Essen/Duisburg. Thyssenkrupp-Vorständin Ilse Henne soll den Aufsichtsrat der Stahlsparte in Duisburg leiten. Die IG Metall hatte andere Pläne.

Angesichts der Krise von Thyssenkrupp und einer milliardenschweren Staatsförderung für den Konzern ruft die IG Metall die Bundes- und die Landesregierung dazu auf, über das wichtigste Kontrollgremium der Stahlsparte Einfluss auf das Management auszuüben. Zu Wochenbeginn habe sich der Vorstand der IG Metall ausführlich mit der Lage bei Thyssenkrupp beschäftigt, teilte die Gewerkschaft mit. Die Mitglieder des 34-köpfigen Leitungsgremiums seien tief besorgt über die jüngsten Entwicklungen im Unternehmen – insbesondere über die Niederlegung der Aufsichtsratsmandate durch den früheren Vizekanzler Sigmar Gabriel und die ehemalige TUI-Personalvorständin Elke Eller bei der Stahlsparte. Gabriel hatte als Grund für seinen Rückzug angegeben, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Thyssenkrupp-Vorstand um Konzernchef Miguel López sei nicht mehr möglich.

IG Metall-Chefin Christiane Benner sieht nun die Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen sowie die schwarz-grüne Landesregierung von Hendrik Wüst (CDU) gefragt. „Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen auf, die beiden freiwerdenden Aufsichtsratsmandate für Land und Bund zu beanspruchen“, sagte Benner. Dies sei nötig, „um eine transparente und faire Lastenteilung zwischen der Thyssenkrupp Steel Europe AG und dem Mutterkonzern, der Thyssenkrupp AG, sicherzustellen“. Seit Wochen tobt bei Thyssenkrupp ein erbittert geführter Streit um die finanzielle Ausstattung der Duisburger Stahlsparte durch den Essener Mutterkonzern.

Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel und die ehemalige TUI-Personalvorständin Elke Eller legen ihre Aufsichtsratsmandate bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg nieder.
Der frühere Vizekanzler Sigmar Gabriel und die ehemalige TUI-Personalvorständin Elke Eller legen ihre Aufsichtsratsmandate bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg nieder. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Da der Bund und das Land NRW zwei Milliarden Euro an Steuergeldern für den Aufbau einer Grünstahl-Produktion von Thyssenkrupp investieren, sei es nach Überzeugung der IG Metall „legitim und nachvollziehbar“, wenn die Regierungen Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden würden. Die Gewerkschaft verwies darauf, dass auch der neue Miteigentümer von Thyssenkrupp Steel, der tschechische Geschäftsmann Daniel Kretinsky, für seine Beteiligung „in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionenbetrags“ zwei Aufsichtsratssitze erhalten habe. Den symbolischen Scheck für die Zwei-Milliarden-Euro-Förderung hatte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Juli 2023 persönlich auf dem Thyssenkrupp-Gelände in Duisburg präsentiert.

Doch der Plan der IG Metall geht offensichtlich nicht auf: Unternehmensangaben zufolge soll Thyssenkrupp-Vorständin Ilse Henne die neue Aufsichtsratschefin der Stahlsparte werden – und damit Nachfolgerin von Sigmar Gabriel. Dies teilte der Industriekonzern auf Anfrage am 3. September mit. Ilse Henne war bereits gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter Chefin des Werkstoffhandels geworden. Wer auf Elke Eller folgen soll, wurde zunächst nicht bekannt.

Knut Giesler folgt auf Detlef Wetzel im Aufsichtsrat

In der Vergangenheit gab es aus der IG Metall auch Rufe nach einer direkten Beteiligung des Staates an Thyssenkrupp. Eine solche Forderung ist in der aktuellen Stellungnahme der Gewerkschaft indes nicht enthalten.

Knut Giesler, Bezirksleiter der Gewerkschaft in NRW, soll stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel werden.
Knut Giesler, Bezirksleiter der Gewerkschaft in NRW, soll stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel werden. © dpa | Rolf Vennenbernd

Den vom früheren IG-Metall-Chef Detlef Wetzel geräumten Posten als Vizechef des Aufsichtsrats von Thyssenkrupp Steel soll für die IG Metall deren erster Mann im Land übernehmen: Knut Giesler, Bezirksleiter der Gewerkschaft in NRW. Er solle an diesem Freitag der Betriebsrätekonferenz von Thyssenkrupp Steel zur Wahl vorgeschlagen werden, berichtete die Gewerkschaft unserer Redaktion.

CDU-Arbeitnehmerflügel: „Rote Linien überschritten“

Auch der Arbeitnehmerflügel der CDU zeigt sich besorgt um Thyssenkrupp. „In der schwelenden Auseinandersetzung haben der Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende Herr López und der Aufsichtsratsvorsitzende Herr Russwurm rote Linien der vertrauensvollen Zusammenarbeit überschritten“, kritisierte der CDA-Landesverband NRW, der vom Bochumer Europaabgeordneten Dennis Radtke geführt wird. Die CDA fordert den Vorstand und die Thyssenkrupp-Anteilseigner dazu auf, „zur Konfliktlösung wieder zu den bewährten Mechanismen der Mitbestimmung zurückzukehren“. Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm, der auch Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) ist, gilt als einer der wichtigsten Unterstützer von López im Konzern.

IG Metall: „Öffentliche Demontage des Stahlvorstands“

Die IG Metall erklärte, sie befürchte, „dass die öffentliche Demontage des Stahlvorstandes und der damit einhergehende Rücktritt der externen Aufsichtsräte gezielt herbeigeführt wurden, um die zentralen Positionen des Vorstandsvorsitzenden wie auch des Aufsichtsratsvorsitzenden für den Stahlbereich mit Gefolgsleuten des AG-Vorstands zu besetzen – zum Nachteil der Arbeitsplätze und der Beschäftigten in den Stahlwerken“. Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel betreibt große Werke unter anderem in Duisburg, Bochum, Dortmund, in Südwestfalen sowie in Rheinland-Pfalz.

IG Metall-Chefin Christiane Benner sieht bei Thyssenkrupp die Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen sowie die schwarz-grüne Landesregierung von Hendrik Wüst (CDU) gefragt.
IG Metall-Chefin Christiane Benner sieht bei Thyssenkrupp die Bundesregierung von SPD, FDP und Grünen sowie die schwarz-grüne Landesregierung von Hendrik Wüst (CDU) gefragt. © dpa | Arne Dedert

Dass ungeplante Mehrkosten beim Bau der von Bund und Land geförderten Direktreduktionsanlage (DRI) von Thyssenkrupp Steel in Duisburg drohen, schürt ebenfalls Sorgen um den Stahlkonzern, bei dem direkt rund 27.000 Menschen beschäftigt sind. Bei dem erst im vergangenen Jahr angelaufenen Großinvestitionsprojekt DRI in Duisburg gebe es „bereits nach kurzer Zeit Risiken ungeplanter Mehrkosten, die aktuell bewertet werden“, erklärte Thyssenkrupp-Chefkontrolleur Russwurm vor wenigen Tagen.

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