Warstein. Der frühere Bierprimus Warsteiner will kräftig investieren, ändert den Firmennamen und erneut die Strategie. Droht der Abschied vom Biergeschäft?

Neue Strategie, neue Geschäftsfelder, neues Bier, neues Image: Die Warsteiner Brauerei will sich neu erfinden. In den kommenden zwei Jahren will das Unternehmen nach eigenen Angaben 200 Millionen Euro investieren – auch, um abseits der Gerstensaft-Produktion mehr Umsätze zu erzielen. Sogar der Firmenname wird geändert: in Haus Cramer Gruppe. Die „Wirtschaftswoche“ titelte schon: „Bye-bye, Bier“.

Ist das also der Abschied des einstigen Bier-Riesen vom Kerngeschäft? „Wir verstehen uns künftig nicht mehr als reine Bier-Company, sondern öffnen uns für alle Geschäftsbereiche, die in der Gastronomie und vom Konsumenten benötigt werden“, sagte Warsteiner-Chef Helmut Hörz einer Pressemitteilung zufolge.

Bier, Bier, Bier: Warsteiner will weiter Bier produzieren, aber keine „reine Bier-Company“ mehr sein.
Bier, Bier, Bier: Warsteiner will weiter Bier produzieren, aber keine „reine Bier-Company“ mehr sein. © dpa | ubertus Struchholz Fotografie

Neue Wachstumsfelder

Eigenes Bier soll weiter Standbein bleiben, aber in diesen Segmenten will die Haus Cramer Gruppe demnach wachsen:

Dienstleistung: Über die Tochtergesellschaft H.C. Drink Solutions will die Gruppe anderen Getränkeunternehmen die komplette Kette von der Abfüllung bis zum Transport anbieten. Auch das ist nicht neu; das Geschäftsfeld Lohnabfüllung soll jedoch ausgebaut werden. Neue Kunden seien bereits gewonnen worden, welche das sind, will das Unternehmen jedoch nicht sagen. Die eigenen Braustätten sollen so besser ausgelastet werden.

Logistik: Transportleistungen über den eigenen Gleisanschluss sollen ausgebaut werden. Auch das hatte das Unternehmen bereits angekündigt. Vor dem Hintergrund immer mehr fehlender Lkw-Fahrer und zunehmender Staus soll der eigene Containerumschlagplatz mit Zügen bis München, Berlin, Hamburg und Verona für andere Branchen ausgebaut werden.

Warsteiner verfügt seit 2005 über einen eigenen Gleisanschluss. Im Juli 2022 gründete die Brauerei das Tochterunternehmen Boxx, das auch Güter für Dritte transportieren soll.
Warsteiner verfügt seit 2005 über einen eigenen Gleisanschluss. Im Juli 2022 gründete die Brauerei das Tochterunternehmen Boxx, das auch Güter für Dritte transportieren soll. © Warsteiner Brauerei | Hubertus Struchholz

Synergien: Die Getränke-Gruppe und der Karlsberg Getränke Verbund wollen über eine gemeinsame, selbstständige Einkaufsgesellschaft bessere Einkaufs- und Lieferkonditionen herausschlagen.

Weitere Getränkesorten: Ende 2022 hat sich Haus Cramer, wie bereits berichtet, an der irischen Rye River Brewing Company in Dublin beteiligt. Dort werden Spezialitätenbiere produziert. Zudem stiegen die Sauerländer beim Getränke-Start-up hye ein, das sogenanntes Flavoured Functional Water herstellt (Wasser mit Geschmack- und Zusatz-Stoffen). Die Firma hye richtet sich an die jüngere Zielgruppe und wirbt mit Cathy Hummels. Das Haus Cramer kündigte weitere Beteiligungen an.

Neue Werbekampagne startet zum Super Bowl

Die Kernmarke Warsteiner soll im Werbemarkt neu positioniert werden. Dazu startet das Unternehmen eine Kampagne und steigt mit einem TV-Spot während der Übertragung des Football-Endspiels in den USA (Super Bowl, in der Nacht von Sonntag auf Montag) im deutschen Fernsehen ein. Ziel, so Unternehmenssprecherin Simone Lápossy, sei nicht mehr in erster Linie, die Bekanntheit der Marke zu steigern („Die ist nicht zu toppen.“), sondern das Lebensgefühl der Kunden anzusprechen. Es gehe um „Lebensfreude und Spaß an neuen Entdeckungen“. Die einstige Königin der Biere will cooler werden.

In die gleiche Richtung zielt das neue Pils „Warsteiner Extra“, das zwar nur 2,5 Prozent Alkohol hat, aber gleichzeitig den „vollen Geschmack“ vermitteln soll. „Zwei Drittel aller Konsumenten wünschen sich Getränke mit weniger Alkohol“, sagte Marketing-Chef Andreas von Grabowiecki der Pressemitteilung zufolge und stellte das Produkt „als wegweisende Innovation“ dar. Was die Konkurrenz selbstverständlich anders sehen wird.

Branche schaut kritisch hin

Ohnehin schaut die Branche kritisch auf die neue Strategie. Schließlich hat sich die Warsteiner Brauerei in den vergangenen zehn Jahren schon ziemlich oft neu erfunden – wegen sinkender Marktanteile und mehrerer Wechsel im Management. Den genauen Ausstoß veröffentlicht die Brauerei seit geraumer Zeit nicht mehr. Für die Stammmarke Warsteiner hatte sie jüngst ein Absatzplus von 9,2 Prozent im Jahr 2022 bekanntgegeben, in den drei Jahren zuvor verzeichneten sich jeweils Rückgänge. Warsteiner entferne sich nun vom Kerngeschäft, heißt es. Und das sei gefährlich.

Details über die geplanten Maßnahmen nannte das Unternehmen nicht. „An jedem Standort wird investiert“, sagte Simone Lápossy. Zur Gruppe gehören die Herforder Brauerei, die Paderborner Brauerei und Anteile an der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg in Bayern. Ende März oder Anfang April wolle das Unternehmen weitere Einzelheiten mitteilen, so Lápossy.

Mit besonderer Spannung dürften die rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Strategiewechsel verfolgen. Die Warsteiner Brauerei ist Ende vergangenen Jahres aus dem Brauereiverband NRW und dem Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie ausgestiegen. Einem Tarifabschluss der Sieger- und Sauerländer sowie der Rheinisch-Westfälischen Brauereien schloss sich Warsteiner nicht an, was zu scharfer Kritik der zuständigen Gewerkschaft NGG führte.

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