Essen/Brunsbüttel. Das dritte schwimmende Flüssiggas-Terminal hat in Brunsbüttel festgemacht. Warum RWE-Chef Krebber darin mehr als eine Notlösung sieht.
Das nächste Monster von Schiff ist angelandet, am Brunsbütteler Kai vertäut hat es Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unter den Augen von RWE-Chef Markus Krebber. Das dritte schwimmende Flüssiggas-Terminal an der deutschen Küste soll bereits in rund zwei Wochen das erste flüssige Gas (LNG) zurück in den gasförmigen Zustand versetzen und ins Pipelinenetz am Festland einspeisen. Der erste Tanker mit Flüssiggas wird Ende Januar aus Abu Dhabi im Elbehafen erwartet.
Bereits in Betrieb ist seit Dezember ein Terminal in Wilhelmshaven, dort folgt ein zweites im Herbst. Eines hat vergangene Woche in Lubmin festgemacht, Ende 2023 soll eines in Stade seinen Betrieb aufnehmen. Wenn alle fünf Terminals ihre volle Kapazität erreichen, können sie in wenigen Jahren ein Drittel des deutschen Gasbedarfs decken. Damit wären der Wegfall der russischen Gaslieferungen zum Großteil kompensiert, aus Putins Reich kam vor dem Krieg mehr als die Hälfte des in Deutschland benötigten Erdgases, vor dem Lieferstopp im Sommer waren es noch knapp 40 Prozent.
RWE, Uniper und EnBW ordern die LNG-Tanker
Entsprechend euphorisch äußerte sich RWE-Chef Markus Krebber am Freitag: „Schwimmende LNG-Terminals ermöglichen den Import von Erdgas und stärken somit die Versorgungssicherheit Deutschlands. Die einseitige Energie-Abhängigkeit unseres Landes von russischem Pipelinegas wird mit dem Einsatz der Spezialschiffe endgültig beendet“, sagte er nach der Ankunft der „Höegh Gannet“, einem gigantischen, fast 300 Meter langen Spezialschiff. Mit dem inzwischen verstaatlichten Düsseldorfer Uniper-Konzern und EnBW will RWE dafür sorgen, dass genügend LNG-Tanker Brunsbüttel ansteuern.
Wie schon das Terminal in Wilhelmshaven wurde auch das in Brunsbüttel in Rekordzeit umgesetzt. RWE hatte im Mai mit Höegh LNG, dem Terminal-Entwickler Marine Service GmbH, dem Betriebs- und Wartungsdienstleister Reganosa und der Brunsbüttel Ports GmbH den Auftrag für das Projekt von der Bundesregierung erhalten. Dass es so schnell ging, lag vor allem an den schnellen Genehmigungen. „Das hohe Tempo, mit dem das Projekt in Brunsbüttel gemeinsam von allen Beteiligten vorangetrieben wurde, setzt Maßstäbe für die weitere Modernisierung unserer Energieversorgung“, sagte Krebber, „das wird auch nötig sein, damit der Industriestandort Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral werden kann“.
Rekordtempo – auch beim Leitungsbau durch Covestro
Doch auch die technischen Voraussetzungen wurden ungewöhnlich schnell geschaffen. So legte etwa der Chemiekonzern Covestro binnen Wochen von seinem Industriepark in Brunsbüttel eine Wasserleitung zum Hafen, über die das schwimmende Terminal mit warmem Prozesswasser versorgt wird. Es wird für die Regasifizierung benötigt, das ankommende LNG ist mindestens 164 Grad kalt und muss entsprechend erwärmt werden, um wieder gasförmig zu werden.
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RWE sieht in Brunsbüttel mehr als eine Notlösung zur Bewältigung der aktuellen Gaskrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Über die Elbmündung will der Essener Dax-Konzern mittelfristig auch grünen Wasserstoff importieren, der als Zukunfts-Brennstoff einer klimaneutralen Industrie gilt. Dafür baut RWE ein Terminal zur Anlandung von grünem Ammoniak. Ab 2026 sollen jährlich 300.000 Tonnen grünen Ammoniaks hier ankommen, aus dem dann grüner Wasserstoff gewonnen wird. RWE beteiligt sich zudem am Bau eines multifunktionalen LNG-Terminals durch German LNG, das von der Flüssiggas-Verarbeitung später auf grünen Wasserstoff umgestellt werden kann.