Berlin. Raus aus der Rezession, hin zu zwei Prozent Wachstum: Das ist das erklärte Ziel der Union. Sie macht eine Reihe an Vorschlägen. Eine Sache aber fehlt.

Immer mehr Firmen gehen pleite, die Arbeitslosenzahlen steigen, die Wirtschaft strauchelt. 2024 könnte das zweite Rezessionsjahr in Folge gewesen sein. Wie schon zur Jahrtausendwende wird die deutsche Wirtschaft von der ausländischen Wirtschaftspresse als „kranker Mann Europas“ bezeichnet. Damals leitete der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit der Agenda 2010 die wirtschaftspolitische Wende ein. Nun ruft auch die Union eine neue Agenda-Politik aus: die „Agenda 2030“. Auf zwölf Seiten haben CDU und CSU aufgeschrieben, wie sie unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz (CDU) neuen Wohlstand für Deutschland generieren wollen. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was plant die Union?

„Wir wollen wieder Wachstumsraten von mindestens zwei Prozent erreichen“, schreiben CDU und CSU in ihrem Papier, das dieser Redaktion in einem ersten Entwurf vorliegt. Deutschland solle führend werden bei industriellen KI-Anwendungen, Arbeitnehmer sollten mehr Netto vom Brutto erhalten. Die Liste, was sich darüber hinaus verbessern soll, ist lang: eine verlässlichere Kita-Versorgung, qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland, die unkompliziert nach Deutschland kommen können, eine starke Bundeswehr, gute Schulen und mehr gelebte Solidarität werden genannt.

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Welche Entlastungen könnte es geben?

Zunächst will die Union an die Steuern ran und verspricht eine „große Steuerreform – die umfassendste seit Jahrzehnten“. Statt wie bisher bei 68.430 Euro soll der sogenannte Spitzensteuersatz von 42 Prozent künftig erst bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 80.000 Euro greifen. Gleichzeitig soll der Grundfreibetrag, der derzeit bei 12.096 Euro liegt, jährlich angehoben werden. Überstundenzuschläge sollen steuerfrei werden und Rentner, die freiwillig weiterarbeiten, sollen bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen dürfen. Auch Kinderbetreuungskosten und haushaltsnahe Dienstleistungen sollen steuerlich besser absetzbar sein.

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Den Solidaritätszuschlag, den derzeit unter anderem noch Spitzenverdiener und einige Firmen zahlen müssen, will die Union abschaffen, die Körperschaftssteuer soll perspektivisch von 15 auf 10 Prozent gesenkt, die Gewerbesteuer vereinfacht werden. Einbehaltene Unternehmensgewinne sollen nach Vorstellung der Union künftig mit maximal 25 Prozent besteuert werden.

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Was ist beim Bürgergeld geplant?

Das Bürgergeld will die Union abschaffen und durch eine neue Grundsicherung ersetzen. Wer sich einer Arbeit verweigert, obwohl er arbeitsfähig ist, soll die Leistung komplett gestrichen bekommen. Eine solche Forderung hatte auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bereits aufgestellt. Nur: Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2019 festgestellt, dass ein vollständiger Wegfall der Unterstützung unrechtmäßig ist. Allerdings bauten die Karlsruher Richter eine Ausnahme ein: „Wenn und solange Leistungsberechtigte es selbst in der Hand haben“, ihre Existenz durch Arbeit zu sichern, und dies verweigern, sei auch ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen, hieß es in der Entscheidung. Kosten für Unterkunft und Heizung müssten aber wohl getragen werden.

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    Grundsätzlich fordert die Union mehr Sanktionen bei Fehlverhalten. Wer mehr als einmal einen Termin beim Jobcenter sausen lässt, der soll keine Leistungen mehr bekommen. Arbeitsagentur und Jobcenter sollen zudem durch KI bei bürokratischen Vorgängen entlastet werden.

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    Auf welche Entlastungen können Unternehmen hoffen?

    Die Union will die tägliche Höchstarbeitszeit durch eine Wochenarbeitszeit ersetzen. Das soll mehr Flexibilität bringen. Auf europäischer Ebene soll die seit Jahren diskutierte Banken- und Kapitalmarktunion kommen und auch eine europäische Energie- und Digitalunion soll für mehr Gemeinsamkeiten sorgen. Die Strompreise sollen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß reduziert werden. Das Verbrennerverbot will die Union abschaffen.

    Die Schere wollen die Konservativen zudem bei der Bürokratie ansetzen. Funktionieren soll das, indem in den Ministerialverwaltungen zehn Prozent der Stellen gestrichen werden, die Zahl der Beauftragten soll gar halbiert werden.

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    Wie sollen die Maßnahmen finanziert werden?

    Das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln (IW) hat bereits einmal durchgerechnet, was die Wahlprogramme der Parteien kosten würden. Bei der Union wären es 89 Milliarden Euro. Woher das Geld kommen soll? Unklar. Von einer Reform der Schuldenbremse, auf die mehrere CDU-Ministerpräsidenten dringen, will man in dem Papier nichts wissen. Stattdessen heißt es: „Der Dreiklang aus Festhalten an der grundgesetzlichen Schuldenbremse, steuerlichen Entlastungen und notwendigen Investitionen kennzeichnet unsere solide Finanzpolitik.“ Auf den Prüfstand müssten stattdessen Subventionen. Weil die Agenda 2030 zu mehr Wachstum führe, würden sich von alleine neue Spielräume eröffnen.

    Was sagen Ökonomen zu den Plänen?

    Fachleute halten genannte Reformen größtenteils für sinnvoll, sehen aber auch Lücken und Schwächen. „Nicht überzeugend finde ich die Steuerentlastung von Überstunden. Unser Problem ist nicht, dass es zu wenig Überstunden gibt, sondern sehr viel Teilzeitbeschäftigung“, sagte etwa der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dieser Redaktion. IW-Direktor Michael Hüther ergänzte, es fehlten Ideen für Reformen der sozialen Sicherungssysteme. „Hier sind unpopuläre Lösungsansätze gefragt, vor denen alle Parteien bisher zurückschrecken“, erklärte er.

    Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erklärte gegenüber unserer Redaktion, dass es unklar sei, ob die Pläne unmittelbar ausreichend Wachstum auslösten. „Wenn das nicht der Fall ist, könnte man Konsum sowie Grund und Boden höher besteuern“, regte sie an.