Mülheim. Bergsteiger nähren Zweifel, dass Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub in den Alpen verunglückte. Gericht muss über Todeserklärung entscheiden.

Das Kölner Amtsgericht hat eine schwere Entscheidung zu fällen: Soll es den seit fast drei Jahren verschollenen Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub für tot erklären? Denn die Hinweise mehren sich, dass der Milliardär noch leben könnte.


Ende Oktober gingen bei der Poststelle des Amtsgerichts in Köln zwei brisante Briefe ein. Die beiden Absender bezeichnen sich selbst als „Alpinisten aus der Schweiz“. Ihre Namen sind unserer Redaktion bekannt. Die versierten Bergsteiger schildern auf zwei DIN-A4-Seiten ihre Zweifel, dass Karl-Erivan Haub an jenem 7. April 2018 auf dem Kleinen Matterhorn bei Zermatt verunglückt sein könne. Die identischen Schreiben haben eine Wende in der Debatte um das Schicksal des Mülheimer Unternehmers eingeleitet, von dem trotz intensiver Suche in den Gletschern der Schweizer Alpen bis heute jede Spur fehlt. Medienberichten zufolge könnte Haub mit seiner russischen Geliebten Veronika E. untergetaucht sein.

"Vielleicht wollte er einfach abtauchen"

„Unserer Ansicht nach kann die offiziell veröffentlichte Darstellung des Verschwindens von Herrn Karl-Erivan Haub nicht stimmen. Vielleicht wollte er einfach abtauchen und mit neuer Identität ein anderes, einfacheres Leben führen“, schreiben die Alpinisten. Vor allem die leichte Jacke und Hose, die Haub im vereisten Hochgebirge trug, beschäftigen die Bergsteiger. Fotos aus der Bergstation bestätigen das.

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„Er wollte offenbar später (auf der italienischen Seite des Skigebiets von Zermatt) diese dünne Kleidung unauffällig entsorgen, z. B. in eine Plastiktüte stecken und in den nächsten Papierkorb werfen." Nach der Abfahrt auf der italienischen Seite „könnte für sein Verschwinden alles vorbereitet gewesen sein“, mutmaßen die beiden Bergsteiger.

"Ein Alpinist würde nie ein Handy ausschalten"

Die Sportler beschäftigt aber auch, warum Haub in der Bergstation sein Smartphone ausschaltete – mutmaßlich, um seine Ortung auszuschließen. „Ein Alpinist würde nie ein Handy ausschalten. Denn es kann bei einem Umfall lebensrettend sein“, schreiben die Bergsteiger. Nach Informationen unserer Redaktion kannte die IT der Tengelmann-Gruppe das Passwort des Mobiltelefons, das einen Ladezustand von 83 Prozent aufgewiesen haben soll, und konnte aus der Ferne SMS und Whatsapp-Botschaften auslesen. Darunter soll sich auch die Nachricht der vermeintlichen Geliebten Veronika E. befunden haben, dass sie am Tag des Verschwindens nach Moskau reisen werde. Seither gilt auch die Frau als unauffindbar.

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Die Bergsteiger geben dem Gericht abschließend sogar noch einen Tipp, wo man Karl-Erivan Haub antreffen könne. „Da er viele Jahre lang und oft in Zermatt war und diese Gegend über alles liebt, wird er vermutlich versuchen, mit einer neuen Identität wieder dort Ski zu fahren“, schreiben sie und spekulieren, dass er in einem „Hotel in Cervinia oder einem anderen Dorf in der Region Valtournenche“ absteigen werde.

Amtsgericht Köln entscheidet über Antrag auf Todeserklärung

Das von den Alpinisten skizzierte Szenario wird das Amtsgericht Köln ebenso würdigen müssen wie unwidersprochene Zweifel in der Familie, ob Karl-Erivan Haub wirklich verunglückte. Im Oktober hatten dessen Brüder Christian und Georg sowie die Unternehmensgruppe Tengelmann in Köln, dem Wohnsitz des Haub-Stamms, den Antrag gestellt, den bei seinem Verschwinden 58-Jährigen für tot erklären zu lassen. „Wir prüfen gerade, ob der Antrag zulässig ist“, sagte Richter Maurits Steinebach, Sprecher des Amtsgerichts, unserer Redaktion.

Der Rechtspfleger, der mit dem Fall betraut wurde, hat sich an die Buchstaben des Verschollenheitsgesetzes aus dem Jahr 1939 zu halten. Sollte der Antrag zugelassen werden, wird das Gericht in einer Tageszeitung eine Anzeige schalten und darüber informieren, dass Haub für tot erklärt werden soll. „Wenn ein Aufgebot erlassen wird, können sich die Betroffenen und jeder, der etwas zu dem Fall weiß, in einer bestimmten Frist beim Amtsgericht melden“, erklärt Steinebach. Der Rechtspfleger werde prüfen, „ob und wie er den Hinweisen im Rahmen einer Amtsermittlung dann nachgehen wird“.

Dauer des Verfahrens ist unklar

Wie lange das Verfahren bis zur Todeserklärung dauern wird, ist völlig offen. Und die mögliche Entscheidung ist dann auch nicht endgültig. „Eine Todeserklärung ist prinzipiell anfechtbar durch jeden, der an der Aufhebung der Todeserklärung ein rechtliches Interesse hat“, so der Gerichtssprecher.

Nach seinen Worten ist es aber auch möglich, dass Haubs Brüder und die Tengelmann-Gruppe ihren Antrag auf Todeserklärung zurückziehen. „Die Zustimmung der anderen Beteiligten zur Antragsrücknahme ist vor der Todeserklärung nicht erforderlich“, betont Amtsrichter Steinebach. Die Brüder hatten den Antrag gegen den erklärten Willen von Frau Katrin und ihrer Zwillinge Viktoria und Erivan gestellt. Katrin Haub bezeichnete das Vorgehen gegenüber unserer Redaktion seinerzeit als „anmaßend“.

Streit um das Erbe Karl-Erivan Haubs

Der Antrag auf Todeserklärung war der bisherige Höhepunkt im erbitterten Familienstreit um das milliardenschwere Erbe von Karl-Erivan Haub, vor allem aber über dessen Drittel-Anteil an der Unternehmensgruppe Tengelmann mit über acht Milliarden Euro Umsatz und 90.000 Beschäftigten. Inzwischen versuchen die beiden Staranwälte Mark Binz für die Seite von Firmenchef Christian Haub und Peter Gauweiler für Katrin Haub und ihre Kinder einen Kompromiss-Vorschlag auszuarbeiten. Ohne das Verfahren auf Todeserklärung, so heißt es, habe man mehr Zeit auf dem Weg zu einer Einigung. Denn sobald ihr Vater für tot erklärt ist, kommt auf die beiden Kinder eine gewaltige Erbschaftssteuer-Forderung der Bundesrepublik Deutschland und der USA zu, weil die Haubs beide Staatsangehörigkeiten haben. In Summe könnte laut Insidern auf die 27-Jährigen die Zahlung von bis zu 700 Millionen Euro zukommen.