Essen. Es ist ein wichtiges Projekt für den Stahlstandort Duisburg: Bis Ende 2026 soll eine Wasserstoff-Pipeline entstehen, so Thyssengas-Chef Gößmann.

Bei vielen großen Projekten der Industrie in NRW kommt Thyssengas ins Spiel. Schon jetzt sind die Gasleitungen des Dortmunder Netzbetreibers rund 4400 Kilometer lang – und weitere Pipelines sind in Planung. Auch beim bevorstehenden Umbau des Stahlstandorts Duisburg auf eine klimaneutrale Produktion mischt Thyssengas mit. Gemeinsam mit dem Essener Gasnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) planen die Dortmunder den Bau einer rund 28 Kilometer langen Pipeline von Dorsten nach Duisburg-Hamborn, um insbesondere die Stahlwerke von Thyssenkrupp mit Wasserstoff zu versorgen.

„Das Projekt ist von großer Bedeutung für Europas Stahlstandort“, sagt Thomas Gößmann, der Vorsitzende der Thyssengas-Geschäftsführung, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wasserstoff kann als Energieträger einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.“ Thyssengas sei bereit, „einen beträchtlichen Teil“ des konzerneigenen Pipelinenetzes, durch das bislang Erdgas fließt, auf Wasserstoff umzustellen.

„Für den Transport von Wasserstoff braucht es eine effiziente und sichere Infrastruktur, damit der Energieträger dorthin gelangt, wo er gebraucht wird. Gerade in NRW gibt es viele potenzielle Abnehmer, etwa an den großen Chemie-, Raffinerie- und Stahlstandorten“, sagt Gößmann. „Für den Lückenschluss zum bestehenden Netz wird auch der Neubau von Pipelines für Wasserstoff wird notwendig sein, allerdings in geringem Umfang.“

Wasserstoff-Pipeline soll unterirdisch verlegt werden

Um eine Anbindung des Stahlstandorts Duisburg zu erreichen, laufen Gespräche von Thyssengas mit dem Ruhrgas-Nachfolger OGE, Thyssenkrupp und dem norwegischen Öl- und Gaskonzern Equinor. Die neue Wasserstoff-Pipeline von Dorsten nach Duisburg-Hamborn soll unterirdisch verlegt werden und einen Durchmesser von 600 Millimetern haben. Der Baubeginn ist für das Jahr 2023 geplant, eine Inbetriebnahme Ende 2026. „Die Planungen und vorbereitende Genehmigungsverfahren zum Trassenverlauf laufen“, berichtet Thyssengas-Chef Gößmann. Sein Unternehmen sei mit 30 Prozent an der Pipeline beteiligt, Open Grid Europe mit 70 Prozent.

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Thyssengas ist bereits im Jahr 1921 gegründet worden und hat derzeit rund 380 Beschäftigte. Eigentümer der deutschen Traditionsfirma sind der Energiekonzern Électricité de France (EDF) und der niederländische Infrastruktur-Fonds DIF. Der Thyssengas-Hauptsitz befindet sich in Dortmund, Firmenstandorte sind unter anderem in Duisburg, Hünxe und Recklinghausen.

Das Thyssengas-Management verfügt über langjährige Erfahrungen bei großen Gasinfrastruktur-Projekten. Eine neue Erdgas-Leitung von Datteln nach Herne zum dortigen Steag-Kraftwerk sei gerade innerhalb von zwei Jahren gebaut worden, berichtet Gößmann. Insgesamt habe das Vorhaben – Planungen und Genehmigungsverfahren eingerechnet – acht Jahre in Anspruch genommen.

Thyssengas-Chef: „Wir müssen da schneller werden“

Thyssengas-Chef Gößmann wünscht sich mehr Tempo für künftige Wasserstoffprojekte. „Leider ist Deutschland beim Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur in den vergangenen Jahren nicht weit genug vorangekommen“, sagt er. „Wir müssen da schneller werden, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.“ Oft hapere es noch an der Wirtschaftlichkeit der Vorhaben, die zu CO2-Einsparungen der Industrie beitragen sollen. „Derzeit rechnen sich viele Wasserstoff-Projekte über die gesamte Wertschöpfungskette noch nicht“, merkt Gößmann an. „Daher bedarf es an vielen Stellen einer staatlichen Anschubfinanzierung.“

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Auch Thyssengas wolle die Umstellung auf grüne und klimaneutrale Gase vorantreiben. „Dafür benötigen wir aber auch die politische Unterstützung“, sagt der Manager. Seine Branche habe bereits Pläne für einen weitreichenden Umbau des bestehenden Gasnetzes auf Wasserstoff bis zum Jahr 2030 vorgestellt, aber „nicht das erhoffte grüne Licht der Politik bekommen“, wie Gößmann sagt. Von Investitionskosten in Höhe von rund 660 Millionen Euro war die Rede. „Gemessen an dem volkswirtschaftlichen Nutzen ist dies eine gute Investition“, urteilt der Thyssengas-Chef.

NRW sei aufgrund der vielen Industrieunternehmen „eine Schlüsselregion für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft“, sagt der Thyssengas-Chef. Rund 35 Prozent der bundesweiten Wasserstoffprojekte seien in NRW.

Thyssenkrupp will Stahlproduktion zunächst auf Erdgas umstellen

Vor wenigen Tagen haben sich acht führende Unternehmen und Institutionen aus der Region verbündet, um die Wasserstoff-Wirtschaft im Ruhrgebiet voranzubringen. „Wir wollen und wir können das Ruhrgebiet zu einem Pionier der Wasserstoff-Wirtschaft für ganz Deutschland, für Europa machen“, sagt Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz mit Blick auf den Zusammenschluss. Das Ziel sei ein branchenübergreifender Bebauungsplan für die Infrastruktur und Produktion von Wasserstoff, heißt es bei den beteiligten Konzernen und Institutionen – Eon, Evonik, RWE, Thyssenkrupp, Vonovia, Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, RWI und Krupp-Stiftung.

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Die Thyssenkrupp-Vorstandsvorsitzende Martina Merz, Vonovia- und Initiativkreis Ruhr-Chef Rolf Buch sowie Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather (von links) beim Redaktionsbesuch. Im Interview stellen sie ein neues Wasserstoff-Bündnis für das Ruhrgebiet vor.
Von Alexander Marinos, Tobias Kisling und Ulf Meinke

Thyssenkrupp will eigenen Angaben zufolge im Jahr 2025 den ersten CO2-freien Stahl mit Hilfe einer Hochofen-Nachfolgetechnologie herstellen. Doch noch fehlt es an grünem Strom und klimaneutralem Wasserstoff, hinzu kommt der Bau von Pipelines. Zunächst will Thyssenkrupp die neuen Anlagen mit Erdgas betreiben und später auf Wasserstoff umstellen. „Schon eine Umstellung von Kohle auf Erdgas verringert erheblich die CO2-Emissionen, etwa in der Stahlindustrie und beim Betrieb von Kraftwerken“, betont Thyssengas-Chef Gößmann.