Mülheim. Siemens Energy redet mit Bund über Kredit-Sicherheiten. Warum Verluste der Windkraft-Tochter auch die Werke in Mülheim und Duisburg belasten.

Siemens Energy, der Dax-Konzern mit großen Werken in Mülheim und Duisburg, kommt nicht zur Ruhe. Derzeit verhandelt das Unternehmen mit der Bundesregierung über Staatsbürgschaften, um weiter an bezahlbare Bankkredite zu kommen. Das bestätigte Siemens Energy am Donnerstag in einer Börsen-Pflichtmitteilung (Ad-hoc).

Man führe „Vorgespräche mit unterschiedlichen Parteien, darunter Partnerbanken von Siemens Energy sowie der Bundesregierung, um den Zugang zu einem wachsenden Volumen an Garantien sicherzustellen, die das erwartete starke Wachstum ermöglichen“, heißt es in der Ad-hoc-Mitteilung. Siemens sah sich dazu gezwungen, nachdem mehrere Magazine darüber berichtet hatten, darunter die Wirtschaftswoche. Die Börse reagierte mit Panikverkäufen: Die Siemens-Energy-Aktie stürzte bis zum Mittag rund 40 Prozent ab.

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Das Wirtschaftsministerium bestätigte ebenfalls, „in engen und vertrauensvollen Gesprächen“ mit Siemens Energy zu stehen, ohne Details zu nennen. Laut Wirtschaftswoche soll es um Bürgschaften zu Krediten von bis zu 15 Milliarden Euro gehen. Die Bürgschaften sollen verhindern, dass Banken Kreditlinien zur Finanzierung von Großprojekten kappen oder die Zinsen dafür erhöhen. Das Unternehmen nennt enorm gestiegene Auftragseingänge als Grund, insbesondere im gut laufenden Nicht-Windkraft-Bereich, zu dem auch das Turbinenwerk in Mülheim gehört.

Siemens Energy droht Jahresverlust von 4,5 Milliarden Euro

Gleichzeitig betonte Siemens Energy, dass seine Ergebnisse für das im September abgelaufene Geschäftsjahr im Rahmen der Prognose liegen werden. Die musste der Dax-Konzern allerdings mehrfach nach unten korrigieren, zuletzt wurde trotz ordentlicher Umsatzsteigerungen ein Verlust von 4,5 Milliarden Euro vorhergesagt. Die Bilanz soll am 15. November veröffentlicht werden.

Der Energietechnologie-Riese, den der Mutterkonzern vor drei Jahren an die Börse gebracht hat, wird nach wie vor vom verlustträchtigen spanischen Windkraftgeschäft von Gamesa nach unten gezogen. „Das Windgeschäft Siemens Gamesa arbeitet an den Qualitätsproblemen“, erklärte der Konzern in seiner Pflichtmitteilung, zuletzt warfen defekte Rotorblätter die Tochter weit zurück. Das hat heftige Konsequenzen: Für bestimmte Onshore-Plattformen schließt Siemens Gamesa vorerst keine neuen Verträge ab und nimmt im Offshore-Geschäft nur selektiv Aufträge an“, heißt es in der Ad-hoc-Meldung.

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Das belastet auch die anderen, derzeit wieder gut laufenden Geschäfte. „Die erneute Gewinnwarnung verunsichert die Mitarbeitenden am Standort Mülheim“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Jens Rotthäuser unserer Redaktion bereits im Juli. Inwieweit sich die Gamesa-Krise auf Mülheim auswirke, sei nicht abzuschätzen. „Wir können nur unsere Hausaufgaben machen und damit einen guten und wertvollen Beitrag für Siemens Energy leisten“, so Rotthäuser. Dazu gehört in Mülheim neben dem gut laufenden Turbinengeschäft auch die Montage von Wasserstoff-Elektrolyseuren sowie die Entwicklung neuer Netzstabilitäts- und Speichertechnologien. Vom Opfer mausert sich das Werk mit rund 4100 Beschäftigten gerade zu einem Treiber der Energiewende. Nach Jahren des Stellenabbaus werden derzeit wieder neue geschaffen.

Windkraft-Tochter Gamesa zieht den Gesamtkonzern nach unten

Fakt ist: Wenn die Banken aufgrund der nicht enden wollenden Krise der Windkraftsparte zurückhaltender mit ihren Krediten werden oder sie nur noch zu sehr teuren Konditionen vergeben, trifft das alle Bereiche des Konzerns und damit irgendwann auch die Werke im Ruhrgebiet, obwohl sie selbst ihre Krisen gemeistert und wieder volle Auftragsbücher haben. Im August bezifferte das in München sitzende Unternehmen den Auftragsbestand mit 109 Milliarden Euro.

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„Diese an sich positive Entwicklung, führt dazu, dass wir in größerem Ausmaß Garantien an unsere Kunden vergeben müssen“, sagte ein Konzernsprecher. „Wir bringen daher Maßnahmen zur Stärkung unserer Bilanz auf den Weg und führen auch Gespräche mit der Bundesregierung, wie wir Garantiestrukturen im schnell wachsenden Energiemarkt sicherstellen können.“