Brüssel. Am Freitag wollen die europäischen Finanzminister beschließen, wie der Rettungsfonds vergrößert werden soll. Das sollte den Bürgern nach Ansicht eines Wirtschaftsexperten Sorgen machen. Korrespondentin Sabine Brendel sprach mit Ansgar Belke, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und Experte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die Europäer vergrößern den Nottopf für klamme Euro-Staaten. An diesem Freitag entscheiden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine europäischen Kollegen im dänischen Kopenhagen, wie der Euro-Rettungsfonds ausgestaltet werden soll.

Bisher sollte der dauerhafte Nottopf für klamme Euro-Länder, der ab Sommer stehen soll, 500 Milliarden Euro schwer sein. Ursprünglich sollte er den bisherigen vorläufigen Nottopf ablösen, aus dem Portugal, Irland und Griechenland Notkredite erhalten. In diesem Nottopf sind noch etwa 240 Milliarden Euro übrig.

Experten plädieren für die Vergrößerung des Euro-Rettungsfonds

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab jüngst nach internationalem Druck ihren Widerstand gegen eine Aufstockung auf. Die EU-Kommission strebt bereits seit Monaten an, den Euro-Rettungsfonds – im Brüsseler Jargon: „Brandschutzmauer“ um den Euro-Währungsraum – zu vergrößern. Auch Experten plädieren dafür.

Vorsichtiger ist der Professor für Volkswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, Ansgar Belke. Er ist auch Forschungsdirektor für Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Herr Belke, müssen die Bürger eine Aufstockung des Euro-Nottopfes fürchten?

Ansgar Belke: Ja. Der größte EU-Staat Deutschland wird größere Garantien schultern müssen - bisher galten deutsche Bürgschaften von 211 Milliarden Euro als Obergrenze für den neuen Euro-Rettungsfonds. Nun wird das Risiko für die Steuerzahler steigen. Sie stehen für die Garantien gerade, falls ein Land Notkredite nicht zurückzahlen kann.

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Die Bürger müssen zudem Angst vor einer mittel- und langfristigen Preisteuerung haben, also vor Inflation. Möglicherweise muss die Regierung auch Steuern erhöhen, um den dauerhaften Nottopf aufzufüllen. Er besteht ja nicht nur aus Garantien wie der alte Fonds. Die Staaten sollen auch nach bisheriger Planung insgesamt 80 Milliarden Euro in den neuen Nottopf einzahlen.

Der Rettungsfonds wird aber wohl nicht dramatisch und möglicherweise nur vorübergehend vergrößert. Letztes Jahr gab es ja noch Spekulationen, er müsse zwei Billionen Euro schwer sein – um zur Not auch Italien und Spanien Notkredite zu gewähren. Die Lage hat sich seither aber beruhigt.

Dazu hat auch die Europäische Zentralbank beigetragen. Sie lieh den Banken – die auch Staaten Geld borgen - jüngst rund eine Billion Euro zu sehr günstigen Zinsen. Da die Banken diese Sonderkredite erst in drei Jahren zurückzahlen müssen, haben die Europäer Zeit gewonnen, die Staatsschulden- und Vertrauenskrise zu lösen.

Warum schwenkte Merkel um?

Der Kanzlerin ging es nicht darum, welchen Effekt eine – von ihr bisher abgelehnte - Aufstockung des Nottopfs hat. Sie ließ sich auf einen Kompromiss ein. So wollte Merkel südeuropäische Staaten mit ins Boot zu holen, die einen größeren Nottopf forderten. Die Kanzlerin strebt schließlich an, dass die Länder wirtschaftspolitisch enger zusammenarbeiten. Den Bundesbürgern könnte Merkel eine nur vorübergehende Aufstockung des Euro-Nottopfs als “ist ja nur temporär” verkaufen.

Eine zeitweise Aufstockung ist jedoch inkonsequent. Entweder gar nicht oder dauerhaft – diese zwei Entscheidungen müssten zur Auswahl stehen. Zudem ist eine zeitweise Aufstockung als Brandschutz nicht glaubwürdig; Spekulanten greifen dann eben ein Jahr später an. Denn die Euro-Problemländer brauchen Jahre, um ihre Wirtschaftsstrukturen zu verbessern. Sie bleiben daher zunächst anfällig.

Was bewirkt ein größerer Euro-Rettungsfonds?

So eine höhere Brandschutzmauer richtet sich gegen Spekulanten, die den Euro-Währungsraum im Blick haben und möglichst hohe Gewinnspannen erzielen wollen, wenn sie Staaten Geld borgen und deren Schuldverschreibungen (Anleihen) kaufen.

Der Euro-Rettungsfonds ist eine alternative Geldquelle für Staaten. Sie sind damit nicht mehr nur auf die Finanzmärkte – Banken, Versicherer oder Investmentfonds - angewiesen, um frisches Geld zu erhalten. Die Staaten sind damit nicht mehr so abhängig von Investoren aus Europa und der Welt.

Hätten die Europäer andere Möglichkeiten, als den Nottopf zu vergrößern?

Ja. Der Rettungsfonds hätte nicht unbedingt aufgestockt werden müssen. Schließlich haben die EZB-Sonderkredite für Banken den Europäern drei Jahre Zeit verschafft und die Finanzmärkte etwas beruhigt. Zudem ist der Sorgenstaat Italien auf einem guten Weg, die Regierung leistet gute Arbeit.

Viel wichtiger wäre es daher gewesen, noch mehr Augenmerk in Europa darauf zu richten, dass die Länder besser mit dem Geld ihrer Steuerzahler haushalten und Schulden abbauen.

Ziel muss sein, dass die Staaten nicht dauerhaft am Tropf der Europäischen Zentralbank hängen – sie kaufte in der Vergangenheit ja Schuldverschreibungen von Ländern wie Italien und Spanien auf. Das ist aber nicht ihr Auftrag. Doch so wollte die EZB verhindern, dass es für diese Staaten zu teuer wird, sich Geld an den Finanzmärkten zu besorgen.