Berlin. In einer Initiative für Klimaschutz fordern 500 große Unternehmen die Politik auf, dafür zu sorgen, dass die CO2-Abgase drastsisch sinken. Michael Otto, Aufsichtsratschef des Otto-Versands, erklärt im Interview, warum sich viele europäische Unternehmen nicht gegen mehr Umweltschutz sperren.
Für die drastische Reduzierung der klimaschädlichen CO2-Abgase haben sich am Mittwoch in Berlin 500 Unternehmen ausgesprochen. Zu der Iniative unter der Schirmherrschaft des britischen Prinz Charles gehört auch der deutsche Firmenerbe Michael Otto. Der Aufsichtsratschef der Otto Gruppe plädiert an Bundeskanzlerin Merkel, US-Präsident Obama und andere Politiker, beim bevorstehenden Klimagipfel in Kopenhagen Nägel mit Köpfen zu machen.
Herr Otto, um wieviel sollten wir unseren Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren, damit das Weltklima stabil bleibt?
Michael Otto: In den Industrieländer muss der CO2-Ausstoß bis 2050 um bis zu 85 Prozent sinken. Das ist auch realistisch. Denn die Entwicklung umweltfreundlicher Energieversorgung und klimaschonender Antriebe kommt erstaunlich schnell voran.
Sie erheben politische Forderungen. Haben Sie kein Vertrauen in die Anstrengungen von Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama?
Otto: Wir wollen die Politik unterstützen. Und wir treten dem verbreiteten Eindruck entgegen, die Wirtschaft verschließe sich dem ernsthaften Schutz des Klimas. Viele Unternehmen sind bereit mitzumachen. Denn wir begreifen die Reduzierung des CO2-Ausstoßes auch als Chance für umweltfreundliche deutsche Exportprodukte.
Koch: Sie stehen mit ihrer Initiative in der Welt der Wirtschaft noch recht alleine da.
Otto: Das würde ich nicht so sehen. 500 große Unternehmen unterstützen bereits das Ziel, den weltweiten CO2-Ausstoß zwischen 50 bis 85 Prozent zu reduzieren. Es ist immer so, dass einige beginnen. Die Initiative zieht Kreise.
Sie beklagen, dass es der Politik an konsequenten Zielen und einem klarem Zeitplan fehle.
Otto: Deutschland ist in Europa ein Vorreiter des Klimaschutzes. Aber die internationalen Anstrengungen könnten stärker ausfallen. Schon bis 2020 müssten die Industrieländer ihre gesamte Klimabelastung durch CO2 um 40 Prozent reduzieren. Dazu sollten sie sich bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen im Dezember verpflichten. Und es ist richtig: Wir brauchen einen konsequenten, klaren Zeitplan mit überprüfbaren Zwischenschritten. Sonst verfehlen wir das Ziel, die Erwärmung der Erdatmosphäre bei zwei Grad zu stabilisieren.
Das weltweite Wirtschaftswachstum, die permanente Erhöhung von Produktion und Konsum frisst die Klimaentlastung zumindest teilweise wieder auf. Ist das auch bei der Otto Gruppe so?
Otto: Nein, wir haben beispielsweise den CO2-Ausstoß durch Verkehr in unserem Unternehmen zwischen 1993 und 2005 um die Hälfte reduziert. Container wurden sparsamer gepackt, Luftfracht teilweise durch Seeverkehr ersetzt und verbrauchsarme Fahrzeuge angeschafft. Vom heutigen Stand aus gerechnet wollen wir die Klimabelastung bis 2020 nochmals um 50 Prozent senken. Man sieht: Wachstum und Klimaschutz müssen nicht im Widerspruch zueinander stehen.
Gilt diese These auch, wenn Sie die Auslagerung von vergleichsweise schmutziger Produktion im Textilbereich nach China oder Indien einkalkulieren?
Otto: Das ist ein sehr schwieriges Thema. Den so genannten CO2-Fußabdruck können wir bisher erst für wenige Produkte berechnen. Bei T-Shirts haben wir das gemacht und festgestellt, dass die größte Klimabelastung erstaunlicherweise nicht aus den langen Verkehrswegen, sondern aus der Färbung der Stoffe resultiert. Deswegen sind wir an die chemische Industrie herangetreten, die daraufhin einen neuen, schonenderen Farbstoff entwickelte. Dieser wird nun in die Produktion eingeführt.
Dr. Michael Otto (Jg. 1943) ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der in Hamburg ansässigen Otto Gruppe, einem der weltweit größten Versandhändler. Otto und seine Familie stehen auf Platz 4 der Forbes-Liste der reichsten Deutschen.