Karlsruhe. .
Das Bundesverfassungsgericht hat die Mitwirkungsrechte der Bundestagsabgeordneten im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise gestärkt. Die Einrichtung eines lediglich neunköpfigen Sondergremiums für eilige oder vertrauliche Entscheidungen zur Euro-Rettung verstößt in weiten Teilen gegen das Grundgesetz, wie die Karlsruher Richter am Dienstag entschieden. Das Gericht sah durch den Ausschluss aller übrigen Abgeordneten deren Rechte verletzt.
Das Sondergremium sollte in besonders dringenden Fällen oder bei geheimen Sachverhalten anstelle des Parlamentsplenums oder des Haushaltsausschusses Entscheidungen zum Euro-Rettungsschirm EFSF treffen. Die neun Mitglieder wurden bereits aus dem Kreis der 41 Mitglieder des Haushaltsausschusses gewählt. Das Verfassungsgericht hatte jedoch schon im Oktober per Eilbeschluss verhindert, dass sie ihre Arbeit aufnehmen konnten.
Geklagt hatten die SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz. Sie sahen sich in ihren Rechten als Parlamentarier verletzt.
Das Gericht erklärte nun zur Begründung, das exklusive Gremium schließe die nicht vertretenen 611 Abgeordneten von wesentlichen Entscheidungen "in vollem Umfang" aus, obwohl die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages berührt sei. Rechtmäßig sei das Gesetz nur insoweit, als es dem Sondergremium Entscheidungsbefugnisse für den Fall des Ankaufs von Staatsanleihen durch die EFSF am sogenannten Sekundärmarkt verleiht.
Gericht sieht Gefahr für Funktionsfähigkeit des Bundestags
Die Richter befanden, der weitgehende "Entzug" von Abgeordnetenrechten bedürfe besonderer Gründe und dürfe den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzen. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle betonte, demokratische Spielregeln dürften nicht außer Acht gelassen werden, wo dies nicht zwingend erforderlich erscheine. "Andernfalls liefen wir Gefahr, der Funktionsfähigkeit des Parlaments insgesamt zu schaden."
Weiter hieß es, zwar könne der Bundestag prinzipiell in besonders eiligen oder vertraulichen Fällen "Vorkehrungen für ein zügiges Handeln" treffen. Es seien aber keine Gründe erkennbar geworden, deretwegen ein "kleinstmögliches Untergremium" notwendig wäre, um besonders rasch zusammentreten zu können. "Der geringere Verwaltungsaufwand für die Ladung von nur neun Mitgliedern des Gremiums reicht hierzu nicht aus", heißt es im Urteil. Gegen eine Eilbedürftigkeit spreche auch, dass für die Mitglieder keine Stellvertreter vorgesehen seien. Daher könnte bereits die Verhinderung weniger Mitglieder zur Beschlussunfähigkeit führen.
Die SPD im Bundestag begrüßte die Entscheidung. Der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann sagte, das Urteil stärke die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages und reduziere die Zuständigkeit des sogenannten Neuner-Gremiums auf das absolut notwendige Minimum. "Das war die Forderung der SPD im Gesetzgebungsverfahren. Dadurch werden die Eurorettungsmaßnahmen transparenter und für die Menschen nachvollziehbarer.". (Az: 2 BvE 8/11)