Essen. Die Bank im Bistum (BIB) betont ihre Eigenständigkeit im Verhältnis zur Kirche. Bankchef Peter Güllmann über seine Strategie.
Es sind schwere Zeiten für das Bistum Essen. Die Missbrauchsvorwürfe gegen Gründungsbischof Franz Hengsbach haben das Bistum erschüttert. Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf die Bank im Bistum Essen (BIB) aus? Peter Güllmann, der Vorstandssprecher der Bank, spricht offen darüber, wie er persönlich auf die Vorwürfe gegen Hengsbach blickt und wie es um sein Unternehmen steht.
Herr Güllmann, Ihr Unternehmen ist nach dem Bistum Essen benannt. Ist das dieser Tage eher ein Vorteil oder ein Nachteil?
Güllmann: Weder noch. Das Bistum hat die Bank im Jahr 1966 gegründet. Daraus erklärt sich der Name. Insbesondere im Laufe der letzten 15 Jahre hat sich unsere Bank stark verändert und zu einer Genossenschaftsbank mit sozial-ökologischem Profil entwickelt. Deshalb nennen wir uns auch BIB.
Also extra abgekürzt.
Güllmann: Genau. Aber versuchen Sie mal, jemandem den Namen BIB zu erklären. Mancher denkt vielleicht an die Universitätsbibliothek. Wenn ich dann sage, ich arbeite bei der Bank im Bistum, höre ich häufig: „Ach, dann ist ja der Bischof Ihr Chef!“ Meine Entgegnung lautet dann: „Nein, nein, das ist er nicht.“ Heute sind wir nicht mehr die Bank des Bistums, sondern die Bank im Bistum. Unsere Kunden sind katholisch, evangelisch oder auch konfessionslos.
In den vergangenen Monaten gab es viele Negativ-Schlagzeilen zur katholischen Kirche, gerade auch in Essen. Missbrauchsvorwürfe gegen Gründungsbischof Franz Hengsbach haben das Bistum erschüttert. Ist das für die Bank im Bistum geradezu geschäftsschädigend?
Güllmann: Wir stellen fest: Die Leute, die mit uns Bankgeschäfte tätigen, möchten Bankgeschäfte machen – und nicht mit uns die Situation der katholischen Kirche erörtern. Daher sehen wir das Thema, das Sie ansprechen, auch nicht als Problem für unser Haus an.
Aber der Fall Hengsbach dürfte Sie auch nicht kaltlassen.
Güllmann: Ich blicke genauso erschüttert auf die Vorgänge wie ganz viele Menschen im Ruhrgebiet. Die Vorwürfe sind entsetzlich, schrecklich und machen mich traurig. Was lehrt es? Dass wir, wie Bischof Overbeck sagt, nicht zu früh Denkmäler errichten sollten.
Das Bistum registriert zahlreiche Kirchenaustritte. Wie sehen bei Ihnen die Zahlen aus?
Güllmann: Gut, wir haben wieder mehr als 1500 neue Kundinnen und Kunden gewinnen können und liegen mittlerweile insgesamt bei rund 19.000. Die Zahl ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Die BIB ist auch unter Ertragsgesichtspunkten mit dem zurückliegenden Jahr zufrieden.
Die katholische Kirche ist in der Krise, Ihre Bank aber nicht?
Güllmann: Der Kundenzuwachs zeigt, dass unsere sozial-ökologische Ausrichtung auf Interesse stößt. Wir sagen immer: Wir können beides: Ethik und Rendite. Beides gehört für uns zusammen. Es gibt nicht nur eine ökonomische Rendite, sondern auch eine gesellschaftliche. Wir wollen mit unseren Geldgeschäften dazu beitragen, dass die Gesellschaft zusammenhält und das Klima geschützt wird.
Lehnen Sie auch Kunden ab?
Güllmann: Wir prüfen nicht die Konfession unserer Kunden. In den Anfangsjahren der Bank war es eigentlich nur für Mitarbeiter einer katholischen Einrichtung möglich, Kunde zu werden. Das ist mittlerweile anders. Wir haben als Bank weiterhin ein christliches Wertefundament, zugleich haben wir unsere Zielkundschaft verbreitert. Heute kann jeder Kunde unseres Hauses werden. In dieser Hinsicht sind wir eine ganz normale Bank. Wir haben private und institutionelle Kunden, vergeben Baufinanzierungen und kümmern uns um die Geldanlage. Normal ist allerdings nicht, dass wir dem Kapital eine sozial-ökologische Richtung geben.
Spielt das Bistum im Eigentümerkreis noch eine Rolle?
Güllmann: Als Genossenschaftsbank werden wir von unseren Mitgliedern, die zugleich Eigenkapitalgeber sind, getragen. Auch hier sehen wir Zulauf. Wir haben nun knapp 4750 Mitglieder. Das Prinzip der Genossenschaft ist: ein Mitglied, eine Stimme. Das macht deutlich, dass wir nicht nur von einer Institution abhängig sind, sondern von einer Vielzahl von Menschen. Aber natürlich hält das Bistum auch Geschäftsanteile an der BIB. Unser Ziel für die nächsten Jahre ist, unsere Mitgliederbasis deutlich zu verbreitern. Als nächstes möchten wir die Schwelle 5000 überschreiten.
Wozu wollte das Bistum im Jahr 1966 überhaupt eine eigene Bank haben?
Güllmann: Das war zu dieser Zeit nicht unüblich. Andere Bistümer haben auch Banken gegründet. Das Bistum Münster etwa hat die DKM, die Paderborner haben die BKC, die Kölner die Pax-Bank.
Im Laufe der Jahre haben Sie sich aber als Bank in Essen vom Bistum losgelöst?
Güllmann: Genau. Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass wir nach wie vor die Hausbank des Bistums sind. Das Bistum ist für uns ein wichtiger Kunde, den ich in der Person von Bischof Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer sehr schätze. Ich finde, die beiden machen einen sehr guten Job, weil sie innerhalb der katholischen Kirche auf der reformerischen Seite unterwegs sind. Auch beim Missbrauchsskandal klären sie ohne Scheu auf. Ich finde, das Bistum ist hier bundesweit beispielgebend.
Sie selbst sind evangelisch. Können Sie daher auch unbefangener auf die aktuelle Lage in der katholischen Kirche blicken?
Güllmann: Ich bin dadurch weder unbefangener noch besonders befangen. In erster Linie bin ich Staatsbürger dieses Landes.
Lässt sich der Veränderungsprozess in Ihrer Bank vergleichen mit den Hausforderungen, vor der die katholische Kirche steht?
Güllmann: Vielleicht lässt es sich so beschreiben: Wir haben vor anderthalb Jahrzehnten einen Transformationsprozess begonnen – und zwar weg von einer reinen katholischen Kirchenbank hin zu einer genossenschaftlichen Spezialbank mit einem christlichen Wertefundament. Ich denke, auch die Kirchen müssen sich immer wieder verändern, um dauerhaft ihre Position in der Gesellschaft zu finden.
Prägen Kirchenvertreter noch das Kontrollgremium Ihrer Bank?
Güllmann: Unser Aufsichtsrat ist sehr weltlich besetzt – mit Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwälten, Vermögensexperten. Wir haben auch einen Pater im Gremium, der aber nicht aus Essen kommt. In der Zusammensetzung des Gremiums unterscheiden wir uns von anderen Instituten, die als Kirchenbanken gestartet sind. Wir sind ein unabhängiges Unternehmen. Weisungsgebunden bin ich gegenüber der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin. Das sind die obersten Instanzen in unserem Geschäft. Meine moralische Weisungsinstanz ist natürlich der liebe Gott.
Wie definieren Sie denn „christliches Wertfundament“?
Güllmann: In meinen Augen spielen mehrere Punkte eine Rolle. Solidarität mit den Schwächeren einer Gesellschaft steht ganz oben, ebenso die Bewahrung der Schöpfung, der Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für eine friedliche Welt. Das sind christliche Werte.
Wie wirkt sich das christliche Wertebild auf Ihren Arbeitsalltag aus?
Güllmann: Denken Sie nicht, dass wir hier am Bankschalter oder im Büro mit einem Morgengebet anfangen, wobei christliche Rituale vielen unserer MitarbeiterInnen durchaus geläufig sind. Es geht eher darum, dass wir Bankprodukte anbieten, die den christlichen Werten entsprechen. Das können beispielsweise ein Immobilienfonds sein, der bezahlbaren Wohnraum schafft oder soziale Einrichtungen finanziert oder unsere selbst gemanagten Mikrofinanzfonds, die Menschen in Drittländern ein eigenverantwortliches Leben ermöglichen.
Die Kirche und das Geld – das ist eine lange Geschichte. Das Bistum Essen gilt im Vergleich zu anderen nicht gerade als ein besonders vermögendes Bistum. Die Folge ist ein Sparkurs vor Ort. Es müssen Kirchenhäuser geschlossen werden. Können Sie als Bank dem Bistum helfen, vermögender zu werden?
Güllmann: Wir können – wie bei jedem Kunden – beraten, damit aus einem Vermögen mehr wird. Und wir können Kredite vergeben. Den Betrieb der kirchlichen Einrichtungen können wir natürlich nicht bezuschussen. Das ist nicht unsere Aufgabe.
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Was können Sie denn tun?
Güllmann: Über unsere Fair Banking Stiftung unterstützen wir deutschlandweit soziale Initiativen. Im vergangenen Jahr haben wir knapp 400.000 Euro dafür in die Hand genommen. Geld floss unter anderem an eine Essener Notschlafstelle, an eine Einrichtung zur Suizid-Prävention, die Bahnhofsmission und eine Suppenküche. Wir haben auch Bildungsreisen von Jugendlichen zu KZ-Gedenkstätten in Auschwitz und Birkenau finanziert. Der Unterstützungsbedarf in unserer Gesellschaft ist enorm groß. Der Staat kann nicht alles leisten. Auch die Wirtschaft ist gefordert.
Bereitet Ihnen die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland Sorgen?
Güllmann: Ich habe schon die Sorge, dass die Fundamente, auf denen unser Land steht, erodieren. Die Populisten werden lauter und wir müssen dem als Zivilgesellschaft etwas entgegensetzen. Auch die Wirtschaft hat hier eine Verantwortung und muss sich klar gegen alle Feinde der Demokratie positionieren.