Mülheim. Georg Haub zieht überraschend seinen Antrag auf Todeserklärung für seinen Bruder Karl-Erivan zurück. Amtsgericht führt Verfahren dennoch weiter.
Auch fast drei Jahre nach seinem Verschwinden bleibt das Schicksal von Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub ungeklärt. Das eingeleitete Verfahren zur Todeserklärung könnte Licht ins Dunkel bringen. Doch nun hat überraschend Haubs Bruder Georg beim Amtsgericht Köln seinen Antrag auf Todeserklärung zurückgezogen.
„Die Anträge von Christian Haub und der Unternehmensgruppe Tengelmann werden aufrecht erhalten“, sagte Maurits Steinebach vom Kölner Amtsgericht unserer Redaktion. Bereits im Oktober hatten die beiden Brüder und der Mülheimer Handelsriese die Todeserklärung beantragt. Zu den Beweggründen, warum Georg Haub jetzt plötzlich einen Rückzieher machte, äußerte sich das Amtsgericht nicht. Nach Angaben von Richter Steinebach geht das Verfahren trotzdem weiter. Das Amtsgericht Köln prüft gerade, ob die Anträge auf Todeserklärung zulässig sind.
Es geht um 450 Millionen Euro Erbschaftssteuer
Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Köln entschieden, den Anträgen auf Todeserklärung nicht beizutreten. “Die Staatsanwaltschaft hat von ihrem Antragsrecht nach Paragraph 16 Verschollenheitsgesetz keinen Gebrauch gemacht und beabsichtigt auch nicht, dies zu tun“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer unserer Zeitung. Die Staatsanwaltschaft hätte das Recht dazu, Karl-Erivan Haub für tot erklären zu lassen, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt.
Nach Einschätzung von Juristen könnte dieses öffentliche Interesse in mehrfacher Hinsicht bestehen. Hätte Karl-Erivan seinen Tod tatsächlich vorgetäuscht, wofür es keine Beweise gibt, könnte ihm Betrug insbesondere zu Lasten seiner eigenen Firma vorgeworfen werden. Ein öffentliches Interesse könne aber auch in der Zahlung der Erbschaftssteuer bestehen. Denn nur im Todesfall Haubs können dessen Anteile an der Tengelmann-Gruppe von rund einem Drittel an die Kinder Viktoria und Erivan übergehen. Dadurch würden der deutschen Staatskasse Schätzungen zufolge rund 450 Millionen Euro zufließen.
Verfahren zur Todeserklärung von Karl-Erivan Haub geht weiter
Die Zwillinge und ihre Mutter Katrin hatten deshalb, aber auch aus emotionalen Gründen davon abgesehen, die Todeserklärung für Karl-Erivan Haub in Gang zu bringen. Das Vorpreschen der Brüder und des Unternehmens hatte Ehefrau Katrin Haub gegenüber unserer Redaktion im Oktober als "anmaßend" kritisiert. Zweifel, dass Karl-Erivan Haub in den Bergen verunglückt ist, sollen Medienberichten zufolge aus Kreisen der Familie selbst stammen. Eine Bestätigung dafür gibt es aber nicht.
Zuletzt hatten Briefe von „Alpinisten aus der Schweiz“, die bei Gericht in Köln eingegangen waren, die Gerüchte angeheizt, dass der Verschollene noch leben und mit seiner russischen Geliebten untergetaucht sein könnte. Der Gerichtssprecher wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern, ob es dem im Raum stehenden Verdacht nachgeht und eigene Erkenntnisse hat, dass die Briefe gefälscht sind. Auch unsere Redaktion hatte aus den Schreiben zitiert. Nach unseren Informationen sollen beim Bevölkerungsamt Zürich Zweifel laut geworden sein, dass die Absender den von ihnen angegebenen Adressen zuzuordnen sind.
Georg Haub wurde von seinem Bruder überwacht
Warum Georg Haub seinen Antrag auf Todeserklärung zurückgezogen hat, blieb zunächst offen. Das Verhältnis der beiden Brüder galt seit Jahren als angespannt. Als Tengelmann-Chef hatte Karl-Erivan Haub seinen Bruder Georg auf Firmen-Kosten durch einen Detektiv überwachen lassen. Die Aktenordner mit den Ergebnissen der Beschattung sollen kurz nach Haubs Verschwinden am 7. April 2018 aus dessen Mülheimer Büro abgeholt worden sein.
Georg Haub hält rund ein Drittel an der Tengelmann-Gruppe. Mit Ketten wie Obi, Kik und Babymarkt.de und 90.000 Beschäftigten setzte das Unternehmen mit Sitz in Mülheim zuletzt mehr als acht Milliarden Euro um. Bedeutende Standbeine sind Beteiligungen an jungen Unternehmen und die Immobilien-Tochter. Georg Haubs Bruder Christian, der die Firma inzwischen allein führt, verhandelt seit Monaten mit der Familie von Karl-Erivan Haub. Dabei geht es auch um die Übernahme von dessen Anteil an der Gruppe. Dafür hatte Christian Haub der Familie zuletzt 1,1 Milliarden Euro angeboten.