Essen. Aldi und Thyssenkrupp stellen Betriebskitas, andere Unternehmen beteiligen sich an Betreuungskosten. Was Revierfirmen für Eltern tun.
Leserinnen und Leser bewerteten die Arbeitgeber im Ruhrgebiet im WAZ-Check bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit einer glatten Zwei. Die Umfrage förderte aber auch Defizite bei der spontanen Kinderbetreuung oder bei den Bedingungen für Homeoffice zutage. Wir fragten nach, was große und kleine in der Region ihren Beschäftigten konkret anbieten, um Job und Familie besser unter einen Hut zu bringen.
„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier:
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Aldi Nord: Milchmäuse auf dem Essener Campus
Mehr als 40.000 Menschen arbeiten für Aldi Nord in Deutschland – in den Filialen, Logistikzentren und der Essener Zentrale. Mit rund 27.000 sind Frauen eindeutig in der Überzahl im Vergleich zu den 13.000 Männern. Rund die Hälfte der Märkte werde von Frauen geleitet, teilt Aldi Nord auf Anfrage mit. Insgesamt liege der Anteil der weiblichen Beschäftigten in Führungspositionen bei über 30 Prozent.
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Um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, können Beschäftigte in der Verwaltung und der Logistik Teilzeitmodelle in Anspruch nehmen. Das gelte auch für die Führungskräfte am Aldi Campus in Essen. An den meisten Verwaltungsstandorten werde überdies Homeoffice angeboten. „Ein Großteil unserer Mitarbeitenden in den Märkten ist zudem in Teilzeit angestellt“, erklärt Sprecherin Nadine Aniol.
Neben dem Eltern-Kind-Büro können Beschäftigte in Essen die Kindertagesstätte „Milchmäuse“ gleich am Aldi Campus nutzen. 80 Prozent der Plätze sind für Kinder von Aldi-Mitarbeitenden reserviert, den Rest nutzen Kinder aus der Nachbarschaft im Stadtteil Kray.
Ausgezeichneter Regionalverband Ruhr
Der Regionalverband Ruhr (RVR) in Essen ist schon mehrfach für seine sozialen Angebote ausgezeichnet worden. Mit einem Frauenanteil von rund 56 Prozent und einer nach Geschlechtern ausgewogenen Besetzung von Führungspositionen gilt die Behörde als Vorbild. Gleitende Arbeitszeiten, die Dienstvereinbarung zum mobilen Arbeiten, ein Eltern-Kind-Büro, die Großtagespflegestelle, unterschiedliche Teilzeit-Angebote und Jobsharing brachten dem RVR zuletzt im Sommer wieder eine Auszeichnung als familienfreundlicher Arbeitgeber ein.
Extra-Kindergeld bei der Kindernothilfe in Duisburg
Die Kindernothilfe mit Sitz in Duisburg engagiert sich seit Jahrzehnten für Kinder, die in schwierigen Lebenssituationen sind. Der Verein beschäftigt 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein Großteil von ihnen sind Frauen (148). Nur 52 Männer arbeiten bei der Kindernothilfe. Mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Beschäftigten haben Kinder.
Der Verein bietet seinen Beschäftigten flexible Teilzeitmodelle und zudem mobiles Arbeiten an. In der Woche gilt eine Anwesenheitspflicht von 40 Prozent, die restliche Zeit kann mobil gearbeitet werden.
Pro Kind und Vollzeitstelle zahlt die Kindernothilfe zudem knapp 130 Euro im Monat extra. In der Geschäftsstelle gibt es außerdem einen Eltern-Kind-Raum, der mit einem Wickeltisch, Kinderbett und Spielzeug ausgestattet ist. Hier können Eltern an einem zusätzlichen Arbeitsplatz sitzen.
Targobank: 2600 Beschäftigte in Duisburg – die meisten Frauen
Ein Großteil der 7000 Beschäftigten der Düsseldorfer Targobank, die an 332 Standorten in über 250 deutschen Städten tätig ist, arbeitet in Duisburg. Dort betreibt das Tochterunternehmen der französischen Crédit Mutuel Alliance Fédérale ein Kundencenter mit gut 2000 Arbeitsplätzen und darüber hinaus eine IT-Einheit mit knapp 600 Stellen.
Im Duisburger Kundencenter haben die Frauen mit 66 Prozent eine Zweidrittel-Mehrheit. „Auch die Führungsriege in der Targo Dienstleistungs GmbH besteht zu über 60 Prozent aus Frauen“, betont Unternehmenssprecherin Kerstin Weise. Konzernweit sei das Geschlechterverhältnis aber ausgewogen. Rund die Hälfte der Targo-Beschäftigten in Deutschland sind Eltern. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für uns als Unternehmen deshalb ein zentral wichtiger Wettbewerbsfaktor“, erklärt Weise.
Die Targobank schreibe grundsätzlich alle Stellen in Teilzeit aus – auch Führungsposten und Ausbildungsstellen. „Die Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung ist aus unserer Sicht ein wichtiger Faktor, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu optimieren und damit die Chancengleichheit im Unternehmen weiter zu fördern“, meint die Sprecherin.
In dem Geldinstitut können die Beschäftigten zu 100 Prozent im Büro oder zu 100 Prozent zu Hause arbeiten. Es sind aber auch flexible Lösungen dazwischen wählbar. Für die rund 2600 Mitarbeitenden in Duisburg stellt die Targobank ein Kontingent an Kindergartenplätzen zur Verfügung. Zudem kooperiert das Unternehmen mit dem pme Familienservice. Die Expertinnen und Experten beraten und unterstützen kostenfrei in allen Lebenslagen.
Kurze Arbeitswege bei Bäcker Holtkamp in Essen
Mit 150 Jahren ist Holtkamp die älteste Bäckerei Essens. Der kleine Familienbetrieb führt fünf Filialen in Essen. Eine Sechste wird im zweiten Halbjahr 2024 wiedereröffnet. Das Team besteht aus 38 Beschäftigten, davon 14 Männer und 24 Frauen. 60 Prozent der Beschäftigten haben Kinder.
Im Betrieb können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vier Schichten arbeiten – es gibt eine Nacht-, Früh-, Tages- und Spätschicht. Hier unterstützte der Betrieb die Beschäftigten bei der Einsatzplanung, versuche auf die Wünsche der Menschen einzugehen und auch mal Schichten zu tauschen, sagt Familienmitglied Klaudius Holtkamp. So komme ein Bäcker beispielsweise schon mal erst um neun Uhr zur Arbeit, wenn er vorher seine Kinder betreuen muss.
Arbeitsort der Verkäuferinnen und Verkäufer ist der nächstgelegene Bäckereistandort, also in der Nachbarschaft oder im Nachbarstadtteil. „Dadurch haben unsere Team-Mitglieder meist kurze Arbeitswege“, sagt Klaudius Holtkamp.
Eine eigene Kita kann der kleine Betrieb seinen Beschäftigten nicht zur Verfügung stellen. Allerdings hat er Kontakte in benachbarte Kitas und Schulen, die er den Eltern empfiehlt.
Vonovia richtet Eltern-Kind-Büros in Bochum ein
Vonovia ist der größte Wohnungskonzern Europas. Von den 11.000 Beschäftigten arbeiten die wenigsten in der Bochumer Zentrale. Der größte Teil der Belegschaft sind die Handwerkerinnen und Handwerker, die dezentral die Wohnquartiere in Schuss halten. Deshalb seien etwas mehr als zwei Drittel Männer, teilt Vonovia auf Anfrage mit. Aber: „Wir arbeiten sehr engagiert daran, mehr Frauen für die entsprechenden Berufsbilder zu gewinnen“, erklärt Sprecherin Jana Kaminski. In der Verwaltung sei die Verteilung der Geschlechter bereits ausgeglichen.
Fast die Hälfte (43 Prozent) aller Mitarbeitenden bei Vonovia haben ein oder mehrere Kinder. Auch um sie zu betreuen, sei die „Vereinbarkeit des Berufs- und Privatlebens“ für den Dax-Konzern „absolut wesentlich“. Das Unternehmen biete deshalb flexible Gleit- und Teilzeitlösungen an, aber auch Führung und Ausbildung in Teilzeit. Eine Umfrage des Betriebsrats ergab, dass sich eine absolute Mehrheit der Beschäftigten ein hybrides Arbeitsmodell – mobil und im Büro - wünscht. „Die Rahmenbedingungen, um mobiles Arbeiten zukünftig auch aus dem europäischen Ausland zu ermöglichen, prüfen wir aktuell“, sagt Sprecherin Kaminski.
Um die Kinderbetreuung zu erleichtern, setzt Vonovia auf lokale Angebote. In Bochum etwa werden Beschäftigte bei der Vergabe von Plätzen in der Kindertagespflege bevorzugt behandelt. In der Unternehmenszentrale in Bochum sowie am Kundenservice-Standort in Essen hat der Konzern Eltern-Kind-Büros eingerichtet, die zur Überbrückung von Ausnahmesituationen in der Kinderbetreuung dienen. Mehrere bundesweite Kooperationen mit Schülernachhilfe-Anbietern, die von den Mitarbeitenden zu Vorzugs-Konditionen zur Ausbildung ihrer Kinder genutzt werden können, kommen hinzu.
Bei besonderen Ereignissen wie der Geburt eines Kindes gibt es bei Vonovia Sonderurlaub. Eltern können sich überdies jährlich bis zu fünf Tage bezahlt freistellen lassen, um ihre kranken Kinder zu pflegen.
Krohne in Duisburg beteiligt sich an Kinderbetreuungskosten
Die Krohne Gruppe entwickelt und produziert Lösungen, die Mengen von Flüssigkeiten und Gas messen. Sitz ist Duisburg. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 4000 Mitarbeitende, 850 davon in Duisburg – 199 Frauen und 651 Männer. Rund 44 Prozent haben Kinder.
Krohne bietet seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, in unterschiedlichem Stundenumfang in Teilzeit zu arbeiten. Außerdem gibt es. In Absprache mit der Führungskraft können bis zu 40 Prozent der Arbeitszeit mobil oder im Homeoffice erbracht werden.
In Zusammenarbeit mit dem pme Familienservice hält Krohne verschiedene praxisnahe Angebote für Eltern vor, darunter sind neben Informations- und Beratungsgesprächen auch vergünstigte Freizeit- oder Ferienbetreuungsangebote. Außerdem beteiligt sich Krohne an Kinderbetreuungskosten in Höhe von bis zu 50 Prozent der Kosten. Es gibt aber auch Vorsorgeangebote, ein Vortragsprogramm und Angebote für die Pflege von Angehörigen.
Thyssenkrupp bietet kostenlose Hausaufgabenbetreuung an
Der Essener Industrie- und Technologiekonzern Thyssenkrupp ist der größte Stahlhersteller in Deutschland. Weltweit sind hier 99.981 Menschen, beschäftigt, deutschlandweit arbeiten im Unternehmen 53.238 Menschen. Der Frauenanteil ist mit global 17 Prozent und deutschlandweit 14 Prozent gering.
Das Unternehmen stellt derzeit, sofern es betrieblich möglich ist, verstärkt auf hybrides Arbeiten um. „Arbeiten von Zuhause, unterwegs oder im Büro wird bei Thyssenkrupp fester Bestandteil flexibler Beschäftigungs- und Arbeitszeitmodelle“, sagt Sprecherin Nicola Röttger. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu machen.
Thyssenkrupp hilft Eltern bei der Suche nach passenden Kita- oder Hortplätzen und bei der Vermittlung von passenden Tageseltern oder Babysittern. Zusätzlich bieten die betriebsnahen Kitas „Miniapolis“ in Essen und „Stahlsternchen“ in Duisburg das ganze Jahr über eine Kinderbetreuung an.
„In der Corona-Pandemie wurden und werden auch weiterhin unsere kostenlosen Hausaufgaben- und Nachhilfeangebote verstärkt in Anspruch genommen, was insbesondere in Zeiten von gleichzeitigem Homeoffice und Homeschooling, aber auch darüber hinaus eine wichtige Hilfe sein kann“, so Röttger.
Evonik: Familienpflegezeit zur Begleitung der letzten Lebensphase
Für den Essener Spezialchemiekonzern Evonik arbeiten weltweit rund 33.400 Menschen - 9100 Frauen (27 Prozent) und 24.300 Männer (73 Prozent). In den Managementpositionen liegt der Frauenanteil bei 29 Prozent.
„Es ist unser erklärtes Ziel, den Frauenanteil im Unternehmen weltweit und auf allen Ebenen zu erhöhen“, sagt Evonik-Sprecher Ruben Thiel. Der Chemiekonzern engagiere sich auch in der Initiative „Chef:innensache“. Dieses Netzwerk zielt auf ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in Führungspositionen. Neben Evonik sind auch NRW-Konzerne wie RWE, Rhein Energie, Deutsche Post/DHL und Bayer Mitglieder der Initiative.
Evonik hat die Konzerninitiative „Well@Work“ gegründet. Sie soll die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördern, macht aber auch Angebote für Bewegung, Ernährung und „mentale Fitness“. Neben Gleit- und Vertrauensarbeitszeiten, Teilzeitrefelungen und Job-Sharing-Angeboten bietet das Unternehmen unterschiedliche Freistellungsmöglichkeiten, die Beruf und Privatleben in Einklang bringen sollen: Sonderurlaub, Freistellungstage, Altersfreizeit, Freistellung im Pflegefall naher Angehöriger bis zu zwölf Monate, Familienpflegezeit bis zu 30 Tage und drei Monate zur Begleitung der letzten Lebensphase.
Evonik-Beschäftigte können maximal 60 Prozent der Zeit mobil arbeiten. Kooperationen mit Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder im Alter von sechs Monaten bis drei Jahren, eine eigene Kita am Standort Marl, sowie ein monatlicher Kinderbetreuungszuschuss in den ersten drei Lebensjahren des Kindes sollen für Eltern den baldigen Wiedereinstieg in den Job erleichtern. Kinderferienprogramme sollen Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder in den Schulferien entlasten. Außerdem bezuschusst Evonik zertifizierte Sprachcamps für Kinder im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren.
Eigene Kita beim Energieversorger RWE
Beim Energiekonzern RWE arbeiten weltweit rund 20.000 Menschen. Die meisten von ihnen sind direkt vor Ort in Kraftwerken, Tagebauen oder auf Plattformen der Windparks auf See. Mit fast 85 Prozent ist der Männeranteil im Unternehmen deutlich größer als der Anteil der weiblichen Beschäftigten.
Der Dax-Konzern bietet viele Teilzeitmodelle an, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. So gibt es neben klassischen 50:50 Teilzeitmodellen auch andere prozentuale Verteilungen sowie Jobsharing-Modelle.
„Dort, wo mobiles Arbeiten betrieblich möglich ist, gehört das zum festen Bestandteil des Arbeitsalltags“, sagt RWE-Sprecher Jan Peter Cirkel. Allerdings sei auch der persönliche Kontakt der Kolleginnen und Kollegen untereinander wichtig. Deshalb wurden gemeinsam in den Teams verschiedene Hybrid-Modelle ausgearbeitet.
Ein eingerichteter Familienservice bietet zudem Beratung rund um Kinderbetreuung und Erziehung an. Auch finanzielle und rechtliche Fragen können hier geklärt werden, etwa zu Mutterschutz, Elternzeit oder Elterngeld. Am größten Standort in Essen können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Kinder in die konzerneigene Kita bringen und ein Eltern-Kind-Zimmer nutzen.