Essen. Das Amtsgericht Köln hat Karl-Erivan Haub für tot erklärt. Letzte Zweifel am Schicksal des früheren Tengelmann-Chefs bleiben trotzdem bestehen.

Der frühere Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub gilt nun offiziell als tot. Das Amtsgericht Köln teilte am Freitag mit, es habe „Karl-Erivan Warder Haub mit Beschluss vom heutigen Tage für tot erklärt. Als Zeitpunkt des Todes wurde der 7. April 2018, 24.00 Uhr, festgestellt“. Es ist der Tag, an dem der schillernde Handelsmanager in den Schweizer Alpen spurlos verschwand.

Bis heute reichen die Theorien über das, was an jenem Tag am Matterhorn geschah, von Unfall über Suizid und Ermordung bis hin zur Flucht in ein neues Leben. An der Vielfalt der Spekulationen dürfte auch der richterliche Beschluss nichts ändern. „Gewisse Restzweifel bleiben immer, das liegt in der Natur dieses Verfahrens“, sagte ein Gerichtssprecher unserer Redaktion. Ein Mensch, der verschollen ist, gibt so lange Rätsel auf, bis er oder seine Leiche gefunden wird.

Bruder Christian übernimmt Tengelmann-Anteile

Wichtig ist die Todeserklärung von Karl-Erivan Haub vor allem für das bis zu seinem Verschwinden von ihm geführte Familienunternehmen. Bruder Christian führt die Tengelmann-Gruppe seitdem, ein mitunter unbarmherzig ausgefochtener Erbstreit mit der Ehefrau seines ältesten Bruders lag aber wie ein Schleier aus Blei auf dem Unternehmen. Insbesondere die lange ungeklärte Frage, ob und wie stark die Firma Karl-Erivans Kindern dabei helfen würde, die immensen Erbschaftssteuern zu zahlen, geriet auch geschäftsstrategisch zur Belastung.

Inzwischen haben sich die zerstrittenen Familienzweige geschäftlich geeinigt: Christian übernimmt die Anteile von Karl-Erivan und dessen Kindern für mehr als eine Milliarde Euro. Die Zwillinge Viktoria und Erivan können damit dann die Erbschaftssteuern in Deutschland und den USA begleichen, ihr im US-Bundesstaat Washington geborener Vater hatte wie sie beide Staatsbürgerschaften, besaß zudem noch einen russischen Pass. Viktoria und Erivan müssen Schätzungen zufolge insgesamt Steuern im mittleren bis oberen dreistelligen Millionenbereich zahlen.

Todeserklärung noch nicht rechtskräftig

Ihren Anwälten zufolge soll der Verkauf der Unternehmensanteile von 34,33 Prozent bis Ende Mai vollzogen werden. Die Todeserklärung Karl-Erivans wird bis dahin noch nicht rechtskräftig sein – die obligatorische Beschwerdefrist läuft einen Monat nach der öffentlichen Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Dass noch neue Hinweise oder Zeugen auftauchen, ist aber unwahrscheinlich. Wer Zweifel hatte, konnte diese seit Eröffnung des Verfahrens am 16. März vorbringen.

Und Hinweise gab es an das Gericht, die daran zweifeln ließen, ob Karl-Erivan Haub tatsächlich in den Schweizer Alpen verstorben ist. Etwa von zwei Alpinisten, die dem Gericht schrieben, ein erfahrener Bergwanderer wie Haub wäre nie in so dünner Kleidung, wie auf dem letzten Bild einer Kamera an der Bergstation Klein Matterhorn zu sehen, und ohne sein Handy allein auf eine Tour gegangen. Das Smartphone soll Haub vor Antritt der Bergtour ausgeschaltet haben. „Vielleicht wollte er einfach abtauchen und mit neuer Identität ein anderes, einfacheres Leben führen“, hieß es in den Briefen.

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Damit dürften sie ein Leben mit seiner vermeintlichen russischen Geliebten Veronika E. gemeint haben. Nach Informationen unserer Redaktion las die Tengelmann-IT bei der Suche nach ihrem verschollenen Chef dessen Handy aus und fand darauf auch eine Kurznachricht der Eventmanagerin aus St. Petersburg, die Karl-Erivan am Tag seines Verschwindens geschrieben haben soll, sie werde nach Moskau reisen. Seither ist auch sie nicht mehr aufgetaucht.

Das Gericht hat alle Hinweise geprüft und als nicht überzeugend gewertet. „Zur Akte vorgetragene anderslautende Meinungen fußen auf Möglichkeiten, Vermutungen und nicht prüfbaren Unterlagen“, heißt es im Beschluss, „sie waren nicht ausreichend, die ernstlichen Zweifel am Fortleben des Verschollenen zu beseitigen“.

Zweifel an Haubs Tod bleiben bestehen

Unabhängig von der Qualität und Beweiskraft einzelner Hinweise werden aber Zweifel bestehen bleiben. Das ist auch dem Amtsgericht Köln bewusst, eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz kann nie letzte Gewissheit geben. Das klingt schon in den Formulierungen durch: „Die belegten Umstände begründen ernstliche Zweifel an seinem Fortleben“, heißt es etwa im Gerichtsbeschluss. Und in der Mittelung wird erläutert, die Todeserklärung begründe „die gesetzliche Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist“.

Beantragt hatten die Todeserklärung sein Bruder Christian, das Unternehmen und Karl-Erivans Frau Katrin sowie die Kinder Viktoria Anna-Katharina und Erivan Karl-Christopher Haub. Georg, der mittlere der drei Brüder, hatte seinen Antrag auf Todeserklärung im Januar überraschend zurückgezogen. Auch sein Verhältnis zu Karl-Erivan galt als zerrüttet, der ließ ihn auf Firmenkosten von einem Detektiv überwachen.

Christian Haub könnte bei Tengelmann bald durchregieren

Georg hält nach wie vor ein Drittel an der Tengelmann-Gruppe mit ihren Handelsketten Obi, Kik und Babymarkt.de samt 90.000 Beschäftigten. Weitere Standbeine sind Immobilien und Wagniskapital für Startups. Die Führung des Familienunternehmens überlässt Georg seinem jüngeren Bruder Christian, der nach der geplanten Übernahme der Anteile der Familie von Karl-Erivan praktisch durchregieren könnte.

Der frühere Investmentbanker hat dem Konzern bereits eine neue, straffere Organisation gegeben und die Zentrale auf ein Minimum geschrumpft. Christian Haub hat unlängst die letzten Tengelmann-Anteile am Discounter Netto an Edeka verkauft und sich auch aus der Billigkette Tedi zurückgezogen. Dafür hält er inzwischen alle Anteile am Textildiscounter Kik.