Essen. Die ersten Streiks auf dem Bau seit 17 Jahren könnten lange dauern. Die Gewerkschaft droht nun mit einer Eskalation während der Fußball-EM.
Streiks sind die Menschen in diesem Jahr schon gewohnt, im Nahverkehr, im Handel, bei der Telekom - aber streikende Bauarbeiter? Hat es seit 17 Jahren nicht gegeben. Doch jetzt droht ein heftiger Konflikt, den ersten Warnstreiks in NRW in Duisburg, Dortmund und Köln dürften weitere folgen. Die Gewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU) droht nun sogar mit gezielten, unangenehmen Streiks in den EM-Spielstätten während der Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer. Also auch in Dortmund und Gelsenkirchen.
Nachdem die Arbeitgeber den Schlichterspruch abgelehnt haben, lässt die IG Bau die Beschäftigten im Bauhauptgewerbe seit Montag bundesweit streiken. In Duisburg wurde am Dienstag gestreikt, in Dortmund Dienstag und Mittwoch. Das liegt daran, dass Duisburg zum Gewerkschaftsbezirk Rheinland gehört, der auf eintägige Warnstreiks setzt und Dortmund zum Bezirk Westfalen, der eine etwas andere Strategie fährt.
IG Bau in Westfalen und im Rheinland will den Arbeitgebern „weh tun“
Beiden gemeinsam ist das Ziel, „den Arbeitgebern weh zu tun“, wie es Jon Heinemann formuliert, Regionalleiter der IG Bau Rheinland. Er denkt dabei auch an größere Baustellen auf Autobahnen, an Brücken oder anderen neuralgischen Stellen. „Es gibt in NRW aktuell sehr viele Baustellen in Bereichen der öffentlichen Infrastruktur. Sollte es da zu erheblichen Verzögerungen kommen, träfe das die Auftraggeber empfindlich“, sagt Heinemann. Und erhofft sich entsprechenden Druck auf die Bau-Arbeitgeberverbände.
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„Wir gucken natürlich, wo wir am meisten erreichen können“, sagt auch Björn Wißuwa, Regionalleiter der IG Bau in Westfalen. Er denkt aber in eine etwas andere Richtung: „Sollten sich die Arbeitgeber bis zum 14. Juni nicht bewegen, gucken wir uns auch die EM-Austragungsorte an.“ Das könnte sich in Dortmund mehr lohnen als in anderen EM-Städten. Denn in der Innenstadt gibt es so einige Baustellen, ob am Westenhellweg, an der Hohen Straße oder diversen Autobahnzubringern.
Die Stadtverwaltung will, dass bis zum EM-Start die Baustellen insbesondere in den Fanzonen, im Stadionbereich und auf den Zuwegen verschwinden oder zumindest gesichert werden. Man habe „mit der Uefa verschiedene vertragliche Vereinbarungen getroffen, die auch die Pflicht beinhalten, im Turnierzeitraum auf den Zufahrtsstraßen und in der Nähe von Veranstaltungsflächen Behinderungen, Einschränkungen und Minderung der Veranstaltungsqualität zu verhindern“, sagte dazu eine Stadtsprecherin unserer Redaktion.
Dortmund will, dass die Baustellen bis zur EM verschwinden
Nicht fertig werdende Baustellen und Streiks Hunderter Bauarbeiter an neuralgischen Punkten könnten aus Sicht der Gewerkschaft größtmögliche Aufmerksamkeit bringen, gleichzeitig natürlich das Fanerlebnis schmälern. „Gerade, weil wir dem harten Kompromiss im Schlichterspruch zähneknirschend zugestimmt haben, die Arbeitgeber aber nicht, erleben wir gerade einen enormen Zuspruch der Beschäftigten“, sagt Gewerkschafter Wißuwa. In Dortmund seien am zweiten Streiktag 400 Beschäftigte auf die Straße gegangen.
In den kommenden Tagen und Wochen ist mit weiteren Warnstreiks und stillstehenden Baustellen zu rechnen. Wann und wo, teilt die Gewerkschaft erst kurzfristig mit. Die IG Bau hatte in der Tarifrunde 500 Euro mehr im Monat gefordert, damit wollte sie insbesondere die unteren Lohngruppen stärken. Denn seit die Verhandlungen über einen neuen Bau-Mindestlohn vor drei Jahren gescheitert waren, erhalten viele auf dem Bau nur noch den gesetzlichen Mindestlohn.
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Der Schlichterspruch sah eine pauschale Erhöhung um 250 Euro ab diesem Mai vor und ab April 2025 eine weitere Anhebung um 4,15 Prozent in Westdeutschland und um 4,95 Prozent im Osten. Das Arbeitgeberlager lehnte das ab, aber keinesfalls geschlossen. So stimmten die Bau-Arbeitgeber in NRW dem Kompromiss ausdrücklich zu - und sind nun entsprechend unglücklich, dass trotzdem auch sie bestreikt werden.
Bau-Arbeitgeber in NRW empfehlen Betrieben, freiwillig mehr zu zahlen
„Ob im Wohnungsbau oder bei Baumaßnahmen in der Infrastruktur – jeder Tag, an dem unsere Mitgliedsunternehmen lahmgelegt sind, verzögert die Umsetzung dieser Projekte weiter nach hinten“, sagt Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbands NRW. Die Streiks seien ein harter Schlag für das einwohnerstärkste Bundesland mit seinem hohen Baubedarf. „Leidtragende sind die Pendler, die nun noch länger im Stau stehen, und Menschen, die von der Wohnungsnot betroffen sind“, so Wiemann.
Um die Lage möglichst schnell zu entspannen, empfiehlt der NRW-Verband seinen Mitgliedsunternehmen, sich freiwillig jetzt schon am Schiedsspruch zu orientieren, also ihren Beschäftigten entsprechend mehr Lohn zu zahlen. Viele Unternehmen würden das bereits tun - trotz der aktuell schwierigen Lage insbesondere im Wohnungsbau. Ziel sei es weiterhin, eine gemeinsame Lösung mit der IG Bau zu finden. Doch dafür müssen sich auch die anderen Arbeitgeber-Landesverbände bewegen.
IG Bau: Als letztes Mittel ist auch eine Urabstimmung denkbar
Die Gewerkschaft gibt sich kampfbereit: „Wir sind gut aufgestellt“, sagt Westfalen-Regionalleiter Wißuwa, „besonders im Tief- und im Straßenbau.“ Solange es keinen bundesweiten Tarifvertrag gebe, werde man auch Betriebe bestreiken, die freiwillig mehr zahlen. Sein rheinischer Kollege Heinemann betont: „Wir können die Auseinandersetzung auch ausweiten, als letztes Mittel auch mit einer Urabstimmung über Erzwingungsstreiks.“
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