Brüssel. Die Bundesbank hat mit der Teil-Entmachtung von Thilo Sarrazin auf dessen umstrittene Äußerungen zu Ausländern reagiert. Dabei geht nicht nur um markige Sprüche jenseits aller "political correctness". Es geht um die Bundesbank und um die Frage, ob sie überhaupt noch eine Rolle spielt

Der Bundesbank-Vorstand hat entschieden. Thilo Sarrazin wird in der Bundesbank nur noch für Computer und Risikokontrolle zuständig sein und nicht mehr für Bargeld. Das klingt lapidar. Ist es aber ganz und gar nicht. Denn es geht nicht allein um das Urteil seines Vorgesetzten, Bundesbankchef Axel Weber über den Dampfplauderer Sarrazin, der über „Kopftuchmädchen“ schwadronierte. Es geht um die Bundesbank und um die Frage, ob sie überhaupt noch eine Rolle spielt. Und es ging ganz nebenbei auch um die künftige Besetzung des Postens des obersten Euro-Notenbankers – einen der wichtigsten Schalthebel in Europa.

Zunächst hat der Bundesbank-Vorstand eines klargestellt: Als Bundesbanker darf man nicht eine politisch derart umstrittene und kontroverse Debatte provozieren. Wer es trotzdem tut, wird mit Degradierung bestraft.

Bundesbank muss ihr Ansehen verteidigen

Um zu verstehen, warum es Bundesbankchef Weber nicht bei einer Abmahnung belassen konnte, ist der Blick aufs Ganze nötig. Die Bundesbank muss ihr Ansehen so vehement verteidigen, gerade weil ihr nicht viel mehr geblieben ist. Jahrzehntelang war sie die Macht am Main, das letzte quasi-monarchistische Element des politischen Systems. Das Ansehen der Herrenrunde in der Öffentlichkeit stieg, obwohl sie ihre Unabhängigkeit in geradezu arroganter Weise pflegte. „Wir senken sogar die Zinsen, selbst wenn es uns ein Finanzminister empfiehlt“, höhnten ehemals Bundesbanker öffentlich.

Das ist Vergangenheit. Die Geldpolitik Europas wird seit zehn Jahren ein paar Kilometer südlich in der Euro-Zentralbank gemacht. Der Bundesbank sind Aufgaben geblieben, aber sie hat, und das gilt sogar für die Bankenaufsicht, keine unabhängige Entscheidungsmacht mehr. Dass der Bundesbankchef trotzdem politisch bedeutend ist, liegt nur noch an seiner durch das Amt ererbten Autorität, also am Ruhm vergangener Tage. Hätte Weber den internen Streit nicht rasch schlichten können, indem er Sarrazin öffentlich disziplinierte, wäre diese Autorität futsch und die Erosion des Denkmals Bundesbank wohl nicht mehr zu stoppen gewesen. Und: Weber selbst hätte es wohl abhaken können, in zwei Jahren Präsident der Euro-Notenbank zu werden und damit ins eigentliche Machtzentrum zu wechseln. Mit der Maßregelung Sarrazins hat er bewiesen, dass er sich im eigenen Haus durchsetzen kann – das gilt auch in der Euro-Zentralbank als besonders wichtiges Pfund.

Die komplette Ablösung Sarrazins, die Weber vermutlich vorgezogen hätte, ist nicht so einfach möglich. Bundesbankvorstände werden von der Bundesregierung, teilweise unter Beteiligung des Bundesrates ernannt. Die vorzeitige Ablösung eines Mitglieds bedarf eines Vorstandsbeschlusses und eines Antrags beim Bundespräsidenten, der die Entlassung aussprechen muss. Als Grund wären „schwere Verfehlungen” denkbar, ohne dass man genau wüsste, was darunter zu verstehen wäre. Weber war dieser Weg wohl zu riskant.