München. Die verbliebenen Aktionäre der Hypo Real Estate wehren sich mit ganzem Einsatz gegen ihre Zwangsabfindung. Auf der Hauptversammlung kam es zu Tumulten. Der Aufsichtsrat holte die Polizei zu Hilfe. Die HRE soll komplett verstaatlicht werden.
Unmittelbar vor der vollständigen Verstaatlichung der Hypo Real Estate hat Vorstandschef Axel Wieandt den Steuerzahlern eine Hiobsbotschaft verkündet. Wegen fauler Immobilienkredite und Wertpapiere brauche die Pfandbriefbank vom Bund bis 2011 noch weitere sieben Milliarden Euro. Die Hilfe werde wohl «nicht vollständig zurückgeführt werden», sondern teilweise durch Verluste aufgezehrt werden, sagte Wieandt am Montag auf der Hauptversammlung in München.
Der staatliche Rettungsfonds SoFFin hält bereits 90 Prozent der HRE-Aktien und hat damit die notwendige Mehrheit, um die noch verbliebenen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung von 1,30 Euro je Anteil auszuschließen. Anschließend will der SoFFin die Bank von der Börse nehmen und sanieren.
Trotzdem empörten sich viele der 1.300 anwesenden Kleinaktionäre über den «Rauswurf» und machten mit Buhrufen und Pfiffen ihrer Wut über den bevorstehenden Zwangsausschluss Luft.
Auf der Sitzung kam es auch zu tumultartigen Szenen. Aufsichtsratschef Bernd Thiemann versuchte vergebens, einen Aktionär, der sich unerlaubt ans Rednerpult gestellt hatte, vom Podium zu weisen. Rund 50 Aktionäre scharten sich darauf um das Rednerpult und skandierten: «Thiemann raus!»
Während der Aufsichtsratschef die Hauptversammlung für 15 Minuten unterbrach, ließ sich der verhinderte Redner von Ordnern aus dem Saal geleiten. Anschließend wurde die Debatte fortgesetzt. Die zur Hilfe gerufene Polizei griff nicht ein.
DSW kündigt Klage an
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf dem Bund eine völlig unnötige «kalte Enteignung» vor. Der Bund brauche keine 100 Prozent, er betrüge die Aktionäre um eine faire Abfindung, und er verweigere ihnen ein Vorkaufsrecht bei einer späteren Privatisierung der HRE, sagte die Aktionärsschützerin und kündigte Klagen an. «Wir wollen keine Almosen, wir wollen fair behandelt werden», forderte Bergdolt. Ein Kleinaktionär sagte unter Tränen: «Heute verlier ich meine Altersversorgung.» Ein anderer sprach von «Bankraub ohne Pistole».
Wieandt sagte, nur die vollständige Verstaatlichung könne die systemrelevante Pfandbriefbank vor der Pleite retten. Seit einem Jahr könne die HRE nur mit den Liquiditätshilfen des Bundes und eines Bankenkonsortiums «die Zahlungsunfähigkeit vermeiden», und das werde noch Jahre so bleiben.
Zusätzlich zu den bereits gezahlten drei Milliarden Euro sei bis 2011 ein «weiterer Kapitalbedarf von sieben Milliarden Euro» notwendig. Allein bis September nächsten Jahres erwarte er eine «Kapitallücke von 4,2 Milliarden» Euro, und «zusätzlich ist eine Risikoreserve nötig», erklärte der Vorstandschef. Bis Ende 2011 seien allein für faule Immobilien- und Infrastrukturfinanzierungen 4,9 Milliarden Euro an Abschreibungen zu erwarten.
Unternehmenswert unter null
«Wir gehen weiterhin nicht davon aus, dass wir vor 2012 wieder in die Gewinnzone zurückkehren können», sagte Wieandt. Man müsse davon ausgehen, dass das vom SoFFin zur Verfügung gestellte «Kapital nicht vollständig zurückgeführt werden wird, sondern teilweise durch Verluste der Gesellschaft aufgezehrt werden wird».
Die Abfindung sei angemessen, weil der Unternehmenswert ohne Staatshilfen noch weniger als null wäre. Das hätten gerichtlich bestellte Gutachter bestätigt, betonte der HRE-Chef.
Die meisten HRE-Aktionäre hatten schon im Frühjahr das freiwillige Übernahmeangebot des SoFFin angenommen und 1,39 Euro je Aktie erhalten. Zu den verbliebenen Aktionären gehört der US-Investor Christopher Flowers. Er hatte im Sommer 2008 für eine Milliarde Euro ein Viertel der HRE-Anteile gekauft und würde jetzt noch rund 40 Millionen Euro bekommen. (ap)