Essen. Evonik baut den Vorstand um. Drei Frauen spielen bei der Entwicklung des Essener Chemiekonzerns eine Schlüsselrolle. Das planen sie.

Wenn im kommenden April der Vorstand des Essener Chemieriesen Evonik von vier auf fünf Mitglieder erweitert wird, haben erstmals in der Geschichte des Unternehmens die Frauen die Mehrheit im wichtigsten Führungsgremium des Konzerns. Das Finanzressort ist schon seit April 2023 mit Maike Schuh (51) besetzt, nun rücken zwei weitere Frauen in den Vorstand auf: die Amerikanerin Lauren Kjeldsen (51) und die Französin Claudine Mollenkopf (58), die beide schon im Top-Management von Evonik tätig sind.

Ab April sind Kjeldsen und Mollenkopf verantwortlich für die beiden Sparten, die im Zuge eines weit reichenden Konzernumbaus entstehen. Derzeit sind die Aktivitäten von Evonik in vier Divisionen gebündelt – rund um Produkte für die Pharma-, Kosmetik- und Ernährungsindustrie („Nutrition & Care“), Werkstoffe („Smart Materials“), Additive für die industrielle Anwendung („Specialty Additives“) sowie die rohstoff- und energieintensive Basischemie („Performance Materials“). Diese Struktur will Vorstandschef Christian Kullmann auflösen.

Evonik wird umgebaut: Künftig nur noch zwei Segmente

Künftig gibt es Unternehmensangaben zufolge nur noch zwei Segmente: In den Bereich „Custom Solutions“ mit rund 7000 Beschäftigten sortiert das Management Geschäfte mit „maßgeschneiderten Produkten“ für Evonik-Kunden in unterschiedlichen Branchen ein. Die Amerikanerin Lauren Kjeldsen soll diesen Bereich führen. „Chemie ist immer Teil einer Lieferkette“, erklärt die Managerin, die unter anderem Chemie-Ingenieurwesen studiert hat. Evonik wolle daran mitwirken, Produkte zu optimieren. Das könne bedeuten: weniger Ressourcenverbrauch, weniger Energie, weniger Gewicht. „Wir müssen immer verbessern“, sagt Kjeldsen.

Seit April 2023 ist Maike Schuh (51) die Finanzchefin des Essener Chemiekonzerns Evonik. Bislang war sie die einzige Frau im Vorstand des Unternehmens.
Seit April 2023 ist Maike Schuh (51) die Finanzchefin des Essener Chemiekonzerns Evonik. Bislang war sie die einzige Frau im Vorstand des Unternehmens. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Claudine Mollenkopf, die aus dem Elsass stammt, übernimmt das Evonik-Segment „Advanced Technologies“ mit etwa 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zu dem Bereich gehören unter anderem sogenannte Hochleistungskunststoffe sowie das Wasserstoffperoxid-Geschäft von Evonik. Kjeldsen und Mollenkopf führen bislang bei Evonik jeweils eine der vier Divisionen, die mit dem Konzernumbau im Frühjahr verschwinden werden. So ist Kjeldsen bisher für „Smart Materials“ zuständig, Mollenkopf für „Specialty Additives“.

„Lauren Kjeldsen und Claudine Mollenkopf sind erfahrene Führungskräfte“, sagt der Evonik-Aufsichtsratsvorsitzende Bernd Tönjes, der auch Chef des Großaktionärs RAG-Stiftung ist. „Die Entscheidung für ihre Berufung fiel einstimmig.” Vorstandschef Christian Kullmann (55), der seit Mai 2017 an der Konzernspitze steht, betont, das Führungsgremium von Evonik werde „internationaler und weiblicher“.

Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann: „Auch an der Spitze des Unternehmens sparen wir. Die zweite Vorstandsebene lösen wir komplett auf. Aus dem Top-Management gehen drei geschätzte Kollegen in den Ruhestand.“
Evonik-Vorstandschef Christian Kullmann: „Auch an der Spitze des Unternehmens sparen wir. Die zweite Vorstandsebene lösen wir komplett auf. Aus dem Top-Management gehen drei geschätzte Kollegen in den Ruhestand.“ © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Kullmann hebt hervor, dass sich der Konzern trotz der Vorstandserweiterung mit der neuen Führungsstruktur verschlanke. „Auch an der Spitze des Unternehmens sparen wir“, sagt Kullmann. „Die zweite Vorstandsebene lösen wir komplett auf.“ Aus dem Top-Management gehen drei Manager in den Ruhestand: Harald Schwager, der bisherige Vize-Vorstandschef, sowie Johann-Caspar Gammelin (Leiter von „Nutrition & Care“) und Joachim Dahm („Performance Materials“).

Drei Männer gehen in den Ruhestand, zwei Frauen rücken auf

Bei Auftritten vor der Belegschaft signalisieren die neuen Managerinnen an der Konzernspitze, wie groß ihre Veränderungsbereitschaft ist. „Wir müssen extrem offen sein für Änderungen“, sagt Claudine Mollenkopf. Der Chemiekonzern, zu dem derzeit insgesamt rund 32.000 Beschäftigte gehören, durchlaufe gerade die größte Transformation, „seit es Evonik gibt“. Dies sei „nicht immer einfach“. Der Evonik-Vorstand hat bereits angekündigt, rund 2000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, davon 1500 in Deutschland.

Auch sie habe „Respekt vor Änderungen“, sagt Claudine Mollenkopf. „Aber ich habe keine Angst, den Weg zu gehen.“ Bei ihrem Führungsstil setze sie darauf, sehr transparent zu sein – zum Beispiel bei Themen wie Zielvorgaben und Kosten. Sie agiere nicht präsidial, sondern sei gerne vor Ort in den Werken, betont die Chemie-Ingenieurin, die schon viele Jahre in der Forschung und in der Produktion gearbeitet hat. Für ein Video, in dem sie sich den Beschäftigten vorstellt, hat sie den traditionsreichen Evonik-Standort Goldschmidt in Essen gewählt.

Claudine Mollenkopf: „Der Fokus auf Asien ist das A und O“

Die Französin soll dafür Sorge tragen, dass es bei den großen „Brummern“ in der Produktpalette von Evonik läuft – also beispielsweise bei Geschäften mit dem Futtermittelzusatz Methionin oder dem Desinfektions- und Bleichmittel Wasserstoffperoxid. Ihre Sparte umfasst auch die Herstellung von Kieselsäure für die Reifen- oder Pharmaindustrie, von Polyamid 12 für die Auto-, Maschinenbau- oder Medizintechnik sowie von Isophoron als Lösemittel in der Lack- oder Klebstoffindustrie.

Bei vielen Geschäften sieht sich Evonik derzeit als Marktführer oder Nummer zwei in der Branche. Aber der Wettbewerb aus Asien, speziell aus China, nehme zu, sagt Claudine Mollenkopf. Evonik verfügte über „hervorragende Technologie“, aber müsse zugleich daran arbeiten, die „Kostenführerschaft“ nicht zu verlieren. „Der Fokus auf Asien ist das A und O“, sagt die Evonik-Managerin, die im Elsass zweisprachig aufgewachsen ist und auch über einen deutschen Pass verfügt.

Evonik-Aufsichtsratschef Bernd Tönjes, der auch die Großaktionärin RAG-Stiftung führt, sagt über die beiden neuen Frauen im Vorstand des Konzerns: „Lauren Kjeldsen und Claudine Mollenkopf sind erfahrene Führungskräfte.“
Evonik-Aufsichtsratschef Bernd Tönjes, der auch die Großaktionärin RAG-Stiftung führt, sagt über die beiden neuen Frauen im Vorstand des Konzerns: „Lauren Kjeldsen und Claudine Mollenkopf sind erfahrene Führungskräfte.“ © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Auch die Amerikanerin Lauren Kjeldsen, die schon seit 23 Jahren in Diensten von Evonik steht, spricht Deutsch. Angesichts mehrerer Firmenübernahmen in den Vereinigten Staaten hat es für Evonik an Bedeutung gewonnen, den US-Markt zu verstehen. Kjeldsen, die Country-Musik liebt und gerne mal einen Cowboy-Hut aufsetzt, dürfte auch an dieser Aufgabe gemessen werden. „Wir sind sehr gut aufgestellt für die nächste Phase in den USA“, sagt die Evonik-Managerin. Als Amerikanerin habe sie eine Mentalität, zu der die Überzeugung gehöre: „Es gibt immer einen Weg, immer eine Lösung.“

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