Essen. Die Staatsanwaltschaft Köln prüft Aufhebungsantrag für Todeserklärung des Ex-Tengelmann-Chefs Karl-Erivan Haub. Foto soll ihn in Moskau zeigen.

Wenn alles glatt läuft, könnte Christian Haub spätestens 2025 alleiniger Eigentümer des Handelsriesen Tengelmann (Obi, Kik, Babymarkt.de) sein. Das hat er mit seinem Bruder Georg vereinbart. Doch die Pläne der Geschwister könnten jäh durchkreuzt werden. Ein Medienbericht nährt die Spekulation, dass der seit 2018 verschollene und inzwischen für tot erklärte dritte Bruder und Konzernlenker Karl-Erivan Haub noch leben könnte. Angesichts der neuen Entwicklungen prüft die Staatsanwaltschaft Köln nun, ob sie beim Amtsgericht Köln die Aufhebung der Todeserklärung beantragen wird.

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Warum Karl-Erivan Haub am 7. April 2018 nicht von einer Skitour im schweizerischen Zermatt zurückkehrte, ist bis heute nicht aufgeklärt worden. Eine aufwendige Suche in Gletscherspalten blieb ohne Erfolg. Nach einem jahrelangen Familienstreit um das Erbe des Verschwundenen erklärte das Amtsgericht Köln Karl-Erivan Haub am 14. Mai 2021 für tot. „Die Todeserklärung begründet die gesetzliche Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist“, hieß es in dem Beschluss. Zuvor hatte das Gericht Zweifel am Tod des Milliardärs als nicht stichhaltig zurückgewiesen.

Bericht: Foto zeigt Karl-Erivan Haub in Moskau

Ein Bericht von Stern und RTL heizt nun allerdings die Vermutung an, dass Karl-Erivan Haub tatsächlich noch leben könnte. Die Autorin Liv von Boetticher erklärt in beiden Medien, dass sie Kenntnis von Fotos habe, die im Februar 2021 von einer Überwachungskamera in Moskau aufgenommen worden seien und „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ den Tengelmann-Chef zeigten. „Gemeinsam mit einem Rechtsanwalt konnte Liv von Boetticher Ende 2022 Fotos des biometrischen Überwachungssystems aus Moskau einsehen, welche durch eine israelisch-amerikanische Ermittlungsagentur gewonnen wurden“, teilt RTL mit.

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Die brisanten Fotos sind aber weder in dem RTL-Beitrag, der am späten Dienstagabend ausgestrahlt wurde, zu sehen, noch im Bericht auf Stern.de. Von Boetticher verweist zur Begründung darauf, dass sie ihre nicht näher bezeichnete Quelle schützen müsse. Nach RTL-Angaben sollen die Fotos auch dem Bruder und neuen Tengelmann-Chef Christian Haub vorgelegt worden sein.

Christian Haub strebt an, Alleininhaber der Unternehmensgruppe Tengelmann zu werden.
Christian Haub strebt an, Alleininhaber der Unternehmensgruppe Tengelmann zu werden. © Christian Kaufmann | Tengelmann

„Hat Christian Haub diese Informationen etwa den deutschen Behörden vorenthalten?“, fragt RTL nun. Um diese Frage beantworten zu lassen, hat von Boetticher nach RTL-Angaben am 17. Mai 2023 Strafanzeige gegen Christian Haub wegen falscher Versicherung an Eides statt erstattet. Der Tengelmann-Chef hatte offenbar auch vor Gericht bestätigt, dass er keine Erkenntnisse habe, dass sein Bruder noch lebt.

Ein Sprecher der Tengelmann-Gruppe wollte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht dazu äußern, ob Christian Haub die Fotos mit seinem vermeintlich noch lebenden Bruder kennt. Das Unternehmen verweist lediglich auf eine Erklärung vom 27. Mai 2021, in der es heißt, dass es „bis heute keine stichhaltigen Beweise und letztlich auch kein stichhaltiges Motiv gibt, die die Richtigkeit der alternativen Theorien stützen würden“.

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Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Mittwoch, dass die Autorin von Boetticher „Unterlagen bei der Staatsanwaltschaft eingereicht hat“. Ob darunter auch die Fotos sind, teilte der Sprecher nicht mit, machte aber eine Ankündigung, die weitreichende Folgen für die Tengelmann-Gruppe und die Familie Haub haben könnte. Bremer: „Ob diese (Unterlagen) uns Anlass geben werden, nach den Vorschriften des Verschollenheitsgesetzes die Aufhebung der Todeserklärung beim Amtsgericht Köln zu beantragen, wird geprüft.“

Tengelmann-Chef kehrte von Skitour 2018 nicht zurück

Die vermeintlichen Kameraaufnahmen aus Moskau sind nicht die einzige Ungereimtheit, die nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub vor fünf Jahren zu Tage traten. „Wir hatten die Gerüchte nicht gestreut, dass Charlie (Karl-Erivan Haub) noch leben und sich mit seiner russischen Freundin abgesetzt haben könnte“, sagte Mark Binz, der Anwalt von Christian Haub, noch im Dezember 2022 im Interview mit unserer Redaktion und fügte hinzu: „Allerdings gab es dafür in der Tat reichlich Anhaltspunkte wie etwa das abgeschaltete Handy, die leichte Bekleidung und zurückverfolgte Telefonate.“

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Dem Vernehmen nach sollen auch Karl-Erivan Haubs Ehefrau Kathrin und deren Kinder Viktoria und Erivan lange die These vertreten haben, dass es in Zermatt nicht zu einem Skiunglück gekommen sei. Einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge soll Georg Haub behauptet haben, dass er nach dessen Verschwinden mit seinem Bruder Karl-Erivan telefoniert habe.

Christian Haub will alleiniger Tengelmann-Eigentümer werden

Trotz aller Zweifel beantragten Kathrin und Christian das Todeserklärungserklärungsverfahren, dem das Amtsgericht Köln schließlich folgte. Die Todeserklärung war der Schlüssel dafür, dass Christian Haub für 1,7 Milliarden Euro die Firmenanteile seines Bruders Karl-Erivan übernehmen konnte. In den nächsten zwei Jahren soll ihm für 1,2 Milliarden Euro auch das letzte Drittel zufließen, das sein Bruder Georg hält. Damit wäre Christian Haub alleiniger Eigentümer der Tengelmann-Gruppe. Eine mögliche Aufhebung der Todeserklärung würde vermutlich alles ändern.

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