München. Als erste Bank in Deutschland ist die Hypo Real Estate vollständig verstaatlicht worden. Die verbliebenen Aktionäre mussten eine Zwangsabfindung hinnehmen. Die Bank brauche in den nächsten zwei Jahren weitere sieben Milliarden Euro zum Überleben, sagte Vorstandschef Wieandt.
Die Hypo Real Estate ist jetzt komplett in Staatshand. Auf einer turbulenten Hauptversammlung schloss der bundeseigene Rettungsfonds SoFFin am Montag die letzten noch verbliebenen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Unternehmen aus. Die systemrelevante Pfandbriefbank soll jetzt von der Börse genommen und saniert werden. Vorstandschef Axel Wieandt sagte, die Bank brauche in den nächsten zwei Jahren weitere sieben Milliarden Euro zum Überleben. Mit einer vollständigen Rückzahlung der Finanzhilfen sei nicht zu rechnen.
Mit Pfeifkonzerten und Buhrufen machten rund 1.300 Kleinaktionäre auf der letzten Hauptversammlung ihrer Wut immer wieder Luft. Wegen eines Tumults ließ Aufsichtsratschef Bernd Thiemann am Nachmittag sogar die Polizei rufen. Ein Aktionär hatte das Rednerpult blockiert, und rund 50 Kollegen postierten sich davor und skandierten: «Thiemann raus!» Der Redner ließ sich schließlich von Ordnern aus dem Saal führen, die Polizei griff nicht ein.
Klage gegen "Enteignung"
Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf dem Staat eine völlig unnötige «kalte Enteignung» vor. Der Bund könne die HRE auch mit einer 90-Prozent-Mehrheit retten, er betrüge die Aktionäre mit der Zahlung von 1,30 Euro je Anteil um eine faire Abfindung, und er verweigere ihnen ein Vorkaufsrecht bei einer späteren Privatisierung der HRE, sagte die Aktionärsschützerin und kündigte Klagen an. «Wir wollen keine Almosen, wir wollen fair behandelt werden», forderte Bergdolt.
Ein Kleinaktionär sagte unter Tränen: «Heute verlier ich meine Altersversorgung.» Besonders der scheidende Finanzminister Peer Steinbrück und die Bankenaufsicht wurden zur Zielscheibe von Kritik. Aktionäre warfen ihm «Brandstiftung» und «Bankraub ohne Pistole» vor.
Milliarden verloren
Der Bund hat die HRE bislang mit einer Kapitalspitze von drei Milliarden und Bürgschaften über 100 Milliarden Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt. Wieandt sagte, bis 2011 brauche sie noch einmal mindestens sechs bis sieben Milliarden Euro frisches Kapital. Nur die vollständige Verstaatlichung könne die Pfandbriefbank vor der Pleite bewahren. Allein für faule Immobilien- und Infrastrukturfinanzierungen seien 4,9 Milliarden Euro an Abschreibungen zu erwarten, fast eine Milliarde Euro Verlust seien wegen fauler Wertpapiere in Aussicht. «Wir gehen weiterhin nicht davon aus, dass wir vor 2012 wieder in die Gewinnzone zurückkehren können», sagte Wieandt. Die Hilfe des Steuerzahlers werde wohl «nicht vollständig zurückgeführt werden», sondern teilweise durch Verluste aufgezehrt werden.
Die Abfindung sei angemessen, weil der Unternehmenswert ohne Staatshilfen mehrere hundert Millionen unter Null wäre. Das hätten gerichtlich bestellte Gutachter bestätigt, betonte der HRE-Chef.
Die meisten HRE-Aktionäre hatten schon im Frühjahr das freiwillige Übernahmeangebot des SoFFin angenommen und 1,39 Euro je Aktie erhalten. Zu den verbliebenen Aktionären gehört der US-Investor Christopher Flowers. Er hatte im Sommer 2008 für eine Milliarde Euro ein Viertel der HRE-Anteile gekauft und bekommt jetzt noch knapp 40 Millionen. (ap)