Essen. . Deutschlands größte Drogeriemarkt-Kette ist schwer in Not - und das nicht erst seit gestern. Seit drei Jahren schreibt der Drogerie-Riese Verluste, immer wieder müssen die 35.000 Mitarbeiter bedrohliche Schlagzeilen verdauen. Die Nachricht, dass Schlecker Insolvenzantrag stellen will, erfuhren viele nicht vom Unternehmen selbst.
Die Verkäuferin in der Schlecker-Filiale in Bottrop ist überrascht. Ihr Arbeitgeber zahlungsunfähig? Nein, davon wisse sie nichts. Auch die Mitarbeiterin in Velbert-Langenberg hat die Nachricht erst von einer Kundin erfahren. Am Donnerstag habe sie noch Inventur gemacht, sagt sie. Beide Frauen wollen ihre Namen lieber nicht nennen.
Deutschlands größte Drogeriemarkt-Kette – gegründet 1975, Jahresumsatz über sechs Milliarden Euro – ist schwer in Not. Management und Inhaberfamilie haben gestern einen Antrag auf Planinsolvenz angekündigt. Die Geschäfte würden weitergeführt. Schlecker soll saniert, ein Großteil der Filialen erhalten bleiben, heißt es in einer Mitteilung. Die Mitarbeiter bekämen weiter ihr Geld. Die Geschäftsführung will im Amt bleiben, um das Ruder herrumzureißen.
Bereits seit Monaten müssen die etwa 35 000 Mitarbeiter in Deutschland bedrohliche Schlagzeilen verdauen. 2010 waren die Kinder von Unternehmensgründer Anton Schlecker in die Chefetage aufgestiegen: Lars und Meike. Vor einem Jahr hatten sie angekündigt, Schlecker umzubauen. „Fit für die Zukunft“ hieß das Sanierungsprogramm. Die Kette, die seit 2008 Verluste macht, begann unrentable Ladenlokale zu schließen, andere zu modernisieren. Der Drogerist arbeitete auch an einem besseren Image. Er gab eine Kultur der Angst zu, räumte Fehler beim Umgang mit den Mitarbeitern ein und stoppte Billiglöhne. Der neue Geist wurde in eine Werbebotschaft gegossen – „For you, Vor Ort“. Lars und Meike Schlecker gaben sich Mühe, Aufbruch zu leben. Schlecker erfindet sich neu, hieß es auf der Internetseite.
Kunden klagten über leere Ladenregale
So richtig voran kam die Drogeriemarkt-Kette nicht. Der Werbespruch löste Kritik aus. Er sei zu Englisch. Was folgte, war ein PR-Desaster. Ein Schlecker-Sprecher beschrieb in einer Antwort auf die Kritik die eigene Kundschaft und deren „niedriges bis mittleres“ Bildungsniveau so unglücklich, dass viele dies als Beleidigung empfanden.
Auch wirtschaftlich blieb die Lage angespannt. Anzeichen dafür gab es viele: In dieser Woche kochten einmal mehr Spekulationen hoch über die Schließung weiterer 600 Filialen. Im Internet beklagten sich Kunden über leere Ladenregale. Schlecker wollte mit der Gewerkschaft über einen Sanierungstarifvertrag verhandeln, die Mitarbeiter sollten befristet auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten. Laut Manager Magazin ließ Schlecker zudem nach Investoren suchen.
Retter nicht gefunden
Ein Retter scheint bisher aber nicht gefunden, eine geplante Zwischenfinanzierung ist gescheitert. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Ehingen wolle den „schweren aber notwendigen“ Weg in die Planinsolvenz mit einem eigenen Vorschlag für eine Sanierung verbinden, teilte ein Schlecker-Sprecher gestern mit. Wie dieser im Detail aussehen soll, blieb offen.
Der Familie Schlecker und den vielen Angestellten dürften schwere Zeiten bevorstehen. Der einstige Pionier des des deutschen Handels ringt ums Überleben. Die Konkurrenten dm und Rossmann, die nach und nach aufgeholt haben, werden vorbeiziehen. „Die Insolvenz war in der Branche voraussehbar“, teilte Rossmann-Geschäftsführer Dirk Roßmann gestern mit. „Das Konzept mit sehr niedrigen Durchschnittsumsätzen und vergleichsweise hohen Kosten hat sich überlebt.“ Den Mitarbeitern und Schlecker drückte er sein Bedauern aus.