Stockholm. Keine guten Zeiten für den Energiekonzern Vattenfall: Kurz nach den jüngsten Ausfällen im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel stellen die schwedischen Behörden einen Reaktor unter Aufsicht. Sie werfen dem Betreiber "Schwächen bei Führung und Kontrolle" vor.
Nach zwei Störfällen der höchsten Gefahrenstufe im schwedischen Atomkraftwerk Ringhals seit Ende vergangenen Jahres ist die Anlage am Mittwoch unter verschärfte Aufsicht gestellt worden. Sicherheitsmaßnahmen seien in dem von den Energiekonzernen Vattenfall und E.ON betriebenen Atomkraftwerk seit Jahren vernachlässigt worden, sagte der Sprecher der Atomaufsichtsbehörde, Mattias Skold.
60 Zwischenfälle seit Anfang 2009
Die Behörden hätten «Schwächen in Bezug auf Führung und Kontrolle, die Zurückverfolgung interner Entscheidungen sowie das Befolgen von Routinen und Instruktionen» festgestellt. Ende vergangenen Jahres versagte laut Skold das automatische Sicherheitssystem, im März dieses Jahres hätten Kontrollstäbe zur Steuerung der Reaktoraktivität nicht funktioniert. Beide Einrichtungen seien wichtig, wenn ein Reaktor schnell abgeschaltet werden müsse. «Wertvolle Zeit hätte verloren gehen können», sagte Skold. Die Zwischenfälle seien auf der höchsten Stufe der dafür vorgesehenen dreistufigen Skala eingeordnet worden. Die Reaktoren seien nicht in Betrieb gewesen, als sie sich ereigneten.
Seit Anfang 2009 seien von der Anlage Ringhals etwa 60 Zwischenfälle gemeldet worden. Die meisten davon seien nicht schwerwiegend gewesen. Dass ein Atomkraftwerk unter verschärfte Aufsicht gestellt wird, ist ein ungewöhnlicher Schritt. «Das ist in der Geschichte der schwedischen Atomkraft erst ein paar Mal vorgekommen», sagte Skold. Damit verbunden sind Ermittlungen und regelmäßige Berichte über den Betrieb der Anlage.
In Ringhals produzieren vier Reaktoren ein Fünftel der schwedischen Elektrizität. Insgesamt verfügt Schweden über zehn Reaktoren.
Greenpeace schweißt Tore von Krümmel zu
Am Atomkraftwerk Krümmel, das nach einem Störfall 2007 fast zwei Jahre stillgestanden hatte, erst Mitte Juni wieder angefahren worden war und nun seit einer neuerlichen Panne seit Samstag schon wieder stillsteht, schweißten Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace am Montag die Einfahrtstore zu. An jedem der fünf Tore wurden laut einer Mitteilung zusätzlich Hinweisschilder angebracht mit der Aufschrift: «AKW Krümmel geschlossen wegen Unzuverlässigkeit von Vattenfall».
Greenpeace forderte die Chefin der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht, Sozialministerin Gitta Trauernicht, auf, die Betriebsgenehmigung des Betreibers Vattenfall «wegen erwiesener Unzuverlässigkeit» zu widerrufen. Die Aufsichtsbehörden agieren nach Ansicht von Greenpeace «seit Jahren zunehmend zögerlich gegenüber den Stromkonzernen, weil sie Schadensersatzforderungen fürchten».
Regierung räumt Mängel bei deutschen Akws ein
Die Bundesregierung räumte derweil die technische Rückständigkeit von Atomkraftwerken älterer Bauart wie Krümmel oder Biblis ein. «Die neueren Siedewasserreaktoren sowie die Druckwasserreaktoren der dritten oder vierten Generation haben grundsätzlich bessere Sicherheitseigenschaften», heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen, wie die «Berliner Zeitung» berichtet. Bei dem seit Samstag abgeschalteten Meiler Krümmel handelt es sich um einen Siedewasserreaktor älterer Bauart.
In einer Antwort auf eine weitere Anfrage gehe die Regierung noch weiter, schreibt das Blatt. Die älteren Meiler «entsprechen nicht dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik», heiße es darin. Sie gehörten «nicht zu den weltweit hochmodernsten und sichersten Atomkraftwerken». Die Antworten der Regierung stammen dem Bericht zufolge bereits aus den Jahren 2007 und 2006.
RWE verteidigt Sicherheit der Atommeiler
Der Vorstandschef des Stromkonzerns RWE, Jürgen Großmann, verteidigte die Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke. «Die Kernkraftwerke in Deutschland arbeiten alle auf höchstem internationalem Niveau. Es ist kein einziges Kraftwerk in Betrieb, das nicht sicher ist. Auch ältere Kernkraftwerke in unserem Land sind auf Top-Niveau», sagte der Manager laut «Bild»-Zeitung. Im internationalen Vergleich seien die alten Anlagen in Deutschland noch jung, meinte Großmann. Anderswo liefen sie doppelt so lange. Zudem würden die deutschen Kernkraftwerke so streng überwacht wie sonst nirgends. (ap)