Düsseldorf/Essen. Sofortzahlungen nach der Diagnose und Versprechungen wie bessere Vorsorge: Krebsversicherungen sind ein junges Geschäftsmodell – und umstritten.

Eine halbe Millionen Neuerkrankte in Deutschland jedes Jahr: Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens die Diagnose Krebs zu erhalten, ist hoch – und das haben längst auch Versicherungsunternehmen für sich entdeckt. In den vergangenen Jahren haben Krebszusatzversicherungen immer häufiger den Weg in die Tarifkataloge diverser Anbieter gefunden. In Augen von Verbraucherschützern ist das ein Ärgernis. Für sie sind die Versicherungsmodelle nicht mehr als „ein Spiel mit der Angst“.

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Kern einer Krebsversicherung ist meist eine einmalige Sofortzahlung. Sobald ein bösartiger Tumor beim Versicherungsnehmer festgestellt wird, leistet der Anbieter. Die Höchstversicherungssummen liegen zwischen 10.000 (Münchener Verein, Advigon) und 100.000 Euro (Interrisk) – Beiträge, die vor den finanziellen Folgen einer Krebserkrankung, etwa durch mögliche Verdienstausfälle, absichern sollen. Häufig reicht der Versicherungsschutz nur bis zum 70. Lebensjahr.

Berufsunfähigkeitsversicherung als bessere Option

Für Versicherungsexpertin Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale NRW ist das einmalige Diagnosegeld „meist nicht für die Existenzsicherung geeignet.“ Mit Beträgen von 10.000 Euro könne maximal ein bisschen Zeit gewonnen werden. „Es ist der Aufschub einer finanziellen Katastrophe, die im Falle einer Berufsunfähigkeit durch eine Krebserkrankung drohen kann.“

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Weidenbach empfiehlt deshalb, eine Krebszusatzversicherung maximal dann als Zusatzleistung abzuschließen, wenn man bereits ausreichend abgesichert ist. „Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist immer noch die beste Möglichkeit.“ Allerdings kann sich die nicht jeder leisten, während Anbieter von Krebsversicherungen gerne auf die Erschwinglichkeit ihrer Tarife verweisen. Tatsächlich gibt es den Versicherungsschutz schon ab 9 Euro.

Welche Anbieter es gibt

Zu den Anbietern von Krebsversicherungen zählen Advigon, Getsurance, Interrisk, der Münchener Verein und die Würzburger. Getsurance, Interrisk und die Würzburger setzten vor allem auf einmalige Sofortzahlungen. Advigon bietet auch Tarife, die eine bessere Vorsorge, stationäre oder ambulante Behandlung versprechen. Auch der Münchener Verein übernimmt nach eigener Aussage Vorsorgemaßnahme, die über die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen.

Bei kleinerem Portemonnaie empfiehlt Weidenbach dennoch, von einem „punktuellen Versicherungsschutz“ wie einer Krebsversicherung Abstand zu nehmen. „Was ist, wenn man statt Krebs aufgrund eines schweres Rückenleidens oder einer psychischen Erkrankung lange ausfällt? Dann hat man völlig umsonst jahrelang gezahlt.“ Die Versicherungsexpertin rät, sich lieber mit sogenannten Dread-Disease-Versicherungen auseinanderzusetzen, die verschiedene schwere Krankheiten abdecken – also neben Krebs etwa auch Herzinfarkte oder Schlaganfälle.

Bessere Vorsorge dank Zusatzversicherung?

Neben Sofortzahlungen stellen einige Anbieter von Krebsversicherungen auch eine bessere Vorsorge in Aussicht. Vor allem die Hansemerkur-Tochter Advigon verspricht eine „optimierte Vorsorgeuntersuchung“.“ Beispielsweise bietet Advigon ab dem 14. Lebensjahr die Übernahme der regelmäßigen Hautkrebs-Vorsorge an, für die der gesetzliche Versicherer im Normalfall erst ab dem 35. Lebensjahr aufkommt.

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Andrea Hahne vom Vorstand des BRCA-Netzwerks, einer Hilfsorganisation für Familien mit genetisch bedingten Krebsrisiken, hält die gesetzlichen Leistungen bei der Früherkennung für ausreichend. „Auch bei den Sonderprogrammen für Menschen mit einem erhöhten Krebsrisiko sind wir sehr gut aufgestellt.“ Eine unnötige Vorsorge könne dagegen „für Unruhe“ sorgen, etwa wenn ein falscher positiver Befund herauskomme – bei Mammographie-Screening für die Früherkennung von Brustkrebs laut Hahne keine Seltenheit. „Früherkennung sollte nutzen und nicht schaden. Da darf es keinen Wildwuchs geben.“

Versicherer versprechen bessere Therapie

Es gibt aber nicht nur die Versprechungen einer besseren Vorsorge, auch wirbt Advigon mit Vorteilen durch „neueste Verfahren und Spitzenmedizin“ in der Therapie. Übernommen werden Kosten für Therapieverfahren, „die von der GKV in der Regel nicht gezahlt werden“, heißt es von Sprecherin Gabriele Rolfe. Als Beispiele nennt Rolfe naturheilkundliche Begleittherapien oder Gentests, sofern letztere medizinisch erforderlich sind.

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„Grundsätzlich erhält jeder Patient von den gesetzlichen Krankenkassen alle medizinisch notwendigen und sinnvollen Leistungen wie Bestrahlung, Chemo, Operationen sowie Rekonstruktionen wie zum Beispiel Brustwiederherstellung“, sagt Andrea Hilberath, NRW-Sprecherin der Techniker Krankenkasse. Zudem würden inzwischen viele gesetzliche Kassen über besondere Versorgungsverträge Zugänge zu modernsten Behandlungsmöglichkeiten in der Krebstherapie ermöglichen. Lediglich ergänzende Methoden könnten in der Regel nicht von der GKV übernommen werden – etwa Misteltherapien, Heilkräuter oder Entspannungsverfahren.

Keine schnelleren Termine für Zusatzversicherte

Auch bei den Ev. Kliniken Essen Mitte ist man überzeugt, dass ein möglicher Krebspatient vom Gesetz her hinreichend versorgt wird. Für die bestmögliche Therapie sei deshalb nicht die Wahl einer Zusatzversicherung, sondern die Wahl der richtigen Klinik durch den Patienten entscheidend. „Im Zeitalter der Spezialisierung wird ein Patient darauf achten, dass einem Ärzteteam durchgeführt wird, das auf aktuellstem Wissenstand agiert“, meint Sabine Loh, Sprecherin der Kliniken-Mitte. Auch die Häufigkeit einer bestimmten Behandlung sei hier ein wichtiger Faktor – über den jeder Patient in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser hinreichend informiert werde.

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Für Jens Siveke vom Direktorium des Westdeutschen Tumorzentrums (WTZ) der Universitätsmedizin Essen sind die Leistungen der GKV bei der Krebstherapie zwar ebenfalls sinnvoll. Ob sie auch ausreichend sind, könne man aber nicht generell sagen. Dass Krebsversicherungen mögliche Lücken füllen, habe man dabei nicht erlebt. „Diese Zusatzversicherungen spielen für unsere Behandlungsangebote keine Rolle“, so der Onkologie-Professor. „Mir ist nicht bekannt, dass derartige Versicherungen zu schnelleren Terminen und besseren Behandlungsmöglichkeiten führen.“