Essen. Thyssen-Krupp hat die Nachfolge für den scheidenden Vorstandschef Ekkehard Schulz mit einer Überraschung geregelt: Siemens-Manager Heinrich Hiesinger übernimmt die Führung des größten deutschen Stahlkonzerns. Der Betriebsrat lobt die Entscheidung.

Bisher waren fast alle Beobachter davon ausgegangen, dass Thyssen-Krupp für den scheidenden Vorstandschef Ekkehard Schulz einen internen Nachfolger nominiert. Als Kronprinzen wurden vor allem die Vorstandsmitglieder Olaf Berlien, Edwin Eichler und Alan Hippe gehandelt.

Wie die Thyssen-Krupp AG nun bekanntgab, soll Hiesinger im Oktober dieses Jahres als Stellvertreter von Schulz in den Vorstand eintreten. Am 21. Januar soll er dann den Vorstandsvorsitz übernehmen.

Dass Schulz nach Auslaufen seines Vertrags abtreten werde, ist schon länger bekannt. Auch seine Nachfolge schien geklärt, zumindest dass es eine interne Lösung geben solle. Doch diese Anzeichen täuschten augenscheinlich. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hat sich offenbar für einen externen Nachfolger stark gemacht und ihn mit Heinrich Hiesinger gefunden. Er gehört seit 2007 dem Siemens-Vorstand an und leitete zuletzt die Industriesparte des Technologiekonzerns. Eine weitere Personalie verkündete Thyssen-Krupp gleich mit: Generalbevollmächtigter Jürgen Claassen tritt ebenfalls im Januar in den Vorstand ein und wird für die Konzernentwicklung zuständig sein.

Betriebsrat begrüßt die Entscheidung

Thomas Schlenz, Konzernbetriebsratschef von Thyssen-Krupp, begrüßte im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe die Berufung von Heinrich Heisinger als Thyssen-Krupp-Chef. Er habe im Vorfeld mit Heisinger gesprochen, „er erfüllt unsere Kriterien als Betriebsrat“, so Schlenz. Heisinger verfüge über eine hohe Industriekompetenz, in der Technologie wie auch in der Produktion, was auch den Stahlbereich umfasse. Es sei wichtig für den Konzern, beide Säulen im Blick zu haben, zumal der Technologiebereich für einen Ausgleich für das sehr schwankungsanfällige Stahlgeschäft sorge. Zudem „versteht und akzeptiert Heisinger die Mitbestimmung.“ Er sei sehr froh, dass die Zeit der Unsicherheit nun vorbei sei.

Der Essener Stahlriese sucht bereits seit Jahren nach einem Nachfolger für den 68-jährigen Schulz, hatte die Entscheidung aber immer wieder hinausgezögert. Schulz steht seit der Fusion von Thyssen und Krupp im März 1999 an der Spitze des Unternehmens. Eigentlich hatte er schon längst den Chefsessel räumen wollen, aber auf Bitten von Firmenpatriarch Berthold Beitz dann doch seinen Vertrag über die Altersgrenze von 65 Jahren hinaus verlängert.

Die Entscheidung für den 49-jährigen Hiesinger, der zuletzt die Verantwortung für die Industriesparte von Siemens und damit für einen Umsatz von rund 35 Milliarden Euro trug, dürfte auch ein Signal sein, dass ThyssenKrupp in Zukunft mehr Augenmerk auf sein industrielles Standbein richten wird. Zuletzt hatte der Konzern durch den Neubau von Stahlwerken in Brasilien und den USA vor allem seine Stahlsparte gestärkt.

ThyssenKrupp litt massiv unter Konjunkturkrise

Auf den neuen Konzernchef warten bei ThyssenKrupp große Herausforderungen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2008/2009 hatte der Stahlriese massiv unter der weltweiten Konjunkturkrise gelitten und einen Verlust in Milliardenhöhe ausweisen müssen. Schulz hatte dem Konzern deshalb zuletzt eine drastische Restrukturierung verordnet, die auch eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl um 20.000 auf rund 167.000 bis zum Oktober dieses Jahres vorsieht.

Die Sparmaßnahmen tragen allerdings bereits erste Früchte. Zusammen mit der beginnenden Konjunkturerholung ermöglichten sie dem Konzern bereits im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres die Rückkehr in die schwarzen Zahlen.