Essen. 2025 haben die Kassen ihre Beiträge erhöht. Viele Versicherte wollen wechseln. Extrem gefragt ist eine BKK, die es ins Ruhrgebiet zieht.

Die BKK firmus ist eine kleine Krankenkasse, die man im Ruhrgebiet nicht unbedingt kennt. Die Betriebskrankenkasse hat ihren Sitz in Bremen, Anfang 2024 hatte sie gerade einmal 260.000 Mitglieder. Damit wäre die Geschichte an dieser Stelle vielleicht zu Ende - gäbe es da nicht dieses eine Detail.

Die BKK ist die günstigste Krankenkasse Deutschlands. Und nachdem alle großen Krankenkassen zum Jahreswechsel ihren Zusatzbeitrag zum Teil deutlich erhöht haben, zieht die kleine BKK firmus bundesweit neue Mitglieder an. Nun muss sie wachsen und rückt ins Ruhrgebiet vor.

200.000 Mitgliedsanträge innerhalb weniger Wochen

Ja, einen Ansturm gebe es durchaus, verrät man in Bremen. Rund 200.000 Mitgliedsanträge seien allein seit Mitte Dezember 2024 eingegangen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl unserer Versicherten in den kommenden Wochen und Monaten signifikant weiter erhöhen wird, da wir das zweite Jahr in Folge die günstigste bundesweit geöffnete Krankenkasse sind und die Zusatzbeitragssatz-Abstände enorm vergrößert haben“, sagt BKK-Vorstand Dirk Harrer. Schon im vergangenen Jahr war die Kasse gewachsen. Zum Start ins Jahr 2025 hatte sie 533.000 Versicherte. Auf das Wachstum, fügt Harrer hinzu „hatten wir uns vorbereitet“.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Zahl unserer Versicherten in den kommenden Wochen und Monaten signifikant weiter erhöhen wird.“

Dirk Harrer
Vorstand der BKK firmus

Zum Jahreswechsel haben 45 Krankenkassen in Deutschland und beinahe jede der in NRW verfügbaren Kassen ihren Zusatzbeitrag erhöht. Selbst so große Versicherungen wie die Techniker Krankenkasse mit über elf Millionen Versicherten in Deutschland klagen zunehmend über die steigenden Ausgaben durch teure Krankenhausaufenthalte und hohe Arzneimittelkosten, die durch schwindende Rücklagen kaum mehr aufzufangen sind.

Erstmals hat eine Krankenkasse ihren Zusatzbeitrag auf vier Prozent erhöht

Die Folge war eine Welle von Beitragserhöhungen zum Jahreswechsel. Erstmals hat eine Kasse ihren individuellen Zusatzbeitrag auf über vier Prozent erhöht - die Knappschaft in Bochum ist damit die teuerste Krankenkasse Deutschlands. Den Kassenbeitrag, der sich aus dem allgemeinen und dem Zusatzbeitrag zusammensetzt, teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hälftig. Viele andere Kassen sind der Vier-Prozent-Grenze nicht fern: Die KKH etwa liegt bei 3,78 Prozent.

Gerade jüngere Versicherte zeigen sich preisbewusst und sind offenbar viel eher bereit, ihre Krankenkasse zu wechseln. Bis zum 31. Januar galt ein Sonderkündigungsrecht bei Erhöhungen, die zum Jahreswechsel angekündigt worden sind. In NRW berichten Krankenkassen von sehr viel mehr Bewegung im Markt. Bundesweite Umfragen bestätigen das: Jeder siebte gesetzlich Versicherte hat laut Check 24 seine Krankenkasse kürzlich gewechselt oder will das in absehbarer Zeit tun.

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Krankenkassen berichten von hoher Fluktuation

Die Fluktuation sei stärker als in den Vorjahren, heißt es von den Kassen, ohne dass allzu konkrete Zahlen genannt werden. Dazu sei es noch zu früh, teilen etwa die Knappschaft, Barmer und AOK NordWest mit. Letztere erklärt gegenüber dieser Redaktion aber, dass deutlich mehr Menschen zu ihr wechseln wollten als im Vorjahr und sehr viel mehr, als die Kasse verlassen wollten. Der Zusatzbeitrag der AOK NordWest liegt 2025 bei 2,79 Prozent (2024: 1,89).

Die Techniker Krankenkasse spricht trotz doppelt so hohem Zusatzbeitrag (2,45 %) ebenfalls von einer positiven Bilanz - auch von privaten Krankenversicherungen gebe es Zugänge. „Schon in der Vergangenheit lösten Veränderungen bei den Zusatzbeiträgen eine verstärkte Wechselbereitschaft aus“, sagt Christian Elspas, Sprecher der Techniker in NRW. „Diese Entwicklung wird anhalten, auch bedingt durch die größere Spannbreite bei den Zusatzbeiträgen.“

Einzig die AOK Rheinland/Hamburg legt die Karten auf den Tisch: Im Januar 2025 seien 40 Prozent mehr Versicherte gewonnen worden als vor einem Jahr. Die AOK hat zudem 14 Prozent weniger Kündigungen kassiert - ihr Zusatzbeitrag liegt bei 2,99 Prozent.

Notarztpraxis Borbecker Ärzte
Viele Krankenkassen haben 2025 ihren Zusatzbeitrag erhöht. Versicherte reagieren und wollen zunehmend die Versicherung wechseln. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Niedrige Verwaltungskosten, gesunde Versicherte

Die BKK firmus rennt ihnen allen davon: Der Zusatzbeitrag liegt bei 1,84 Prozent - keine andere Kasse liegt aktuell noch unter der Zwei-Prozent-Schwelle. Die BKK nennt niedrige Verwaltungskosten und einen frühen Fokus auf digitale Angebote als Gründe dafür, warum sie so viel günstiger arbeiten kann als andere Krankenkassen.

Tatsächlich arbeiten gerade die kleinen Betriebskrankenkassen mit kleineren Verwaltungen oft kostengünstiger. Laut BKK-Landesverband Nordwest betrugen die Verwaltungskosten pro Kopf innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2023 genau 169,17 Euro. Bei den oft kleineren Betriebskrankenkassen waren es 155,80 Euro. Kassen mit weniger als 100.000 Versicherten sind den Angaben zufolge nochmal günstiger.

Verbraucherschützer: Bei der Krankenkasse geht es nicht nur ums Geld

„Kleinere Krankenkassen sind meist schlanker strukturiert und haben damit geringere Gemeinkosten für Stabsstellen und interne Verwaltung“, sagt Landesverbandschef Dirk Janssen. Die Vorstandsgehälter seien ebenfalls geringer. Nicht weniger entscheidend dürfte sein, dass gerade junge preisbewusste Menschen zu den günstigen Kassen wechseln. Sie sorgen für deutlich niedrigere Ausgaben.

Verbraucherschützer warnen vor dem Eindruck, bei der Krankenversicherung nicht nur aufs Geld zu schauen. Die Krankenkassen unterscheiden sich in vielen Punkten. Die eine hat ein breites Netz an Servicestellen, die andere setzt stärker auf Angebote zur Prävention. Solche Unterschiede könnten für viele Menschen entscheidende Faktoren sein, die eine Kassenwahl mit bestimmen, heißt es von den Verbraucherzentralen.

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Neuer BKK-Standort in Essen: „Ideal für uns“

In der Vergangenheit war es Betriebskassen durchaus schon mal zum Verhängnis geworden, wenn sie zu schnell wuchsen, der Service schlechter wurde, Kosten stiegen und Versicherte wieder wechselten. In Bremen will man deutlich machen, dass diese Risiken früh erkannt wurden. Bei dem eingeschlagenen Wachstumskurs habe es sich um eine bewusste strategische Entscheidung gehandelt, so Vorstand Harrer. Er spricht von getroffenen Vorbereitungen, damit der Service nicht unter der steigenden Mitgliederzahl leidet.

Die BKK wächst - auch ins Ruhrgebiet. Zum 1. April will die Betriebskasse, die erst vor 20 Jahren in ihrer jetzigen Form als Fusion aus verschiedenen kleineren Kassen entstanden ist und inzwischen rund 550 Beschäftigte und zwölf Servicestellen in Norddeutschland zählt, einen Standort in Essen eröffnen. Sie sucht derzeit Fachkräfte. Rund 100 Stellen sind geplant.

Essen gehöre seit Jahren schon zu den beliebtesten und stärksten Wirtschaftsstandorten in Deutschland, schmeichelt Vorstand Harrer der Stadt. „Für uns sind die Voraussetzungen in Essen ideal, um hier qualifiziertes Fachpersonal zu finden. Der zentrale Standort in Essen verfügt infrastrukturell über ein sehr großes Einzugsgebiet angrenzender bzw. benachbarter Städte.“

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