Essen. Mit Druck und findigen Tricks senken Arbeitgeber den Lohn für viele Beschäftigte in Dienstleistungsberufen. Besonders schikanös werden 400-Euro-Kräfte behandelt. Viele von ihnen müssen vor und nach der Arbeitszeit unentgeltlich putzen.

Besorgt beobachten Gewerkschafter, wie in vielen Branchen mit Druck auf die Beschäftigten und findigen Konstruktionen Löhne gesenkt und vereinbarte Tarife umgangen werden. Im Bäckereihandwerk etwa gelte ein unterer Tariflohn von 7,60 Euro, sagt Yvonne Sachtje von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). „Vor allem 400-Euro-Kräften werden oft aber nur zwischen 5,50 und 6,50 Euro gezahlt, so dass die immer mehr Stunde kloppen müssen, um auf 400 Euro zu kommen.” Und dabei handle es sich nicht um Einzelfälle, betont Sachtje, die als Geschäftsführerin des NGG- Regionalbüros Ruhr arbeitet.

Für Urlaub soll vorgearbeitet werden

Ganz allgemein werde mit 400-Euro-Kräften, deren Zahl zu Lasten regulär Beschäftigter stetig zunehme, besonders schikanös umgegangen. „Da heißt es: Du bist bloß Aushilfe, wenn Du Urlaub willst, arbeite vor.” Dabei hätten selbstverständlich auch geringfügig Beschäftigte einen Urlaubsanspruch, gleiches gelte für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die ihnen mancher Arbeitgeber streitig machen wolle. Üblich sei es in vielen Bäckereifilialen auch, die Beschäftigten jeweils eine halbe Stunde vor Öffnung und eine halbe Stunde nach Geschäftsschluss zu Reinigungsarbeiten heranzuziehen - unentgeltlich. „Das steht natürlich in keinem Vertrag, da wird einfach so getan, als sei es normal, umsonst den Laden zu putzen.”

Dass Tarife dreist unterschritten werden, erlebt Sachtje auch immer wieder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Dort gelte für etwa 90 Prozent der Mitarbeiter der Stundenlohn von mindestens 7,63 Euro, den NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im vergangenen Jahr für allgemein verbindlich erklärt hatte. Dennoch erhalten viele Beschäftigte ein bis zwei Euro weniger pro Stunde. Dank des ministeriellen Segens hat die NGG hier aber einen tariflichen Mindestlohn und damit eine Handhabe gegen Lohndumping. „Werden uns Verstöße gemeldet, wenden wir uns an die Arbeitgeber und fordern den ausstehenden Lohn zurück.” Rückwirkend für drei Monate ist das möglich, Betroffene sollten sich also rasch an die Gewerkschaft wenden.

Tarif wird Schritt für Schritt ausgehöhlt

„In Krisenzeiten steigt die Zahl der Billigheimer unter Arbeitgebern”, weiß auch der Essener Verdi-Sprecher Jürgen Poweleit. Mancher Unternehmer, der die Löhne senken wolle, drohe mit Austritt aus dem Arbeitgeberverband. Einige Verbände bieten aber eine Art „Mitgliedschaft light” an: „Der Unternehmer darf OT, ohne Tarifbindung, im Verband bleiben.” Wächst die Zahl solcher Mitglieder, warnt Poweleit, werde der Tarif Schritt für Schritt ausgehöhlt.