Berlin. . Müssen Verkehrsbetriebe und Gesundheitseinrichtungen vor Streiks geschützt werden? Juristen fordern eine solche Regelung - und berufen sich auf Vorbilder im Ausland. So solle eine Grundversorgung gesichert werden.

Mit einer eigenen Gesetzesinitiative wollen drei Juristen Arbeitskämpfen in wichtigen Infrastrukturbranchen einen rechtlichen Rahmen geben. Als "Professoren-Initiative der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung" präsentierten sie am Montag in Berlin einen Entwurf, der letztlich eine geringere Beeinträchtigung der Bevölkerung etwa im Verkehrs- oder Gesundheitswesen zum Ziel hat.

Der Ruf nach einem Gesetz kam zuletzt auf, als vor zwei Wochen die Gewerkschaft der Fluglotsen den Flughafen Frankfurt mit einem Streik von 220 Vorfeldmitarbeitern für zweistellige Entgelterhöhungen lahmzulegen versuchte. Der Entwurf sieht in diesem Zusammenhang vor, dass Arbeitskampfmaßnahmen unzulässig sind, wenn der angestrebte Tarifvertrag weniger als 15 Prozent der Arbeitsverhältnisse in seinem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich erfassen würde.

Wo genau liegen die Grenzen der Grundversorgung?

Ferner stellen die Professoren Verpflichtungen zur Schlichtung, zur Urabstimmung, zur Ankündigung von Kampfmaßnahmen und Quoren für Spartengewerkschaften zur Debatte. Vor jedem Streik müsse eine Urabstimmung stehen, die nur gültig wird, wenn 50 Prozent der betroffenen Gewerkschafter teilnehmen. Von den Teilnehmern müssten wiederum 50 Prozent für den Streik sein.

Außerdem müssten sich die Tarifparteien je nach Stadium des Arbeitskampfes vor einem Streik oder einer Abstimmung über die Aufrechterhaltung einer Grundversorgung einigen. "Die hierfür erforderlichen Arbeitnehmer sind von Arbeitskampfmaßnahmen auszunehmen", sagte der Münchener Professor Martin Franzen. Wo genau die Grenzen der Grundversorgung liegen, ließ er offen: "Sicher nicht im gesamten öffentlichen Dienst." Bundesschiedsstellen und Bundesschlichtungsstellen sollten für den Fall bereitstehen, dass sich die Parteien nicht einigen könnten.

Im Ausland bereits üblich

"Arbeitskampfrecht ist bislang Richterrecht", bemängelte der Bonner Jurist Christian Waldhoff. Wenn aber der Rechtsprechung kein ausformulierter gesetzlicher Rahmen zugrunde liege, sei die Bevölkerung in Form des gesetzgebenden Parlaments nicht beteiligt und müsse möglicherweise über Gebühr unter dem Arbeitskampf leiden.

Gerade in der "kritischen Infrastruktur", also den für die Grundversorgung unabdingbaren Einrichtungen von Verkehr, Verteidigung, Innere Sicherheit oder Gesundheitswesen und Entsorgung, sollte die deutsche Politik ihrer gesetzgeberischen Pflicht nachkommen, forderte Franzen. Der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing wies darauf hin, dass in vergleichbaren Ländern bereits Rahmenbedingungen für Arbeitskämpfe in Branchen der Grundversorgung üblich seien.(dapd)