Duisburg/Essen. Sollte sich die Bundesregierung an zentraler Stelle bei Thyssenkrupp einschalten? Wirtschaftsministerium und Gewerkschaft sind uneinig.

Das von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium lässt die IG Metall mit ihrer Forderung nach staatlichen Vertretern im Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel zunächst einmal abblitzen. Die Besetzung offener Aufsichtsratsposten bei Thyssenkrupp Steel sei „sicher auch zu klären, aber aktuell nicht zentral“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage unserer Redaktion.

Vizekanzler Robert Habeck, hier bei einem Besuch des Thyssenkrupp-Stahlstandorts Duisburg, ist ein wichtiger Akteur im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung des Ruhrgebietskonzerns.
Vizekanzler Robert Habeck, hier bei einem Besuch des Thyssenkrupp-Stahlstandorts Duisburg, ist ein wichtiger Akteur im Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung des Ruhrgebietskonzerns. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Angesichts der Krise des Konzerns und einer milliardenschweren Staatsförderung für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion in Duisburg hatte die IG Metall die Bundes- und die NRW-Landesregierung dazu aufgerufen, über das wichtigste Kontrollgremium der Stahlsparte Einfluss auf das Management auszuüben. „Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf, die beiden freiwerdenden Aufsichtsratsmandate für Land und Bund zu beanspruchen“, sagte die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner. Zuvor hatten der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel und die ehemalige TUI-Personalvorständin Elke Eller angekündigt, ihre Aufsichtsratsmandate bei Thyssenkrupp Steel als Anteilseigner-Vertreter niederzulegen.

Habeck-Ministerium: „Projektförderung grundsätzlich nicht mit Aufsichtsrats-Mandat verknüpft“

Da der Bund und das Land NRW zwei Milliarden Euro an Steuergeldern für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion von Thyssenkrupp investieren, sei es nach Überzeugung der IG Metall „legitim und nachvollziehbar“, wenn die Regierungen Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden würden. Die Gewerkschaft verwies darauf, dass auch der neue Miteigentümer von Thyssenkrupp Steel, der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky, für seine Beteiligung „in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionenbetrags“ zwei Aufsichtsratssitze erhalten habe. Den symbolischen Scheck für die Zwei-Milliarden-Euro-Förderung hatte Vizekanzler Habeck im Juli 2023 persönlich auf dem Thyssenkrupp-Gelände in Duisburg präsentiert.

„Eine solche Projektförderung ist grundsätzlich nicht mit einem Aufsichtsrats-Mandat verknüpft“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage unserer Redaktion. „Hierüber jetzt eine Debatte zu führen, lenkt ab von den eigentlichen Fragen, die der Konzern klären muss.“

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Ministerpräsident Hendrik Wüst beim „Stahl-Aktionstag“ im Juni vergangenen Jahres in Duisburg vor der Konzernzentrale von Thyssenkrupp Steel: Ein Aufsichtsratsmandat im Stahlkonzern für einen Vertreter der Landesregierung lehnt die Ministerin ab.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Ministerpräsident Hendrik Wüst beim „Stahl-Aktionstag“ im Juni vergangenen Jahres in Duisburg vor der Konzernzentrale von Thyssenkrupp Steel: Ein Aufsichtsratsmandat im Stahlkonzern für einen Vertreter der Landesregierung lehnt die Ministerin ab. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Situation bei der Thyssenkrupp AG in Essen und der Stahltochter in Duisburg habe „sich stark zugespitzt“, konstatiert das Habeck-Ministerium. „Wichtig ist, dass alle Beteiligten daran arbeiten, das Unternehmen schnell wieder in ruhiges und stabiles Fahrwasser zu führen. Alle Beteiligten tragen große Verantwortung für die Mitarbeitenden und die Standorte des Traditionsunternehmens.“ Die entscheidenden Fragen seien „unternehmerische Prozesse und Fragen zur Struktur des Konzerns, die nur der Konzern klären kann und muss“. Im Zentrum stünden dabei „die Aufstellung der Stahlsparte und deren ausreichende finanzielle Ausstattung durch den Mutterkonzern“.

Treffen der Thyssenkrupp-Aufsichtsräte in Essen

Seit Monaten schwelt ein Streit zwischen Arbeitnehmervertretern und Thyssenkrupp-Vorstand – aber teils auch innerhalb des Managements – über den Finanzbedarf der Stahlsparte mit rund 27.000 Beschäftigten und großen Standorten unter anderem in Duisburg, Bochum, Dortmund und Südwestfalen. Am Donnerstag (12. September) sollte erneut der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG in Essen zusammenkommen. Beschäftigte begleiteten das Treffen der Konzern-Kontrolleure mit Protestaktionen rund um das Firmen-Quartier.

Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hatte es abgelehnt, einen Posten im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel einzufordern. Es würde helfen, wenn dort „Stahlprofis sitzen, die in der Sache die Dinge richtig entscheiden und nicht Politikerinnen und Politiker“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) unlängst in einer „Aktuellen Viertelstunde“ des Landtags-Wirtschaftsausschusses. „Jede Vertreterin oder Vertreter aus der Politik wäre einzig den Unternehmensinteressen verpflichtet und dürfte Eigen- oder Fremdinteressen nicht in Entscheidungen miteinfließen lassen“, so Neubaur. Würde ein Vertreter der Landesregierung im Aufsichtsrat sitzen und Informationen erhalten, dürfte er diese nicht weitergeben und einsetzen, sagte sie weiter. 

Eindrücke vom Protest der Beschäftigten am 12. September in Essen – zum Text geht es hier.

Protest in Bildern: Beschäftigte von Thyssenkrupp sind sauer

Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López.
Gewerkschafter demonstrieren am Donnerstag vor der Thyssenkrupp-Zentrale in Essen – das Ziel der Wut ist vor allem Vorstandschef Miguel López. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
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