Hamburg. Opel bleibt in den Händen von General Motors. Damit ist der lang eingefädelte Deal mit dem Zulieferer Magna geplatzt. Der US-Mutterkonzern will in Kürze einen Restrukturierungsplan vorlegen. Die Bundesregierung fordert 1,5 Milliarden Euro zurück. Autoexperte befürchtet Werksschließungen.

General Motors will Opel nun doch behalten. Der Verwaltungsrat des US-Mutterkonzerns entschied sich am Dienstag gegen den Verkauf des deutschen Tochterunternehmens an Magna. GM-Chef Fritz Henderson kündigte an, der Konzern werde der Bundesregierung in Kürze einen Restrukturierungsplan für Opel vorlegen.

Nun bangen die Opel-Mitarbeiter wieder um ihre Standorte.
Nun bangen die Opel-Mitarbeiter wieder um ihre Standorte. © ddp

Noch im September hatte sich die GM-Führung grundsätzlich für einen Verkauf der Anteilsmehrheit von Opel an Magna und die Sberbank entschieden. Die Bundesregierung bedauert die Kehrtwende. Sie erwarte nun, dass GM «den Konzern Opel in seiner Leistungsfähigkeit stärkt» und «die erforderlichen Anpassungen auf ein unverzichtbares Mindestmaß begrenzt», erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in der Nacht zum Mittwoch. Außerdem müsse der US-Konzern die Brückenfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro fristgerecht zurückzahlen. Das Thema Opel wurde für Mittwoch auf die Tagesordnung des Kabinetts gesetzt.

Thüringens neue Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat die Entscheidung von General Motors (GM) zum Verbleib von Opel im Konzern scharf kritisiert. «Das war jetzt noch mal ein wirklicher Tiefschlag, mit dem wir so nicht mehr gerechnet hatten», sagte sie am Mittwoch im Deutschlandfunk. «Es ist mehr als bitter», fügte sie hinzu. «Von daher gilt es jetzt alles zu tun, um zunächst einmal auch unter den beteiligten Ländern sich erneut abzustimmen».

Scharfe Kritik von Hessens Ministerpräsident Koch

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch kritisierte die Entscheidung des GM-Verwaltungsrats scharf. «Ich bin sehr betroffen und zugleich verärgert, dass die monatelangen Bemühungen, für Opel Europa eine möglichst gute Lösung zu finden, an GM gescheitert sind», erklärte Koch. Er mache sich große Sorgen um die Zukunft des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze. Er erwarte, dass GM den Brückenkredit fristgemäß zum 30. November zurückzahle, «damit der deutsche Steuerzahler keinen Schaden nimmt», sagte Koch.

Die Opel-Treuhand reagierte zurückhaltend. Der Beirat nehme diese Entscheidung zur Kenntnis. «Ich hoffe, auch im Interesse der Beschäftigten bei Opel, dass dieser Beschluss Opel zu neuer wirtschaftlicher Stabilität verhilft», erklärte der Vorsitzende des Beirats, Fred Irwin. Die Treuhand verwaltet 65 Prozent von Opel, die restlichen 35 Prozent liegen bei GM.

Magna-Chef äußert Verständnis

Dabei waren viele zu einem Lohnverzicht bereit. Foto: ap
Dabei waren viele zu einem Lohnverzicht bereit. Foto: ap © AP

Magna-Vorstandschef Siegfried Wolf äußerte Verständnis für die GM-Entscheidung. «Wir verstehen, dass der Verwaltungsrat zu dem Schluss gekommen ist, dass es im besten Interesse von GM ist, Opel zu behalten», erklärte er. Die deutsche Tochter spiele eine wichtige Rolle in der weltweiten Organisation des Konzerns.

In den vergangenen Wochen waren bei wichtigen Akteuren Zweifel aufgekommen, ob GM Opel immer noch verkaufen oder vielleicht doch in Eigenregie sanieren will. Auslöser war eine Forderung der EU-Kommission: Sie hatte die Entscheidung für Magna grundsätzlich infrage gestellt. Brüssel argwöhnte, dass die Bundesregierung ihre Zusage über 4,5 Milliarden Euro staatlicher Bürgschaften an Zugeständnisse beim Erhalt von deutschen Standorten geknüpft hatte. Daher sollte der GM-Verwaltungsrat schriftlich zusichern, dass die Entscheidung zum Verkauf an Magna im September ohne politischen Druck zustande gekommen war.

Gesamtbetriebsrat stellt sich quer

Der Detroiter Konzern, der vor kurzem aus der Insolvenz zurückgekommenen ist und nur durch Staatsmittel fortbestehen kann, will nun umgehend die Restrukturierung von Opel angehen. Vorstandsvorsitzender Fritz Henderson sagte, er hoffe auf die Zustimmung der deutschen und anderer von der Entscheidung betroffenen Regierungen. Die Entscheidung sei im besten langfristigen Interesse aller Kunden, Arbeiter, Zulieferer und Händler.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Foto: ddp
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Foto: ddp © ddp

Die Restrukturierungskosten für das Europageschäft sieht GM auf vorläufiger Basis bei rund drei Milliarden US-Dollar. GM will nach eigenem Bekunden nun in Zusammenarbeit mit allen europäischen Gewerkschaften einen Plan für die Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmer erstellen. Allerdings sind die Opel-Arbeitnehmer nicht bereit, Sanierungsbeiträge zu leisten, wenn der Rüsselsheimer Autohersteller im GM-Konzern bleibt. Das sagte der Vorsitzende des europäischen Gesamtbetriebsrats und Opel-Konzernbetriebsratschef, Klaus Fran, in der Nacht zum Mittwoch. Im Falle einer Übernahme durch Magna wären die Arbeitnehmer bereit gewesen, durch Lohnverzicht 265 Millionen Euro pro Jahr zur Restrukturierung von Opel beizutragen.

Der Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werkes, Rainer Einenkel, hofft trotz der Entscheidung des GM-Verwaltungsrates auf einen Erhalt der deutschen Standorte: «Ohne Opel hat GM keine Zukunft in Europa. Ich gehe davon aus, dass sie auch die Werke brauchen», sagte Einenkel der «Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung». Einenkel wies darauf hin, dass der zweite Rettungsplan, den GM im Frühjahr der Bundesregierung vorgelegt hatte, einen Erhalt der deutschen Standorte vorsehe. Die «Hängepartie» sei allerdings «unerträglich» für die Beschäftigten. «Wir brauchen endlich Klarheit. Uns läuft die Zeit langsam weg. Der Finanzierungsrahmen der Bundesregierung steht nur bis Ende November», so Einenkel. Am Mittwoch soll die GM-Entscheidung Thema der Betriebsrätekonferenz sein.

Autoexperte: "GM fährt mit höchstem Risiko"

Die Zukunft von Opel ist nach der Entscheidung von General Motors (GM) nach Einschätzung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer ungewisser denn je. «Damit fährt GM - gerade aus der Insolvenz gekommen mit höchst möglichem Risiko. West-Europa ist ein Markt ohne Wachstum und großem Verdrängungswettbewerb», erklärte er am Mittwoch. Mit Blick auf die Konkurrenz betonte er: «VW, Toyota, Renault, Ford und Fiat hätte nichts Besseres passieren können als die Entscheidung des GM-Verwaltungsrates.»

Bei der Restrukturierung sei die Planinsolvenz von Opel mit Werksschließungen in Bochum, Kaiserslautern, Antwerpen und Standorten wie Eisenach oder Ellesmere Port ein denkbares Szenario. «Der x-te harte Restrukturierungsplan kann zwar die Kosten kappen, aber wird die fehlende Produktbreite nicht bereitstellen können», bemängelte er. GM kämpfe gleichzeitig an zu vielen Fronten als «schwaches Unternehmen mit abgenutzten Marken. GM fährt damit mit dem höchst möglichen Risiko».

Die Entwicklungsmöglichkeiten für Opel bei seiner alten Mutter seien um ein vielfaches schlechter als in dem Magna-Konsortium. «Zusätzlich gilt, dass GM keinen Ansatz für das Europa-Geschäft hat und man erst jetzt beginnt, den x-ten Restrukturierungsplan für Opel auszuarbeiten», gab der Wissenschaftler zu bedenken.

«Und dies mit enttäuschten Mitarbeitern, die nicht hinter GM stehen, mit einem weiter geschwächten Management und hohen Verlusten, die finanziert werden müssen», fügte er hinzu. Es werde sehr schwer sein, für neue Produkte in Europa und USA Kredite zu erhalten. «Damit wird das Produktprogramm auf Sparflamme laufen und der weitere Verlust von Marktanteilen in Europa ist vorgezeichnet», warnte Dudenhöffer. Auch nach der jetzt vorgesehenen Restrukturierung bleibe Opel äußerst schwach im harten europäischen Markt, der weitere Abstieg sei vorgezeichnet. (ap/afp)