Essen. Krombacher, Veltins & Co. mit durchwachsener Bilanz. Warum ihr Verband findet, dass die zuletzt kräftigen Preiserhöhungen noch nicht ausreichen.

Die Leute trinken wieder mehr Bier aus Nordrhein-Westfalen – auf diese Nachricht haben die Brauereien lange gewartet. Mit Ausnahme von 2022, als der heftige Einbruch in den Corona-Jahren wieder etwas aufgefangen wurde, ging es viele Jahre lang nur abwärts. Im vergangenen Jahr stieg der Bierabsatz der NRW-Brauereien leicht auf 1,74 Milliarden Liter, wie das Portal IT.NRW am Montag bekanntgab. Das Statistische Landesamt veröffentlichte die Bilanz zum Tag des Deutschen Bieres, den die Brauereien am Dienstag feiern.

Beim alkoholhaltigen Bier hält der Abwärtstrend allerdings an: Der Absatz von klassischem Pils, Kölsch, Weizen und Alt aus NRW sank erneut um rund 1,2 Prozent auf 1,62 Milliarden Liter. Erstmals wurde dieser Rückgang allerdings von den Zuwächsen beim alkoholfreien Bier mehr als wettgemacht: Mit ihnen machten die NRW-Brauereien 2023 einen ungewöhnlich großen Sprung um 21 Prozent auf 120 Millionen Liter. Vor allem in der Gastronomie wird immer häufiger alkoholfreies Weizen, Radler oder Pils bestellt.

Sprunghafter Anstieg beim Abstieg von alkoholfreiem Bier

Die Brauereien sehen darin ihre einzige Wachstumschance, investieren massiv in neue alkoholfreie Biersorten. Von den aktuell 31 Brauereien in NRW mit mindestens 20 Beschäftigten produzieren inzwischen 22 alkoholfreie Alternativen, das sind vier mehr als im Vor-Corona-Krisen-Jahr 2019. „Der durchschnittliche deutsche Biertrinker ist männlich und etwas älter. Mit den alkoholfreien Sorten haben die Brauereien es geschafft, sich neue Zielgruppen zu erschließen“, weiß Marc Peters, der Geschäftsführer des Brauereiverbands NRW. Gerade Jüngere griffen häufiger mal zum alkoholfreien Bier. Ebenso die Fahrer, die im Restaurant auf Alkohol verzichten müssen.

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Was es bedeutet, dass die Umsätze der Brauereien auch beim klassischen Bier trotz sinkender Absatzmengen deutlich gestiegen sind, wissen die Verbraucherinnen und Verbraucher nur zu gut: Der Kasten Bier und auch das Glas in der Kneipe sind in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden - laut Statistikamt durchschnittlich um 9,3 Prozent. Die so genannten „Fernsehbiere“ der Branchenriesen kosten im Einzelhandel aktuell in der Regel 16 oder 17 Euro, lokale Marken wie etwa das Bochumer Fiege bereits knapp 19 Euro. Die psychologisch kritische 20-Euro-Marke ist für viele kleine Privatbrauereien nicht mehr fern.

Trotzdem sagt Verbandschef Peters: „Bier müsste eigentlich noch teurer sein.“ Denn vor allem in den vergangenen beiden Jahren mit sehr hoher Inflation seien die Kosten für die Rohstoffe, das Personal, die Energie und für die Verpackungen wie Flaschen und Dosen drastisch gestiegen. Der in einem harten Wettbewerb stehende Handel tue sich immer schwer mit Preiserhöhungen, betont Peters, deshalb könnten die Brauereien die Kostensteigerungen nicht voll auf den Preis draufschlagen.

Veltins-Chef: Bier ist ein demokratisches Gut und muss bezahlbar bleiben

Die Brauerei-Manager wissen allerdings, wie preissensibel ihre Kundinnen und Kunden sind. „In konjunkturell schwierigen Zeiten dürfen wir den Verbraucher nicht überfordern. Bier ist ein demokratisches Produkt und muss für jeden bezahlbar bleiben“, erklärte der Generalbevollmächtigte Michael Huber gegenüber unserer Redaktion. Die Brauereien seien „aufgefordert, auch in Effizienzmaßnahmen zu investieren“.

Kleinere Brauereien können beim Preis nicht mit den großen mithalten

Das fällt natürlich den kleineren Brauereien schwerer, für sie wird der Preiskampf zusehends zum Problem. Da jeder Getränkemarkt und Supermarkt in der Regel ein, zwei Biere im Angebot führt, den Kasten meist für weniger als 11 Euro, wächst der Abstand zum teureren, regionalen Bier. Hinzu kommt die aktuelle Konsumflaute, die Leute schauen nach der heftigen Inflation und den damit einhergehenden Reallohnverlusten noch genauer auf den Preis. „Die kleinen Brauereien können die Preise der großen nicht mitgehen“, sagt Peters. Umso wichtiger sei es für sie, ihre lokale und regionale Verankerung zu pflegen. Genau das tun im Ruhrgebiet etwa die Essener Stauder-Brauerei und Fiege in Bochum.

In der Tat blicken die großen Drei in NRW – Krombacher, Warsteiner und Veltins – nicht unzufrieden auf 2023 zurück, das der Deutsche Brauer-Bund insgesamt „ein rabenschwarzes Jahr für die deutsche Brauwirtschaft“ nennt. Denn bundesweit ist der Absatz aller Brauereien deutlich um 4,6 Prozent gesunken. In NRW lief es besser, die hiesigen Brauereien konnten so auch ihren Marktanteil am gesamtdeutschen Ausstoß erhöhen.

Warsteiner im Plus, Krombacher und Veltins im Minus

Gegen den Trend wachsen konnte etwa die Haus-Cramer-Gruppe mit ihren Marken Warsteiner, Paderborner und Herforder: Der Absatz stieg um 2,1 Prozent auf 360 Millionen Liter. Auch der Pils-Marktführer Krombacher schnitt besser ab als die Gesamtbranche: Die Siegerländer büßten mit ihrer Dachmarke Krombacher nur 0,3 Prozent ein und nennen den Absatz von 574 Millionen Litern „zufriedenstellend“. Veltins, die Nummer drei der NRW-Brauereien, verkaufte mit 326 Millionen Litern rund 2,9 Prozent weniger Pils & Co.

Auch das laufende Jahr wird schwierig, befürchtet die Bierbranche, vor allem wegen der anhaltend schwachen Konjunktur und dem Spardruck auf die Haushalte. Ihr unternehmerisches Sommermärchen erhoffen sich die Brauereien natürlich von der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land. „Das hängt allerdings auch vom Wetter ab und davon, wie weit die deutsche Mannschaft kommt“, sagt Verbandschef Peters.

Brauereiverband warnt vor zu großen Hoffnungen auf die Fußball-EM

Allerdings warnt er vor zu großer Euphorie: „Wir erwarten schon einen positiven Effekt, aber vier gute Wochen können nicht das ganze Jahr retten“, sagt Peters. Immerhin: Den Zahlen des Deutschen Brauerbunds zufolge ist der Bierabsatz bundesweit und auch in NRW in den ersten Monaten dieses Jahres leicht angestiegen.