Berlin. Im Fernsehduell ist die Botschaft von Scholz: Merz weiß nicht, was er tut. Die Message von Merz: Scholz weiß nicht, wovon er redet.
Olaf Scholz wendet sich offensiv dem Mann zu seiner Linken zu. „Danke auch! Also das ist großzügig!“, entfährt es dem Kanzler verärgert. Neben ihm steht Friedrich Merz. Der Kanzlerkandidat der Union hatte der Bundesregierung gerade großzügig bescheinigt, „nicht nichts“ getan zu haben, um die Zahl der Asylsuchenden zu begrenzen.
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Es ist der Moment, an dem auch Merz ins Spiel findet. Denn das TV-Duell bei ARD und ZDF läuft zunächst ganz nach dem Geschmack von Olaf Scholz. Merz ist in der Defensive, schaut etwas zerknittert in die Kameras.
TV-Duell: Maischberger und Illner erfreuen Scholz am Anfang der Sendung
Die Moderatorinnen Sandra Maischberger (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) fragen am Anfang direkt nach der umstrittenen Migrationsabstimmung der Union mit der AfD im Bundestag. Sie servieren Scholz den Herausforderer dort, wo der Kanzler den Oppositionsführer haben will.
![197505_1325_197505_cover.jpg 197505_1325_197505_cover.jpg](https://img.sparknews.funkemedien.de/408123180/408123180_1739172433_v1_1_200.jpeg)
Scholz nutzt dies gerne und wirft Merz wegen der Abstimmung mit der AfD abermals „Wortbruch“ und einen „Tabubruch“ vor. Man könne nun nicht wissen, ob Merz nicht auch nach der Wahl nicht gemeinsame Sache mit der Rechtsaußenpartei machen werde, wiederholt Scholz seinen Vorwurf der vergangenen Tage. Seine Botschaft: Merz weiß nicht, was er tut.
![Das erste TV-Duell vor der Bundestagswahl: ARD-Fernsehmoderatorin Sandra Maischberger (ganz links), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz und die ZDF-Moderatorin Maybrit Illner (ganz rechts). Scholz und Merz im TV-Duell](https://img.sparknews.funkemedien.de/408268506/408268506_1739138001_v16_9_1200.jpeg)
Scholz und Merz: Ein Duell folgt auf das nächste, jetzt aber direkt im Fernsehen
Dahinter steht das Kalkül des Kanzlers, die Wählerinnen und Wähler hinter sich zu versammeln, die Merz mit seinem Manöver erschreckt hat. Scholz und seine SPD brauchen diese Stimmen dringend: Zwei Wochen vor der Bundestagswahl liegt die Union um die 30 Prozent, die SPD kommt nur auf etwa 15 Prozent. Auch im direkten Vergleich liegt Merz klar vor Scholz.
Die beiden Politiker duellieren sich gerade andauernd – im Bundestag oder via Fernduell von ihren Wahlkampfbühnen. Dort reden sie übereinander – und das meist nicht besonders freundlich. Aber anderthalb Stunden direkter Schlagabtausch wie an diesem Sonntagabend – das gab’s im Wahlkampf noch nicht. Das Aufeinandertreffen ist das erste TV-Duell der beiden Kontrahenten vor dieser Bundestagswahl.
Erstes TV-Duell: Weniger Regeln als in früheren Wahlkämpfen
Es gibt kein Publikum im Studio vor Ort, das Auftreten der beiden Widersacher wird also nicht durch Klatschen oder andere Reaktionen untermalt. Scholz lehnt lässiger an seinem Pult als der deutlich größere Merz. Der Ton bleibt an diesem Abend weitgehend respektvoll, von einzelnen Spitzen abgesehen. Scholz versucht, Merz zu reizen. So richtig gelingt es ihm jedoch nicht, auch wenn er die Ausführungen des Unionsmannes mehrfach als „lächerlich“ bezeichnet. Merz lässt sich nicht provozieren: Lächeln. Schmunzeln. Spöttisch die Brauen hochziehen. Mehr nicht.
Die Regeln der Diskussion sind an diesem Abend im Vergleich zu manchen TV-Duellen in früheren Wahlkämpfen simpel: Weder wird die Redezeit der Kontrahenten penibel gestoppt, noch die Länge der Antworten begrenzt. Erst nach der Hälfte der Sendung rügen die Moderatorinnen Scholz freundlich, drei Minuten länger als sein Gegenüber gesprochen zu haben.
![Zur Mitte der Sendung hat Scholz drei Minuten länger gesprochen als Merz. Scholz und Merz im TV-Duell](https://img.sparknews.funkemedien.de/408268520/408268520_1739138001_v16_9_1200.jpeg)
TV-Duell: Die größte Überraschung des Abend ist ein gelber Zettel
Zu dem Zeitpunkt ist es ein Duell auf Augenhöhe. Merz hat anfangs Mühe, bei den Fragen nach seiner Abstimmung mit der AfD gut auszusehen. Er holt sich schließlich Hilfe bei einem gelben Zettel, den er aus der Innentasche seines blauen Sakkos fischt. Es bleibt der größte Überraschungsmoment des Abends, der weitgehend vorhersehbar verläuft.
Der CDU-Chef liest von dem Blatt eine Aussage des Kanzlers aus einem Interview mit der Thüringer Allgemeinen ab: Darin hatte sich Scholz sich zu der Frage geäußert, wie mit Stimmen der AfD umzugehen sei. Merz will mit dem Zitat beweisen: Scholz würde es genauso machen wie ich! Der Kanzler kontert kühl: Da sei es nur um die Kommunalpolitik gegangen – nicht um Abstimmungen im Bundestag.
Im TV-Duell hat Merz eine Botschaft für das Publikum
In Fahrt kommt Merz erst, als es konkret darum geht, die Zahl der Asylsuchenden zu verringern. Scholz betont etwa, dass es in seiner Amtszeit gelungen sei, dass weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Doch das lässt Merz nicht gelten: Er wirft Scholz vor, den Ernst der Lage in den Gemeinden und Kommunen nicht zu kennen. „Sie leben nicht in dieser Welt“, unterstellt der Unionspolitiker dem Kanzler. „Was Sie hier erzählen, ist ein Märchenschloss.“
Fast das gesamte erste Drittel der 90-minütigen Sendung geht es um das Thema Migration. Es folgt die Lage der deutschen Wirtschaft – und es scheint auch hier, als würden die beiden von zwei unterschiedlichen Ländern reden. Merz zählt nur Defizite auf, Scholz praktisch nur Erfolge. „Ich bin erschüttert“ sagt Merz, die Sicht von Scholz habe „mit der Realität da draußen nichts zu tun“. Nun wird auch die Message des CDU-Chefs an das Publikum klar: Scholz weiß nicht, wovon er redet.
Als es im TV-Duell um die FDP geht, sind sich Scholz und Merz einig
Die beiden Moderatorinnen unterbrechen die Themenblöcke mit Schnellfragerunden. Gewünscht sind kurze, knackige Antworten, was vor allem Scholz nicht immer gelingt. Eine Erkenntnis: Merz will Behörden das Gendern verbieten, Scholz ist dagegen. Seltene Einigkeit zeigen Scholz und Merz, wenn es um die FDP gibt. Die Aussage „Ein Bundestag ohne die FDP wäre...“ vervollständigt Merz mit: „Ärmer, aber durchaus lebensfähig“. Das, so Scholz, könne er nicht besser formulieren.
Bis zum Wahlsonntag folgen weitere Fernsehdebatten in diversen Formaten. Ob diese erste Runde an den Umfragewerten etwas ändert, ist fraglich. Weder Scholz noch Merz können sich als klarer Sieger fühlen. Große Fehler haben sie auch nicht gemacht. Das Duell war so, wie die Redezeit der beiden am Ende: ausgeglichen.
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