Essen/Brüssel. Ruhr-Oberbürgermeister haben bei EU-Chefin von der Leyen für ihre Städte geworben. Hoffnung auf Hilfe bei Sanierung von Industriebrachen.
Im Ruhrgebiet wächst die Zuversicht, mit grünem Stahl, Wasserstoff, Software und zahlreichen Innovationen europäische Modellregion zu werden. Bei einem Gespräch der Ruhr-Oberbürgermeister mit der EU-Kommission in Brüssel ging es auch um EU-Fördergelder insbesondere für die Wiederbelebung industrieller Brachflächen im Revier.
Ursula von der Leyen nimmt sich viel Zeit, um den Oberbürgermeistern und Landräten aus dem Ruhrgebiet beim Mittagessen zuzuhören. Nach dem Gespräch, das deutlich länger dauert als ursprünglich geplant, ist das weiße Blatt, das neben der EU-Kommissionspräsidentin liegt, mit vielen Stichworten gefüllt, wie Teilnehmer beobachten. Das Ruhrgebiet macht sich große Hoffnungen, in der gerade gestarteten zweiten Amtszeit von der Leyens eine zentrale Rolle zu spielen.
Eiskirch: Zeigen, wie aus Forschung reale Produkte werden
„Das Ruhrgebiet hat den Anspruch, die grünste Industrieregion der Welt zu werden. Das ist die Antwort auf den Plan der EU-Kommission, den Green Deal zu einem Clean Industrial Deal zu machen“, sagt Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch nach dem Gespräch in Brüssel unserer Redaktion. Der klimaneutrale Umbau der Industrie soll die Wettbewerbsfähigkeit Europas verbessern und grüne Technologien zum Exportschlager machen – so der Plan der EU.
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„Es geht um den zukunftsfähigen Umbau der Industrie. Dafür steht das Ruhrgebiet. Deshalb bringen wir alles mit, um Modellregion dafür zu sein“, wirbt Eiskirch im Namen aller Ruhr-Oberbürgermeister und nennt Beispiele. „Mit grünem Stahl kann das Ruhrgebiet demonstrieren, wie sich Deutschland und Europa unabhängig machen von Stahlproduzenten etwa in Asien. Das gilt auch für die Chemie- und die Werkstoffindustrie.“ Der OB hat aber auch andere Technologien im Blick: „Wir können zeigen, wie aus Forschung reale Produkte werden. Zum Beispiel kommen drei von vier Verschlüsselungstechnologien gegen Angriffe durch Quantencomputer aus Bochum.“
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Die Stadtchefs sind davon überzeugt, dass grüner Stahl von Thyssenkrupp aus Duisburg, Wasserstoff-Kompetenz im gesamten Ruhrgebiet und zahlreiche andere Innovationen aus der Region Vorbild für Europa sein können. Wenngleich das Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft stockt und Thyssenkrupp in einer schweren Krise steckt. „Unsere Pläne stoßen auf großes Interesse in Brüssel. Damit kann das Ruhrgebiet unter Beweis stellen, dass es nicht immer nur jammert, sondern konkrete Beiträge für den Clean Industrial Deal leisten kann“, stellt Eiskirch selbstbewusst fest. „Mein Eindruck ist, dass wir bei Frau von der Leyen im positiven Sinn einen Nerv getroffen haben, weil das Ruhrgebiet für die Themen steht, die Kern ihrer zweiten Präsidentschaft sind.“
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Eine Schlüsselrolle bei der Transformation spielen freilich brachliegende ehemalige Bergbau- und Industrieflächen, die das Ruhrgebiet dringend braucht, um neue Unternehmen anzusiedeln. Allerdings fehlt den Kommunen das Geld, die teure Sanierung zu stemmen. Bislang können nur die Städte Bottrop, Marl und Gladbeck EU-Fördermittel für Brachen abrufen, weil das Ende des Bergbaus dort weniger als zehn Jahre zurückliegt. Das Ruhrgebiet will aber mehr.
„Mein Eindruck ist, dass das wichtige Thema Revitalisierung auf dem Zettel von Frau von der Leyen steht. Ich habe ihr von unseren erfolgreichen Projekten Phoenix West in Dortmund, Mark 51/7 in Bochum und Freiheit Emscher in Bottrop berichtet. Das hat sie sichtlich beeindruckt“, berichtet Garrelt Duin. Der Direktor des Regionalverbands Ruhr und frühere NRW-Wirtschaftsminister zeigt sich im Gespräch mit unserer Redaktion „optimistisch, dass die industriellen Brachflächen des Ruhrgebiets ab 2028 in die Förderprogramme der EU einfließen.“
Duin: Neuer Drive für die Diskussion um Gewerbeflächen
2028 beginnt die neue europäische Förderperiode. Für Duin ist die Nutzung von Brachen auch ein Beitrag zum Klimaschutz. „Sanierte Altflächen rücken immer mehr in den Fokus, weil sie den Verbrauch von neuen Flächen auf der grünen Wiese einschränken“, sagt er. „Das ist nachhaltig. Davon werden auch andere frühere Kohleregionen profitieren.“
Angesichts der hohen Nachfrage von Unternehmen und knappem Flächenangebot insbesondere im westlichen Ruhrgebiet will sich der Regionaldirektor aber nicht allein auf in Aussicht stehende Fördermittel aus Europa verlassen. „Bis 2028 legen wir natürlich die Hände nicht in den Schoß. Wir drehen an weiteren Stellschrauben, um die Gewerbeflächennot zu lindern“, kündigt Duin an. „Die Forderung nach einem Grundstücksfonds Ruhr hat für uns ebenso große Priorität. Ich bin auch mit dem Land im Gespräch über die Gründung einer Flächenentwicklungsgesellschaft. Wir werden neuen Drive in die Diskussion um Gewerbeflächen bekommen.“
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