Essen. Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz entwickelt Pläne zur Abspaltung des Stahlgeschäfts. Das will die Managerin bei der Hauptversammlung berichten.

Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz erwägt, das traditionsreiche Stahlgeschäft mit großen Werken in Duisburg, Bochum und Dortmund vom Konzern abzuspalten. Dies will Merz laut Redetext bei der Hauptversammlung am kommenden Freitag berichten. Eine Ausgliederung der Sparte könne eine Alternative zu einem Verkauf an den britischen Konzern Liberty Steel sein, betont Merz in ihrer Rede. Thyssenkrupp wolle sich „nicht von Dritten abhängig“ machen und arbeite daher „mit Hochdruck an einer Alternativlösung“.

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Möglich seien dabei „zwei Varianten“: zum einen die Fortführung des Stahlgeschäfts als Teil der Thyssenkrupp-Gruppe – „und zum anderen eine Abspaltung, auf Englisch ein Spin-Off des Stahlgeschäfts“, so Merz. „Dabei ist uns klar, dass beides anspruchsvoll ist. Aber beides kann für das Geschäft eine attraktive Lösung sein. Dafür müssen allerdings viele Voraussetzungen erfüllt sein und die prüfen wir gerade sehr sorgfältig.“ Das Management von Thyssenkrupp wolle zur Zukunft des Stahls – wie angekündigt – im März eine Entscheidung treffen.

Mit Blick auf das Übernahmeangebot von Liberty Steel erklärt Merz: „Dieses Angebot ist vereinbarungsgemäß weiterhin kein bindendes Angebot. Im Angebot gibt es zu einer Reihe komplexer Themen noch Klärungsbedarf.“

https://www.waz.de/podcast/wirtschaftsreporter/wie-legitim-ist-ein-sonderbonus-an-den-vorstand-trotz-krise-id231433519.htmlDem Vernehmen nach wirbt der britisch-indische Eigentümer von Liberty Steel, Sanjeev Gupta, damit, er wolle alle Standorte von Thyssenkrupp erhalten, auch das von der Schließung bedrohte Werk in Bochum. Ziel sei eine bessere Auslastung der Anlagen, heißt es. Zudem habe der Unternehmer seinen finanziellen Spielraum erweitert, um selbst in einem konjunkturell schwierigeren Umfeld genug Kapital für das Stahlgeschäft bereitstellen zu können.

Früherer IG Metall-Chef: „Gupta hat ordentliches industrielles Konzept vorgelegt“

Der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der Vize-Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp Steel ist, bestätigt, dass neben einem Verbleib der Sparte im Konzern sowie einem möglichen Zusammenschluss mit Liberty auch eine Abspaltung zu den Optionen des Managements gehört. „Alle drei Konzepte stehen zur Debatte“, sagte Wetzel am Montag (1. Februar) im Gespräch mit unserer Redaktion. „Entscheidend ist: Für alle drei Konzepte ist viel Geld erforderlich, um das Unternehmen lebensfähig zu halten.“

Das Übernahmeangebot für Thyssenkrupp Steel kommentiert Wetzel mit den Worten: „Gupta hat ein ordentliches industrielles Konzept vorgelegt, das es zu prüfen gilt. Aber offen ist die Finanzierung. Gupta muss nachweisen, dass er das Geld hat und liefern kann.“ Generell gelte für Thyssenkrupp Steel: „Es gibt keine beste Lösung mehr, sondern nur noch weniger schlechte.“

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Vorstandschefin Merz betont bei der Hauptversammlung, sie wolle Thyssenkrupp weiter konsequent sanieren. „Wir machen aus Thyssenkrupp eine Unternehmensgruppe mit wettbewerbsfähigen Geschäften und zukunftsfähigen Produkten“, hebt sie bei der virtuellen Hauptversammlung hervor. „Nachhaltige Profitabilität und ein nachhaltig positiver Cashflow sind die Maßstäbe, an denen wir uns messen lassen wollen.“ Nur dann seien „zukunftssichere Arbeitsplätze“ möglich.

Knapp 4000 der angekündigten 11.000 Arbeitsplätze schon abgebaut

Bei der Sanierung des Konzerns mit seinen rund 100.000 Beschäftigten gebe es Fortschritte, berichtet Merz. „In allen Segmenten sind wir gut unterwegs, die Performance unserer Geschäfte zu steigern.“ Dazu gehöre auch Stellenabbau. „Per Ende Dezember wurden bereits knapp über 4000 der angekündigten 11.000 Stellen abgebaut, wozu wir mit den Mitbestimmungsgremien vor Ort sozialverträgliche Regelungen getroffen haben“, so Merz. „Der Personalabbau ist sehr schmerzhaft für uns alle. Für eine erfolgreiche Zukunft von Thyssenkrupp sind diese Maßnahmen aber unvermeidlich.“

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Auch Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm will sich während der virtuellen Hauptversammlung ausführlich äußern, wie aus dem vorab veröffentlichten Redetext hervorgeht. „Thyssenkrupp ist heute ein deutlich stärkeres Unternehmen als vor einem Jahr – und das trotz des heftigen Gegenwindes durch Corona“, betont Russwurm, der auch BDI-Präsident ist.

Demonstrativ stärkt er Vorstandschefin Merz und dem Management den Rücken: „Ich möchte mich an dieser Stelle im Namen des Aufsichtsrats aber auch ausdrücklich beim Vorstand bedanken. In einer der schwierigsten Situationen der Unternehmensgeschichte haben Sie Herausragendes geleistet.“

Russwurm verteidigt umstrittene Sondervergütung

Offensiv verteidigt Russwurm auch die umstrittene Sondervergütung in Höhe von 500.000 Euro für die Vorstandschefin und jeweils 200.000 Euro für ihre Vorstandskollegen Klaus Keysberg und Oliver Burkhard. „Der Aufsichtsrat hat diese Entscheidungen einstimmig getroffen und ist nach wie vor der Meinung, dass diese so richtig war“, so Russwurm. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat angesichts der Sondervergütung erklärt, den Aufsichtsrat nicht entlasten zu wollen – eine scharfe Form der Missbilligung während einer Hauptversammlung.

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Im aktuellen Geschäft sieht Vorstandschefin Merz Anzeichen einer Erholung. „In das neue Geschäftsjahr sind wir mit Rückenwind gestartet“, berichtet sie. „In vielen Bereichen spüren wir erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung – trotz des neuerlichen Lockdowns.“ Mit Blick auf den Umbau des Konzerns bittet Merz die Aktionäre um Geduld. „Unsere Ziele sind nicht über Nacht zu erreichen, nicht im Alleingang und vor allem nicht ohne Anstrengung. Ein solch komplexer Veränderungsprozess braucht Zeit.“ Sie sei sich „bewusst, dass der Umbau von Thyssenkrupp allen Beteiligten viel abverlangt“.