Düsseldorf. Die Techniker Krankenkasse experimentiert im eigenen Haus mit Telemedizin – und übernimmt in Essen Kosten für Experimente in der Krebstherapie.

Telemedizin, virtuelle Kliniken, neue Krebstherapien – es tut sich viel im Gesundheitswesen. Wie blickt die größte gesetzliche Krankenkasse auf die rapiden Entwicklungen in Bund und Land? Thomas Ballast, Vize-Chef der Techniker Krankenkasse, im Interview.

Krebstherapien werden stets spezifischer, nur wird nicht jede vielversprechende Therapie von den Kassen finanziert. Sind Sie ein Verhinderer von Innovation?

Thomas Ballast: Krebstherapien gestalten sich in der Tat immer individueller. Die Zielgruppen neuer Medikamente werden kleiner, was zu hohen Preisen führt. Dennoch ist für uns klar: Wenn ein Medikament einen deutlichen Nutzen hat, werden die Kassen keine Vorbehalte haben. Schwierigkeiten gibt es bei minimalen Versprechungen. Viel erwarten wir dagegen von einer Methode, die an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte erprobt wird. Wir haben einen Vertrag mit der dortigen gynäkologischen Onkologie geschlossen, um Patientinnen zu helfen, die an wiederkehrendem Eierstock-, Eileiter- oder Bauchfellkrebs leiden. Auch das Essener Unternehmen Molecular Health ist beteiligt.

Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse, hat „Sympathie“ für die Reformpläne in der NRW-Krankenhauslandschaft.
Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse, hat „Sympathie“ für die Reformpläne in der NRW-Krankenhauslandschaft. © Techniker Krankenkasse

Worum geht es dabei genau?

Das Stichwort lautet Präzisionsmedizin. Dabei werden mit einem Gentest die Molekularbausteine des Patienten genau untersucht. Seine individuelle Situation wird dann mit einer Datenbank verglichen, in der alle Studien zu seinem Krankheitsbild zusammengeführt sind. So soll die optimale Therapie gefunden werden. Das kann Patienten in schwieriger Lage Hoffnung geben. Man muss aber zugeben: Es ist ein Experiment. Wie viele Patienten profitieren werden, lässt sich noch nicht sagen.

Experimente laufen bei Ihnen gerade auch bei der Telemedizin. Ab Dezember können sich TK-Mitarbeiter über eine Video-App behandeln lassen. Wann wird das für die restlichen Versicherten Standard sein?

In naher Zukunft. Wir testen erst mit unserem Personal, um Erfahrungen zu sammeln. Wichtig ist, dass man einen Gesamtprozess schafft – also nicht nur die Behandlung, sondern auch Krankschreibung und Medikamentenbestellung digitalisiert. Es muss wie eine virtuelle Praxis sein. Wenn ich nur mit dem Arzt chatte und doch eine Verordnung brauche, müsste ich wieder in die Praxis rennen. Das macht keinen Sinn.

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In NRW feilt Minister Laumann an einer „virtuellen Klinik“. Wofür brauchen Sie die Politik, wenn Sie selbst virtuelle Praxen öffnen?

Die Politik muss die Rahmenbedingungen setzen. Wir möchten mit der Fernbehandlung einen hohen Mehrwert der Digitalisierung in den Versorgungsalltag bringen. Denken Sie an Regionen mit geringer Arztdichte. Welche Erleichterung ist es für die Menschen, wenn sie sich per Smartphone ärztlich beraten lassen können, ihre Krankschreibung und ihr Rezept digital erhalten, statt kilometerweit zu fahren, um in einem überfüllten Wartezimmer zu sitzen.

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Laumann will auch mit dem neuen Krankenhausplan „Geschichte schreiben“. Im Bundesland soll es insgesamt weniger, dafür mehr spezialisierte Kliniken geben. Wie blicken Sie auf die Pläne in NRW?

Mit Sympathie. Es ist wichtig, dass man einerseits die Grundversorgung sichert, anderseits Spezialleistungen mehr konzentriert und professionalisiert. NRW hat in manchen Regionen, besonders dem Ruhrgebiet, gute Voraussetzungen dafür, weil die Krankenhausdichte teils sehr hoch ist und es viel Potenzial für Zusammenlegungen von Standorten gibt. Man kann hier Erfahrungen sammeln, die sich auf das gesamte Bundesgebiet anwenden lassen.

Auf Bundesebene wurde jüngst die Reform des medizinischen Dienstes (MDK) beschlossen. Nun sollen Strafzahlungen fällig werden, wenn der MDK Fehler bei Klinikrechnungen feststellt. Die Kliniken schimpfen, sie würden kriminalisiert…

Es geht darum, ein Gleichgewicht herzustellen und das Rechnungswesen zu entlasten. Wir begrüßen diese Möglichkeit zur Sanktionierung. Kliniken werden sich jetzt gut überlegen, ob sie bei einer Rechnung nachjustieren, damit sie mehr in Rechnung stellen können.

Wie lässt sich der ständige Konflikt um Abrechnungen zwischen Kassen und Kliniken lösen?

Was wir bräuchten, wäre eine Art Vertrauensstelle für die Überprüfung von Rechnungen. Ein Zertifizierer müsste bereits im Moment der Rechnungserstellung prüfen, ob die Rechnung in Ordnung ist. Es müsste ablaufen wie beim Zahlen mit Kreditkarten, wobei sich Zahlungsempfänger und Zahlender direkt auf den Vorgang einigen. Unser Ziel ist, 2020 ein Modell dafür zu entwickeln.