Göteborg. Die Bundesrepublik muss auf die Strafbank. Weil das deutsche Staatsdefizit die erlaubte Marke von drei Prozent des BIPs übersteigt, wird die EU-Kommission ein Verfahren einleiten. Aber Deutschland ist nicht allein: 20 von 27 Mitgliedsstaaten verstoßen gegen die Kriterien.

Auf Deutschland kommt im Herbst ein neues Defizitverfahren zu. Die EU-Kommission kündigte am Donnerstag beim informellen EU-Finanzministertreffen im schwedischen Göteborg an, Mitte November über neue Verfahren gegen bis zu neun Mitgliedsländer mit übermäßigen Haushaltsdefiziten zu entscheiden. Das deutsche Defizit übersteigt in diesem Jahr deutlich die von der EU tolerierte Drei-Prozent-Marke.

20 von 27 Mitgliedsstaaten verstoßen gegen die EU-Kriterien

Die Bundesregierung hatte am Mittwochabend für dieses Jahr ein Defizit von 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nach Brüssel gemeldet. Das ist deutlich mehr, als der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU erlaubt. Bisher ging die Regierung sogar von einem Defizit von 3,9 Prozent für dieses und 5,9 Prozent für das kommende Jahr aus.

Die EU-Finanzminister könnten das neue Verfahren laut Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia bei ihrem Treffen am 2. Dezember auf den Weg bringen. Deutschland steht bereits zum zweiten Mal als Defizitsünder am Pranger. Erst 2007 hatte die EU ein mehrjähriges Verfahren eingestellt. Insgesamt dürften in diesem Jahr 20 der 27 Mitgliedsstaaten gegen die EU-Vorgaben verstoßen.

EU-Staaten wollen Schuldenberge ab 2011 abbauen

Von der Eröffnung eines Verfahrens kann die Kommission in bestimmten Fällen absehen - wenn sie es für erwiesen hält, dass der Verstoß gegen die sogenannten Maastricht-Kriterien nur «ausnahmsweise und vorübergehend» stattfindet. In der Finanzkrise hatten sich die EU-Staaten auf eine flexible Auslegung des Stabilitätspaktes verständigt.

In Göteborg verabredeten die EU-Staaten nach Angaben Almunias, ihre durch die Finanzkrise angehäuften Schuldenberge nach Möglichkeit bereits ab 2011 zurückzuführen. Voraussetzung sei aber eine positive Wirtschaftsentwicklung, betonte der Kommissar. Der schwedische Finanzminister Anders Borg, dessen Land derzeit der EU vorsitzt, verwies auf den Entscheidungsspielraum jedes Mitgliedsstaates. Länder wie Portugal hatten zuvor Vorbehalte gegen einen strikten Zeitplan zum Schuldenabbau geäußert. (afp)