Bukarest. Auch im zweiten Kriegswinter unterstützt die Kindernothilfe ukrainische Familien dabei, ein neues Zuhause zu finden. So können auch Sie helfen.

Abends, wenn die fünf Kinder im Bett sind, dann schaltet Swetlana den Ton am Fernseher ein. Weihnachtsmusik, das Programm sendet rund um die Uhr. „Wir leben in der Erwartung“, sagt Swetlana, 41. Und meint nicht den Advent.

Früher, in Charkiw, haben sie Weihnachten mit der Familie gefeiert. Aber die Eltern sind in der Ukraine geblieben, es gibt auch Verwandte in Russland, und die Schwester in Amerika hat die Zwillinge noch nie gesehen. Georgi und Leonid wurden geboren auf der Flucht. Swetlana landete in Bukarest, Rumänien, ihr Mann durfte mit ausreisen, wegen der Kinder. Er hat jetzt zwei Jobs, als Autolackierer, von 7 bis 16 Uhr und von 17 bis 21 Uhr, das Geld reicht trotzdem nicht.

Früher feierten sie Weihnachten mit noch mehr Menschen, aber sie sind auch so schon zu siebt: Swetlana (Mitte), ihr Mann und die fünf Kinder Yuri (11), Georgi (1), Leonid (1), Lilya (4) und Kira (13) haben in Bukarest eine Wohnung gefunden.
Früher feierten sie Weihnachten mit noch mehr Menschen, aber sie sind auch so schon zu siebt: Swetlana (Mitte), ihr Mann und die fünf Kinder Yuri (11), Georgi (1), Leonid (1), Lilya (4) und Kira (13) haben in Bukarest eine Wohnung gefunden. © Kindernothilfe | Jakob Studnar

Die „Nottasche“ reicht nicht mehr: Jetzt gibt es Gutscheine für Flüchtlinge

Die Wohnung hat Kindernothilfe-Partner Concordia besorgt, aber die horrenden Nebenkosten muss die Familie selbst aufbringen, allein 500 Euro im September für Strom, Wasser und die Müllabfuhr. Das Concordia-Team nimmt die Rechnung heute mit, sie wollen das prüfen, lassen einen Gutschein da für Hygieneartikel. Und Weihnachten? Swetlana seufzt schwer, sie ist ein gläubiger Mensch. „Ohne Gott kommen wir nicht zurecht“, sagt sie, sie hat auch nur den einen Wunsch: „Wir wollen nach Hause.“ Aber immerhin: Die Kinder haben Freunde gefunden, sie gehen in die Schule, lernen Rumänisch. Der Elfjährige hat einen Pokal im Fußball gewonnen, den „Winterchristmas-Cup“.

Weihnachtsspenden- Hilfe für ukrainische Flüchtlingskinder

Olga (34) mit ihren Söhnen Adrian (15) und Aleksandr (5) fand Unterschlupf in Edinet im Norden Moldaus, gleich hinter der ukrainischen Grenze. Ihr Mann schickte sie ins Ausland, er selbst ist im Krieg gefallen. 
Olga (34) mit ihren Söhnen Adrian (15) und Aleksandr (5) fand Unterschlupf in Edinet im Norden Moldaus, gleich hinter der ukrainischen Grenze. Ihr Mann schickte sie ins Ausland, er selbst ist im Krieg gefallen.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Der kleine Ilja (6) aus Mykolajiw spricht nicht viel. In Edinet im Norden Moldaus ist ihm dieses Kätzchen zugelaufen, dem er seine ganze Liebe schenkt. 
Der kleine Ilja (6) aus Mykolajiw spricht nicht viel. In Edinet im Norden Moldaus ist ihm dieses Kätzchen zugelaufen, dem er seine ganze Liebe schenkt.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Zum Glück haben sie Familie in Moldau: Olga (44) und Maxim (47) aus Mykolajiw mit ihren Kindern Arina (9), Timur (13) und Ilia (6, v.l.) haben in Edinet Zuflucht gefunden.
Zum Glück haben sie Familie in Moldau: Olga (44) und Maxim (47) aus Mykolajiw mit ihren Kindern Arina (9), Timur (13) und Ilia (6, v.l.) haben in Edinet Zuflucht gefunden. © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Arina (9) hätte heute eigentlich einen Test zu schreiben. Aber die Online-Verbindung aus Edinet, Moldau, zu ihrer Schule in der Ukraine hängt: Luftalarm in Mykolajiw. 
Arina (9) hätte heute eigentlich einen Test zu schreiben. Aber die Online-Verbindung aus Edinet, Moldau, zu ihrer Schule in der Ukraine hängt: Luftalarm in Mykolajiw.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Alina (7) aus Mykolajiw hat nicht viel Platz zum Spielen und Malen. In Tudora, einem Dorf in Moldau, das von drei Seiten von der Ukraine umgeben ist, träumt sie davon zu reisen. 
Alina (7) aus Mykolajiw hat nicht viel Platz zum Spielen und Malen. In Tudora, einem Dorf in Moldau, das von drei Seiten von der Ukraine umgeben ist, träumt sie davon zu reisen.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Wenn die Erwachsene vom Krieg reden, flüchtet Alina (7) in ihr Bett. Im Dorf Tudora an der Ostgrenze von Moldau hat sie mit Mama, Oma und Opa eine Unterkunft gefunden. Aber Alina will nach Hause.
Wenn die Erwachsene vom Krieg reden, flüchtet Alina (7) in ihr Bett. Im Dorf Tudora an der Ostgrenze von Moldau hat sie mit Mama, Oma und Opa eine Unterkunft gefunden. Aber Alina will nach Hause. © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Großvater Slava wollte nicht weiter fliehen als bis nach Tudora, gleich hinter der Grenze zur Ukraine. Vom Garten aus schaut der 65-Jährige jeden MOrgen mit dem Fernglas in die Heimat. 
Großvater Slava wollte nicht weiter fliehen als bis nach Tudora, gleich hinter der Grenze zur Ukraine. Vom Garten aus schaut der 65-Jährige jeden MOrgen mit dem Fernglas in die Heimat.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Anhänglich: Die siebenjährige Alina fühlt sich auf dem Schoß von Mama Swetlana (31) am sichersten. 
Anhänglich: Die siebenjährige Alina fühlt sich auf dem Schoß von Mama Swetlana (31) am sichersten.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Das schlichte Haus des Englischlehrers von Tudora hat sich die Familie von Swetlana (31) und Alina (7) so gut wie möglich gemütlich gemacht. 
Das schlichte Haus des Englischlehrers von Tudora hat sich die Familie von Swetlana (31) und Alina (7) so gut wie möglich gemütlich gemacht.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Zlata (9) hat keine Antwort auf die Frage, was sie an der Ukraine am meisten vermisst. Sie kam mit den Eltern, Oma Olena und Bruder Aleks (13) aus Odessa. Der große Bruder studiert in Rumänien. 
Zlata (9) hat keine Antwort auf die Frage, was sie an der Ukraine am meisten vermisst. Sie kam mit den Eltern, Oma Olena und Bruder Aleks (13) aus Odessa. Der große Bruder studiert in Rumänien.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
"Früher war es wichtig, wie man wohnt. Heute, dass man wohnt." Maria (41) und Maxim (40) sind mit ihren Zlata (9) und Aleks (13) sowie Großmutter Olena (66) in ein baufälliges Haus in Tudora gezogen. Aber das soll verkauft werden. Was dann?  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Daheim in Odessa hatten sie gerade ihre Wohnung renoviert. Wenn sie daran denkt, muss Oma Olena (r.) weinen. Tochter Maria, Schwiegersohn Maxim und die Kinder Zlata und Aleks wissen nicht, wie sie sie trösten sollen. 
Daheim in Odessa hatten sie gerade ihre Wohnung renoviert. Wenn sie daran denkt, muss Oma Olena (r.) weinen. Tochter Maria, Schwiegersohn Maxim und die Kinder Zlata und Aleks wissen nicht, wie sie sie trösten sollen.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Nach langen Irrwegen in einem Schutzhaus der Kindernothilfe in Edinet, Moldau, untergekommen: Elena (36) und ihre Tochter Mascha (11). 
Nach langen Irrwegen in einem Schutzhaus der Kindernothilfe in Edinet, Moldau, untergekommen: Elena (36) und ihre Tochter Mascha (11).  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
In einem Dorf in der Ukraine war Elena selbst Lehrerin. Ihre Schule hatte keinen Bunker, Tochter Mascha saß in einem am anderen Ende des Ortes. 
In einem Dorf in der Ukraine war Elena selbst Lehrerin. Ihre Schule hatte keinen Bunker, Tochter Mascha saß in einem am anderen Ende des Ortes.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
In Edinet im Norden Moldaus darf Mascha (11, r.) in die russische Schule gehen. Ukrainisch, ihre Muttersprache, wird dort als Fremdsprache gelehrt. 
In Edinet im Norden Moldaus darf Mascha (11, r.) in die russische Schule gehen. Ukrainisch, ihre Muttersprache, wird dort als Fremdsprache gelehrt.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Bukarest: Die Kindernothilfe schenkt hilfsbedürftigen Kinder aus Rumänien und der Ukraine einen Schulrucksack voller Stifte und Hefte.
Bukarest: Die Kindernothilfe schenkt hilfsbedürftigen Kinder aus Rumänien und der Ukraine einen Schulrucksack voller Stifte und Hefte. © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Der Fußballverein aus Odessa packte die Familien ihrer kleinen Talente in einen Bus nach Rumänien. Swetlana (34) und ihre Kinder Adrian (7) und Anastasia (4) sind in Sicherheit. Der Trainer starb bei einem Bombenangriff.
Der Fußballverein aus Odessa packte die Familien ihrer kleinen Talente in einen Bus nach Rumänien. Swetlana (34) und ihre Kinder Adrian (7) und Anastasia (4) sind in Sicherheit. Der Trainer starb bei einem Bombenangriff. © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Adrian (7) aus Odessa kann weiter Fußball spielen. Die kleine Anastasia (4) in Bukarest zu beschäftigen, ist für Mutter Swetlana (34) nicht leicht. 
Adrian (7) aus Odessa kann weiter Fußball spielen. Die kleine Anastasia (4) in Bukarest zu beschäftigen, ist für Mutter Swetlana (34) nicht leicht.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Ein Jahr später: Swetlana und ihre fünf Kinder hat die WAZ bereits 2022 besucht. Sie leben immer noch in Bukarest, werden von der Kindernothilfe unterstützt. 
Ein Jahr später: Swetlana und ihre fünf Kinder hat die WAZ bereits 2022 besucht. Sie leben immer noch in Bukarest, werden von der Kindernothilfe unterstützt.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Yuri (11) aus Charkiw geht inzwischen in Bukarest zur Schule, er hat Rumänisch gelernt. Und er spielt Fußball. Zuhause kümmert er sich liebevoll um seine kleinen Geschwister. 
Yuri (11) aus Charkiw geht inzwischen in Bukarest zur Schule, er hat Rumänisch gelernt. Und er spielt Fußball. Zuhause kümmert er sich liebevoll um seine kleinen Geschwister.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Swetlanas Zwillinge Georgi und Leonid sind inzwischen schon bald zwei Jahre alt, so alt wie der Krieg in der Ukraine: Die beiden wurden auf der Flucht geboren, da war die Familie gerade in Rumänien angekommen. 
Swetlanas Zwillinge Georgi und Leonid sind inzwischen schon bald zwei Jahre alt, so alt wie der Krieg in der Ukraine: Die beiden wurden auf der Flucht geboren, da war die Familie gerade in Rumänien angekommen.  © Kindernothilfe | Jakob Studnar
Georgi oder Pavel? Man weiß es nie bei Swetlanas Zwillingen. Die Ukraine oder das Haus der Familie in Charkiw haben die Kleinen noch nie gesehen.
Georgi oder Pavel? Man weiß es nie bei Swetlanas Zwillingen. Die Ukraine oder das Haus der Familie in Charkiw haben die Kleinen noch nie gesehen. © Kindernothilfe | Jakob Studnar
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Auch die Helfer der ukrainischen Flüchtlinge haben in den bald zwei Jahren Krieg dazugelernt: Dass es nicht mehr reicht, Erste Hilfe zu leisten. Lebensmittelpakete zu packen, Matratzen zu schleppen, Tränen zu trocken. Sie packen immer noch Päckchen, aber jetzt ist Spülmittel darin, Toilettenpapier, Zahnpasta und nicht für Babys wie Jugendliche immer das Gleiche. Sie fragen nicht mehr: Woher kommst du? Sie fragen: Wie geht es dir? Die Menschen brauchen Wohnraum, Jobs, Plätze für ihre Kinder in Schule und Kindergarten. Und sie bekommen Gutscheine, damit sie sich das Nötigste „kaufen“ können: Essen, Medizin, Kleidung. Die meisten sind damals gekommen mit der „Nottasche“, die Ukrainer immer gepackt hatten in den Wochen vor Kriegsbeginn: Dokumente, Medikamente, Ladekabel. Und mit dem Gedanken: Es ist nicht für lange, der Krieg ist bald vorbei.

Lesen Sie hier mehr über die Spendenaktion von WAZ und Kindernothilfe:

Er ist es nicht. Deshalb ist auch die andere Swetlana noch da. Swetlana mit Adrian, 7, und Anastasia, 4, die doch auch dachte: „Es ist nur für zwei Wochen, wir gehen kurz in Deckung.“ Nach zwei Monaten begriff die 34-jährige Juristin, dass sie sich einen Job suchen muss, sie arbeitet jetzt als Putzhilfe. In Odessa hatte der Fußballverein einige Familien in einen Bus gepackt, bloß weg von hier, der Trainer organisierte alles. Er schickte auch seine eigene Frau mit und die zwei Kinder – und starb bei einem Bombenangriff, da war die halbe Kindermannschaft sicher in Rumänien.

Swetlana aus Odessa ist mit ihren Kindern Anastasia und Adrian auf dem Gelände eines Sportvereins in Bukarest untergekommen. Kochen muss sie dort auf dem Balkon.
Swetlana aus Odessa ist mit ihren Kindern Anastasia und Adrian auf dem Gelände eines Sportvereins in Bukarest untergekommen. Kochen muss sie dort auf dem Balkon. © Kindernothilfe | Jakob Studnar

Wo ihr Mann ist, weiß Swetlana nicht, sie darf nicht darüber reden. Manchmal telefoniert sie mit ihm, er kämpft irgendwo gegen die Russen. Und Adrian ist böse auf Russland, „weil es uns das angetan hat“. Anfangs hat Swetlana den Krieg versucht fernzuhalten von den Kindern, nun spricht sie mit ihnen darüber: „Es ist auch ihre Geschichte.“ Aber es ist nicht einfach, „so etwas lernt man nicht“. Auch nicht, wie man Tochter und Sohn den Vater ersetzt. Oder was man sagt, wenn sie fragen: Wann fahren wir nach Hause? Swetlana sagt, sie weiß es nicht. „Weil es die Wahrheit ist.“ Sie sagt ihnen aber nicht die ganze Wahrheit: „So wie es war, wird es nicht mehr.“

„Du kannst nicht atmen, wenn du nicht weißt, ob du abends noch lebst“

Neben Swetlana betreut die „Casa Iuda“ in Bukarest eine weitere Familie aus Odessa, obwohl: Marina hat eine wilde Fluchtgeschichte hinter sich, es kommt Charkiw darin vor und ein Dorf in der Nähe, immer wieder neue Orte, an denen die Raketen sie einholten, die 41-Jährige und ihre Tochter Natalia. Immer wenn sie glaubten, sie seien sicher, ging ein Waffenlager hoch oder das Nachbarhaus verlor mehrere Etagen, es starb eine Familie: das Baby, die Oma, Vater und Mutter, „alle tot“. Die Klinik, in der Natalia geboren wurde, gibt es nicht mehr. Marinas Augen wandern wild, wenn sie davon erzählt, sie sieht die Bilder eingebrannt auf ihrer Netzhaut. Es war eine „Lotterie“, sagt Marina, „du kannst nicht atmen, wenn du nicht weißt, ob du abends noch lebst“.

„Schätzt, was ihr habt“: Marina hat eine bewegte Fluchtgeschichte hinter sich.
„Schätzt, was ihr habt“: Marina hat eine bewegte Fluchtgeschichte hinter sich. © Kindernothilfe | Jakob Studnar

Und Natalia, 13, konnte es erst recht nicht, sie ist herzkrank. „Sie braucht ein friedliches Umfeld.“ Marina sucht es in Rumänien, weil das Land in der Nato ist, das hält sie für sicher, und außerdem haben sie es endlich warm. Und Wasser aus dem Hahn. Aber sie würde es nicht schaffen ohne Concordia. Die einstige Geschäftsfrau braucht Medizin und einen Arzt für ihr Kind – und eigentlich auch für sich. Denn Marina liegt manchmal nur im Bett, isst nichts, kocht nicht, hat keine Kraft. Die langen Haare hat sie sich abgeschnitten, es ist ihr „alles egal“. Aber das stimmt nicht, jetzt weint sie bittere Tränen.

Katerinas ältester Sohn ist im Krieg vermisst

Dass die WAZ von ihr erzählen will im Advent, verwirrt sie für einen Moment: „Das ist keine Weihnachtsgeschichte!“ Aber dann will sie doch etwas sagen zum Fest: „Schätzt das, was ihr habt!“ Die Ukrainer seien genauso gewesen, immer Meckern über Kleinigkeiten, „aber eigentlich war es gut“. Marina hat einen Wunsch für die WAZ-Leser: „Dass ihr nie versteht, wie es ist, wenn man wegfährt und nicht weiß, ob man je zurückkommt.“

Viele Menschen sind ja zurückgegangen in die Ukraine, weil sie in der neuen Umgebung keine Perspektive fanden. Katerina aus Cherson ist unter ihnen, die mit acht Kindern und Nichten aus Cherson in das Dorf Odobesti kam. Sie hatten nur ein altes Telefon für die Online-Schule, Baby Nicole hatte seinen Vater noch nie gesehen. Katerina, 39, reiste zurück in den Krieg, als sie hörte, dass ihr Ältester, ein Soldat, im Donbass vermisst war. Den Kindern hat sie den wahren Grund nicht gesagt: Sie will ihn suchen, sie will in seiner Nähe sein. Die Familie wohnt jetzt in seiner kleinen Wohnung. Und hofft auf gutes Wetter im Winter: „Damit wir nicht so frieren müssen.“ Katerina weint am Telefon, neulich hat sie gefragt, ob sie nicht doch zurück kann nach Rumänien. „Es ging uns gut dort.“ 80 Prozent der vermissten Soldaten, wissen sie in der Casa Iuda, sind auch tot.

„Wenn der Tod an die Tür klopft, denkst du nicht rational“

Sie können solche Entscheidungen nicht immer verstehen. „Aber welcher Stress ist schlimmer?“, fragt der Sozialarbeiter Petru, selbst Ukrainer: Zurückzureisen zu den Vätern, Kinder nach Hause zu bringen, die in der rumänischen Schule nicht zurechtkommen – oder dazubleiben, ohne die Sprache zu sprechen, ohne Aussicht auf Arbeit, auf eine Zukunft? „Du hast ein Leben dort, du möchtest deine Familie sehen. Die Männer, die Alten: Wenn der Tod an die Tür klopft, denkst du nicht rational.“

Der älteste Sohn von Katerina aus Cherson ist vermisst. Deshalb kehrte die 39-Jährige mit ihren Kindern und Nichten zurück in die Ukraine: Sie will ihren Sohn suchen.
Der älteste Sohn von Katerina aus Cherson ist vermisst. Deshalb kehrte die 39-Jährige mit ihren Kindern und Nichten zurück in die Ukraine: Sie will ihren Sohn suchen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Kindernothilfe ist in Rumänien die Einzige, die immer noch hilft

Und alle, denen sie hier helfen, hatten ja zuvor „ein normales“ Leben, weiß Stefania Diaconu im Kinderschutzzentrum. Aber alles verlieren und dann um Hilfe fragen müssen: „Das ist auch eine Frage des Stolzes.“ Und für den Kindernothilfepartner eine Herausforderung. Viele Einrichtungen hätten inzwischen geschlossen sagt die Chefin Diana Certan. „Am Anfang sind alle gesprungen“, den Flüchtlingen zu helfen, aber nun, wo ein Ende nicht in Sicht ist, sei „die Kindernothilfe der einzige Partner, der geblieben ist“. Sie haben ihr Programm verändern müssen, es geht jetzt um Integration, sie wollen die Familien selbstständig machen, nicht abhängig. Die Leute sollen Wurzeln schlagen in Rumänien. Zwar weiß Diana Certan wohl, dass sie alle nach Hause wollen. „Aber wir helfen ihnen, unter ,Zuhause’ etwas anderes zu verstehen als einen Ort in der Ukraine.“

>>SO KÖNNEN SIE HELFEN:

Etwa sechs Millionen Menschen aus der Ukraine flohen seit Kriegsbeginn aus ihrer Heimat, mehr als 80 Prozent von ihnen Frauen mit ihren Kindern. Viele kehrten wieder zurück, weil sie keinen Ort zum Ankommen fanden. Die andere Möglichkeiten nicht hatten, blieben gerade diesseits der nächsten rettenden Grenze: in der Republik Moldau oder Rumänien. Zurzeit sind in beiden Ländern rund 200.000 ukrainische Flüchtlinge registriert.

Aus der Soforthilfe vor Ort ist längst dauerhafte Unterstützung geworden. Hilfsorganisationen haben gelernt, was auch die Geflüchteten erst begreifen musste: Der Krieg ist nicht morgen vorbei. Die Familien brauchen mehr als Essen und Kleider für den nun schon zweiten Winter. Wohnraum, Schulplätze, Jobs – eine Perspektive. Die Kindernothilfe packte im Frühjahr 2022 sofort mit an, und sie weicht gemeinsam mit ihren Projektpartnern den Kriegskindern nicht von der Seite.

Sie, liebe Leserinnen und Leser, können auch in diesem Jahr mithelfen. Mit ihren Spenden schenken Sie den Familien, was sie zum Leben in der Fremde brauchen – und zu Weihnachten etwas Trost. Die Bankverbindung der WAZ-Weihnachtsspendenaktion 2023 ist dieselbe wie in mittlerweile 17 vergangenen Jahren:

Kindernothilfe e.V.
Stichwort: Ukrainehilfe
IBAN: DE4335 0601 9000 0031 0310
BIC: GENODED1DKD (Bank für Kirche und Diakonie)

Oder spenden Sie direkt: kindernothilfe.de/waz