Essen. Die Sondervergütung für den Thyssenkrupp-Vorstand stößt auf Unverständnis. Arbeitnehmervertreter der Stahlsparte gegen Boni.
Nach Kritik an einer Sondervergütung für den Thyssenkrupp-Vorstand mitten in der Corona-Krise wird in der Politik der Ruf nach Konsequenzen im Fall staatlicher Hilfen für den angeschlagenen Konzern laut. „Steuergelder dürfen nicht leichtfertig vergeben werden“, sagte die nordrhein-westfälische Grünen-Vorsitzende Mona Neubaur unserer Redaktion. Als Bedingung für einen Einstieg des Bundes über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) nannte Neubaur einen Verzicht auf derartige Bonus-Zahlungen. „Noch ist es das Geld der Aktionäre, das für fragwürdige Zwecke ausgegeben wird. Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler darf ausschließlich dazu verwendet werden, den Konzern fit für die Zukunft zu machen.“
Wie aus der Thyssenkrupp-Bilanz hervorgeht, erhält der Vorstand eine Sondervergütung für die Arbeit im Geschäftsjahr 2019/2020. Zur Begründung heißt es, das Management habe „Außergewöhnliches geleistet“, so etwa beim Verkauf der Aufzugsparte. Der von Siegfried Russwurm geführte Aufsichtsrat sprach Vorstandschefin Martina Merz eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 500.000 Euro zu. Ihre Vorstandskollegen Oliver Burkhard und Klaus Keysberg bekommen jeweils 200.000 Euro extra. Aktionärsschützer und Vertreter von Investoren reagierten mit scharfer Kritik.
Arbeitnehmervertreter im Stahl-Aufsichtsrat gegen Bonus
Am Dienstag (1. Dezember) traf sich der Aufsichtsrat der Stahlsparte zu Beratungen. Dabei war dem Vernehmen nach auch die Vergütung des Vorstands ein Thema. Arbeitnehmervertreter hätten sich klar gegen Bonuszahlungen für den Stahlvorstand ausgesprochen, verlautete aus Konzernkreisen. Pläne für Boni seien von der Arbeitnehmerseite abgelehnt worden.
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Seit Monaten befindet sich Thyssenkrupp in einer schwierigen Lage. Nach immensen Verlusten hat der Vorstand das größte Stellenabbau-Programm in der Geschichte des Unternehmens auf den Weg gebracht. Statt der bisher geplanten 6000 Stellen will das Management insgesamt 11.000 Arbeitsplätze streichen. Die Aktionäre sollen einmal mehr keine Dividende erhalten. Möglicherweise ist die Stahlsparte auf staatliche Hilfen angewiesen.
„Am Ende geht es auch um Glaubwürdigkeit“
„Wenn der Staat hilft, in welcher Form auch immer, muss auch das Management einen Beitrag leisten – und zwar auch einen finanziellen Beitrag“, betont der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke, der in NRW an der Spitze der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) steht. In einer Krise werde Opferbereitschaft von der Belegschaft verlangt. Daher müsse die Konzernführung ebenfalls mit gutem Beispiel vorangehen. „Am Ende geht es auch um Glaubwürdigkeit“, mahnt Radtke.
Ähnlich äußert sich Sarah Philipp, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Landtagsfraktion. „Wasser predigen und Wein trinken, das ist aus meiner Sicht instinktlos und inakzeptabel“, sagt sie. „So verspielt man Vertrauen bei den Menschen. Dabei ist das in einer solchen Krise die wichtigste Währung.“
Sondervergütung mit Verweis auf Elevator-Deal
In einem internen Infoschreiben der Thyssenkrupp-Führung an die Mitarbeiter wird die Sondervergütung insbesondere mit dem Verkauf der Aufzugsparte begründet. Beim Elevator-Deal sei ein „Rekordpreis“ erzielt worden. „Erst damit war der weitere Umbau des Unternehmens möglich“, heißt es in dem Schreiben. „Diese Leistung wollte der Aufsichtsrat auf jeden Fall honorieren und hat entschieden, eine Sondervergütung für den Vorstand zu gewähren.“
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler kritisiert die Sondervergütung mit scharfen Worten: „Frau Merz und der neue Vorstand haben jetzt seit über einem Jahr Verantwortung für den Thyssenkrupp-Konzern. Aufgrund von Managementfehlern in der Vergangenheit musste Elevator in dieser Zeit notgedrungen und bedauerlicherweise verkauft werden. Das ist dem Vorstand nicht vorzuwerfen, rechtfertigt aber keine Sondervergütung“, sagte Giesler unserer Redaktion. Für die Zukunft müsse gelten: „Boni gibt es nur bei wirklichen Zukunftsperspektiven für Standorte, Beschäftigte durch Investitionen und Innovationen. Die Schonfrist für Frau Merz und den neuen Vorstand ist vorbei.“
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Laut Zufluss-Tabelle in der Konzernbilanz kann Vorstandschefin Merz insgesamt für ihre Arbeit bei Thyssenkrupp im vergangenen Geschäftsjahr mit rund 2,44 Millionen Euro rechnen. Bei Keysberg sind es 1,6 Millionen Euro, bei Burkard 1,15 Millionen Euro.
„So wenig Fingerspitzengefühl zu beweisen, schadet dem Konzern“
Die Geschäftsentwicklung von Thyssenkrupp sei „maßgeblich durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt“ und „absolut nicht zufriedenstellend“ gewesen, heißt es in dem Schreiben der Konzernführung an die Mitarbeiter. „Die Konsequenz war, dass alle Vorstandsmitglieder für das Geschäftsjahr 2019/2020 keine Tantieme erhalten haben. Oder etwas salopper ausgedrückt: Der Bonus war gleich null.“ Der Verkauf der Aufzugsparte sei indes „eine herausragende Leistung des Vorstands und aller Beteiligten, die auch gewürdigt werden sollte. Das ist eine Form der Fairness“, wurde mit Blick auf die Sondervergütung betont.
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Sarah Philipp gibt zu bedenken, dass derzeit tausende Thyssenkrupp-Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze bangen. „Dass das aktuelle Führungsteam und der Aufsichtsrat in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage so wenig Fingerspitzengefühl beweisen, schadet dem Konzern“, kommentiert Mona Neubaur. „Besonders Topverdiener bei Thyssenkrupp müssen ihren Teil zur Krisenbewältigung beisteuern.“
„Wir werden alles hinterfragen“
Bei der Präsentation der Bilanz hatte Vorstandschefin Merz betont, wie wichtig Kostensenkungen für den Konzern seien. „Wir haben im Frühjahr jeden Stein umgedreht. Aber im Zweifel heben wir die jetzt noch mal an und schauen noch mal drunter“, sagte die Managerin. „Wir werden alles hinterfragen – auch bei den Kosten darf es keine Denkverbote mehr geben. Wir werden nicht ruhen, bis wir ein Maßnahmen-Set beieinanderhaben, das unseren Ansprüchen genügt. Das meine ich mit ,in den roten Bereich‘ gehen. Da muss jetzt auch mal über bisherige Tabus gesprochen werden.“
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Der Thyssenkrupp-Vorstand ist im zurückliegenden Geschäftsjahr von vier auf drei Mitglieder verkleinert worden. Finanzchef Johannes Dietsch, der einen bis Ende Januar 2022 laufenden Vertrag hatte, schied aus. Der Aufsichtsrat habe sich mit dem Manager darauf verständigt, dass dieser einvernehmlich sein Mandat niederlege, heißt es im Geschäftsbericht: „Zur Kompensation vertraglicher Ansprüche erhielt Johannes Dietsch eine Ausgleichszahlung in Höhe von 801.667 Euro.“