Essen. Der verstaatlichte Uniper-Konzern hatte mit 40-Milliarden-Verlust gerechnet. Finanzmärkte rätseln, was der Bund vorhat und wer neuer Chef wird.

Der den deutschen Steuerzahlerinnen und -zahlern gehörende Energiekonzern Uniper hat 2022 „nur“ 19,1 Milliarden Euro verloren. Das gab der neue Staatskonzern am Donnerstag in seiner Jahresbilanz bekannt und bestätigte damit die vorläufigen Zahlen. Die seit dem Herbst unerwartet stark gesunkenen Gaspreise helfen Uniper enorm, weil der Konzern die von Russland gestoppten Gaslieferungen durch teure Zukäufe an den Tagesmärkten ersetzen muss. Die dort gesunkenen Preise haben die zuvor erwarteten Verluste von 40 Milliarden Euro im vergangenen Jahr mehr als halbiert.

Die für Finanzmärkte und Aktionäre spannendste Frage, wie es weitergeht mit Deutschlands größtem Gashändler, welche Strategie er verfolgt und womit er irgendwann wieder Geld verdienen will, blieb freilich erneut offen. Hauptanteilseigner ist zu 99,12 Prozent der deutsche Staat. Er könnte also durchregieren in der Düsseldorfer Uniper-Zentrale, den vakanten Chefposten nach seinem Gusto besetzen und vorgeben, wie der das Unternehmen in den kommenden Jahren umbauen soll.

Uniper-Finanzchefin: Haben unsere Lektion gelernt

Doch alle Fragen beim Analysten-Call dazu, auch zu möglichen Verkäufen einzelner Geschäftsteile, beantwortete die scheidende Finanzchefin Tiina Tuomela ausweichend. Man arbeite an der künftigen Strategie und mache „gute Fortschritte“, die Ergebnisse müsse man aber noch abwarten. Bei der Gasbeschaffung habe Uniper seine „Lektion gelernt“, sagte sie in Anspielung auf die letztlich verhängnisvolle Abhängigkeit von Russland. Man arbeite weiter an alternativen, sicheren Bezugswegen.

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Einige Veränderungen ergeben sich von selbst, nämlich aus den Auflagen der EU für die Genehmigung der staatlichen Rettungsaktion. So muss Uniper bis 2026 sein Steinkohlekraftwerk Datteln 4 verkaufen. Die Ampel-Regierung, die den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen will, muss nun sehen, wie sie eine mögliche Stilllegung von Datteln 4 bis dahin mit einem möglichst einträglichen Verkauf in Einklang bringen will. Verkaufen müssen die Düsseldorfer auch ihr ungarisches Gaskraftwerk Gönyu, die russische Tochter Unipro, das deutsche Fernwärmegeschäft und das nordamerikanische Stromgeschäft.

Eine weitere Auflage, die Abgabe des Geschäfts mit Schiffstreibstoffen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, hat Uniper bereits in dieser Woche erfüllt: Am Donnerstag wurde ein Kaufvertrag mit einem Konsortium aus der Montfort Group und Scheich Ahmed Dalmook Al Maktoum geschlossen, über den vereinbarten Kaufpreis aber Stillschweigen vereinbart.

Soll Uniper an schwedischen Atomkraftwerken festhalten?

Wie gut einem deutschen Staatskonzern die Beteiligung an drei Kernkraftwerken in Schweden steht, wo Deutschland doch in wenigen Wochen endgültig aus der Atomkraft aussteigt, beschäftigt die Finanzmärkte ebenfalls. Mehrere Fragen zum Skandinavien-Geschäft, unter anderem von der Deutschen Bank, blieben jedoch ebenfalls unbeantwortet. Finanzchefin Tuomela betonte lediglich, sehr zufrieden mit den Zahlen aus Schweden zu sein und dass ein Verkauf nicht Teil der EU-Auflagen sei.

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Was der Bund mit den Teilen, die übrig bleiben, vorhat und was an neuen Geschäftsfeldern hinzukommen soll, bleibt sieben Wochen nach dem Staatseinstieg weiter unklar. Ideen aus Berlin für Uniper als führender Flüssiggas-Importeur oder als zentraler nationaler Wasserstoffhändler machen die Runde – Letzteres zusammen mit Sefe, der ebenfalls verstaatlichten früheren deutschen Gazprom-Tochter. Das könnte die Regierung mit ihrer nationalen Wasserstoffstrategie verknüpfen. Doch bisher sind das nur Gedankenspiele, über die etwa das Handelsblatt aus internen Arbeitspapieren zitierte.

Spekulationen um Maubach-Nachfolge

Weiter ist man in Düsseldorf bei der Neuaufstellung des Vorstands: Die von der bisherigen finnischen Eigentümerin Fortum entsandte Finanzchefin Tuomela, die sich am Freitag von den Analysten verabschiedete, wird im März von Jutta Dönges abgelöst, der früheren Geschäftsführerin der Finanzagentur des Bundes. Aus den eigenen Reihen besetzt Holger Kreetz den Posten des operativen Vorstands David Bryson, der ebenfalls das Unternehmen verlässt. Offen ist freilich noch die wichtigste Personalie: Konzernchef Klaus-Dieter Maubach geht ebenfalls, seine Nachfolge ist bisher ungeklärt.

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Auch hier fehlt es nicht an Ideen: Als Kandidaten gehandelt werden neben mehreren Energiemanagern aus ganz Europa auch im Ruhrgebiet altbekannte Branchengrößen wie der frühere RWE- und heutige Fortum-Finanzchef Bernhard Günther oder Ex-RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Der 65-Jährige müsste dafür sein operatives Rentnerdasein beenden, als amtierender Eon-Aufsichtsrat dürfte er allerdings noch gut im Thema sein. Das Handelsblatt nannte auch Ex-Ruhrgas-Manager Jochen Weise, Ex-EnBW-Chef Frank Mastieux und die Steag-Managerin Anke Langner als Optionen.

Uniper-Rettung könnte für den Staat weniger teuer werden

Für den Staat könnte die Rettung des als systemrelevant eingestuften Energiekonzerns mit seinen rund 7000 Beschäftigten doch einige Milliarden weniger verschlingen als anfänglich befürchtet. Darauf lässt die Jahresbilanz 2022 hoffen. An reinem Nettoverlust aus 2022 stehen 13,2 Milliarden Euro, weitere 5,9 Milliarden Euro sind bereits als künftige Verluste aus der Gasersatzbeschaffung gebucht. In einem anderen Geschäftsfeld profitierte Uniper von der Krise, der Umsatz aus der europäischen Stromerzeugung stieg 2022 um mehr als das Doppelte. Dazu trugen vor allem die fossilen Kraftwerken bei, deren Strom Uniper teurer verkaufen konnte.

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Finanzchefin Tuomela betonte, vom genehmigten frischen Eigenkapital des Bundes von bis zu 25 Milliarden Euro erst 5,5 Milliarden gezogen zu haben. Weitere Tranchen sollen folgen, die aktuell noch benötigte finanzielle Hilfe durch den Staat werde aber mit der Zeit auslaufen. Spätestens Ende 2024 sei das Problem, teures Erdgas zukaufen zu müssen, um laufende Verträge erfüllen zu können, gelöst. Das dürfte dann auch der Zeitpunkt sein, ab dem die Regierung einen geordneten Rückzug antreten kann.