Essen. Saarstahl-Chef Köhler warnt vor falschen Erwartungen mit Blick auf grünen Stahl. Offen zeigt er sich für Kooperationen in der Stahlindustrie.
Saarstahl-Chef Karl-Ulrich Köhler warnt vor falschen Erwartungen mit Blick auf den anstehenden klimaneutralen Umbau der deutschen Stahlindustrie. „Wir können nicht einfach den Schalter umlegen, den Hochofen abschalten, den Elektrolichtbogen anschalten und dann kommt am Ende CO2-freier Stahl heraus. Der Weg dahin ist lang, teuer und komplex“, sagte Köhler in einer Videokonferenz der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV).
Das aktuelle Zieldatum der klimaneutralen Produktion, das Jahr 2045, sei eine enorme Herausforderung für die Stahlhersteller. „In diesen zwei Jahrzehnten müssen die Unternehmen weiterhin produzieren und ihre Kunden und Märkte bedienen“, gibt Köhler zu bedenken. „Parallel dazu müssen die neuen klimaneutralen Produktionslinien aufgebaut werden.“ Allein für die saarländische Stahlindustrie sei der eingeschlagene Weg mit Investitionen in Höhe von rund vier Milliarden Euro verbunden, wenn in etwa das bisherige Produktionsniveau erreicht werden solle.
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Gerade für Stahlhersteller, die Hochöfen betreiben, müsse die Politik den Umbau „langfristig plan- und bezahlbar machen, sonst wandert die Erzeugung aus Deutschland ab“, warnt der Saarstahl-Chef, der in früheren Jahren auch in führenden Positionen bei den Stahlkonzernen Thyssenkrupp und Tata gearbeitet hat. In der saarländischen Stahlindustrie, die in einer von Köhler geführten Holding gebündelt ist, arbeiten derzeit rund 13.000 Beschäftigte. Zum Vergleich: Thyssenkrupp Steel beschäftigt als Marktführer etwa 27.000 Menschen, einen Großteil davon in NRW.
Grün-Strom und Wasserstoff für CO2-freie Stahlindustrie erforderlich
Köhler verweist mit Blick auf den Aufbau einer klimaneutralen Stahlproduktion auf eine Reihe ungelöster Probleme. Derzeit sei noch offen, wie der Bedarf der Stahlhersteller nach bezahlbarem Grün-Strom und Wasserstoff in gewaltigen Größenordnungen gedeckt werden könne. Die Energiekosten seien ein Schlüssel zur wettbewerbsfähigen Produktion der geplanten Hochofen-Nachfolgetechnologien, sagt Köhler.
„CO2-freier Strom aus Atomkraft ist bei uns weitestgehend verpönt. In Frankreich sieht man es anders“, merkt der Saarstahl-Chef in diesem Zusammenhang an. „Regenerative Stromquellen haben wir im Saarland
kaum. Der Ausbau der Windkraft zu Lande und zu Wasser geht deutschlandweit nur schleppend voran.“ Von einer Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff könne zudem noch keine Rede sein, „da bisher noch nicht nennenswert“ vorhanden.
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„Diese Fragen sind bisher in weiten Teilen noch ungeklärt. Hier müssen zwingend Ideen, belastbare Lösungen und Konzepte her. Und das schnell. Wir brauchen Planungssicherheit“, sagt Köhler mit Blick auf die künftige Bundesregierung. Hinzu komme, dass es derzeit noch keinen Markt gebe, „der bereit ist, die Mehrkosten für diesen grünen Stahl zu bezahlen“.
Saarstahl-Chef Köhler offen für Kooperationen
Offen zeigt sich Saarstahl-Chef Köhler für Kooperationen mit anderen Stahlherstellern in Deutschland, etwa beim Bau der sogenannten Direktreduktionsanlagen, die künftig anstelle von Hochöfen die Basis für die Stahlproduktion sein sollen. Er halte Gemeinschaftsprojekte für möglich, betont Köhler. Er sei offen für Gespräche.
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Im Hochofen wird derzeit flüssiges Roheisen hergestellt, in Direktreduktionsanlagen sind es feste Brocken von Eisenschwamm. Danach steht die Weiterverarbeitung an, für die voraussichtlich auch weiterhin bestehende Anlagen der Stahlhersteller eingesetzt werden können.
Es sind riesige Industriekomplexe, die mit dem klimaneutralen Umbau der Stahlindustrie verbunden sind, unter anderem bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg, wie Konzernchef Bernhard Osburg unlängst bei der WPV erläuterte. 150 Meter hoch sollen die Direktreduktionsanlagen nach Darstellung von Osburg sein. Die bisherigen Hochöfen würden sie locker überragen. „Da ist jedes Windrad echt ein nettes, kleines Spielzeug dagegen“, sagt Osburg mit Blick auf Überlegungen, die neuen energieintensiven Aggregate zur Stahlerzeugung an der Nordsee zu bauen, um nah an der Offshore-Stromerzeugung zu sein. Für den Standort Duisburg spreche, dass sich die neue Technologie in die bestehende Struktur des Stahlwerks integrieren lasse, betont Osburg.