Berlin. Frank Bsirske, der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, befürchtet schärfere Verteilungskämpfe und härtere soziale Auseinandersetzungen unter der neuen Regierung. Dagegen sollen sich die Arbeitnehmer wehren.

Bereits vor Beginn der Koalitionsverhandlungen hat der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, zum Protest gegen die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung aufgerufen. «Die Verteilungskämpfe drohen sich zuzuspitzen. Es ist Zeit, aufzustehen!», schrieb Bsirske in der «taz» (Freitagsausgabe). Die künftigen Koalitionspartner CDU,CSU und FDP zurrten unterdessen ihre Verhandlungspositionen fest.

CDU und CSU legten am Donnerstagabend ihre interne Marschroute fest. Die Schwesterparteien hätten sich auf «wesentliche Punkte» verständigt, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder nach der mehr als vierstündigen Sitzung im Kanzleramt. Demnach sollen zehn Arbeitsgruppen eingesetzt werden, «um die einzelnen Sachbereiche zu besprechen». Die Union sei sich in allen Punkten einig und gehe davon aus, dass man die Verhandlungen bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestages am 27. Oktober abschließen könne. Kauder sprach von einer «harmonischen Sitzung».

Söder: "Der Wahlkampf ist vorbei"

Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer äußerte nach dem Treffen die Hoffnung, dass die Union mit der FDP «sehr zügig zu einem unterschriftsreifen Koalitionsvertrag» kommen werde. Der bayrische Umweltminister Markus Söder, der in den Verhandlungen mit dabei sein wird, warnte die künftigen Partner im ARD-Morgenmagazin vor verbaler Aufrüstung. «Der Wahlkampf ist vorbei», sagte er.

Bsirske äußerte die Befürchtung, dass sich die Probleme unter Schwarz-Gelb nicht lösten, sondern verschärften. «Wir müssen damit rechnen, dass soziale Auseinandersetzungen sich zuspitzen», schrieb er in der «taz». Er wandte sich vor allem gegen die Vorstellungen der FDP. Nach seiner Ansicht bedeutet das Programm der FDP: «Steuern runter, den Sozialstaat aushöhlen, mehr Industrieförderung, weniger Arbeitnehmerrechte, weniger Umweltschutz und vor allem: kein wirksames Rezept gegen Lohndumping.»

Kündigungsschutz soll warten

Die FDP beharrte unterdessen auf Änderungen beim Kündigungsschutz. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der dem Team der Liberalen für die Koalitionsverhandlungen angehört, sagte der «Berliner Zeitung»: «Wir wollen den Kündigungsschutz lockern für diejenigen, die neu eingestellt werden.»

Unionsfraktionschef Volker Kauder lehnte diese Forderung strikt ab. «Ich kann nicht erkennen, dass der Kündigungsschutz jetzt ein wichtiges und notwendiges Thema ist», sagte er dem «Hamburger Abendblatt». Außerdem lehnte er Korrekturen an der Gesundheitsreform der Großen Koalition ab. «Ich hoffe sehr, dass wir die FDP in den Verhandlungen von der Güte des Gesundheitsfonds überzeugen können», sagte er.

Streitthema Steuern

In Sachen Steuern betonte Kauder: «Wir halten unsere Zusage ein, die sogenannte kalte Progression zu dämpfen.» Dies bedeute jährliche Steuermindereinnahmen von etwa 15 Milliarden Euro. Mit einem Wirtschaftswachstum um mindestens 0,8 Prozent lasse sich dies gegenfinanzieren.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lehnte die Steuersenkungspläne der FDP als zu weitgehend ab. «Man muss realistisch sehen, dass Steuersenkungen in einem höheren zweistelligen Milliardenbereich, also solche, wie sie sich die FDP vorstellt, nicht finanzierbar sind», sagte Oettinger dem «Handelsblatt». (ap)