die nicht mit ihrem Steuergeld für eine Kette bürgen wollen, die ihnen das Leben schwer gemacht hat. Schleckers Wachstum um jeden Preis hat nicht nur Schlecker geschadet, sondern auch so manchen Konkurrenten vom Markt gefegt.

Dass der Groll sich gegen Firmenpatriarch Anton Schlecker richtet und nicht gegen sie, hilft den nun arbeitslosen Frauen auch nicht weiter. Ihr nächster Gang führt sie zum Arbeitsamt. Gerade die Gegner der Transfergesellschaft betonen, wie gut ihre Chancen stünden. Scheinbar bestätigt werden sie durch die Bundesagentur für Arbeit. Allein in NRW gibt es 4200 offene Stellen im Einzelhandel. Allerdings kommen 18 Arbeitslose auf eine Stelle, dieses Verhältnis ist so schlecht wie in kaum einer anderen Branche. Und die 77 000 arbeitslosen Einzelhandels-Kaufleute erhalten zum 1. April 2200 neue Konkurrentinnen.

Die Arbeitsagentur betont, es gebe eine große Dynamik in dieser Branche, jährlich würden in NRW rund 100 000 Einzelhändler eingestellt. Doch diese Dynamik bedeutet auch, dass viele entlassen werden. Wer wüsste das besser als die Schlecker-Frauen.