Essen. Statt Vorreiter zu sein, könnten die USA den UN-Klimagipfel in Kopenhagen blockieren. Nun reist Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Washington, um US-Präsident Barack Obama an seine Versprechen zu erinnern.
Wird aus Kopenhagen ein Flopenhagen? Wenige Wochen vor der UN-Klima-konferenz in der dänischen Hauptstadt wächst die Enttäuschung über den bisherigen Verlauf der internationalen Klimaschutz-Verhandlungen. In den nächsten Tagen könnte sich klären, ob im Dezember überhaupt noch mit der Verabschiedung eines neuen Abkommens gerechnet werden kann, oder ob man sich auf nächstes Jahr vertagen wird. Und wieder will Angela Merkel Deutschlands Klimakanzlerin sein, die das Thema Umwelt voranbringt.
Am heutigen Montag jettet die Bundeskanzlerin über den Atlantik, um die USA an jene Führungsrolle im Klimaprozess zu erinnern, die US-Präsident Barack Obama der Welt versprochen hatte. Merkel wird – nach Konrad Adenauer als erste deutsche Regierungschefin – vor beiden Kammern des US-Kongresses sprechen. Genau dort, im Senat und im Repräsentantenhaus, hängen derzeit wichtige Klimaschutzgesetze fest, von deren Verabschiedung Wohl und Wehe der UN-Konferenz abhängen. „Noch ist nicht sicher, dass Kopenhagen ein Erfolg wird”, sagt Angela Merkel. In Wirklichkeit ist allen Beteiligten längst klar, dass die USA ohne Klimaschutzgesetze im eigenen Land als Wortführer des UN-Gipfels ausfallen würden.
Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore verspricht im „Spiegel”, dass Obama an seinen Klimaversprechen festhalte: „Ich bin mir sicher, er wird nach Kopenhagen fahren”. Gore glaubt, dass sich der Kongress noch vor dem Konferenzbeginn am 7. Dezember auf einen Entwurf eines Klimaschutzgesetzes einigen wird. Das allerdings würde an ein Wunder grenzen. Während das Repräsentantenhaus bereits im Juni einen Gesetzesentwurf verabschiedete, den die demokratischen Abgeordneten Henry Waxman und Edward Markey eingebracht hatten, hängt der Entwurf im Senat vom Wohlwollen der Republikaner ab. Dort aber werden die Einführung eines Emissionshandels, CO2-Ziele und der Ausbau der erneuerbaren Energien als wirtschaftsfeindlich angesehen.
Ohne US-Klimagesetze wäre die amerikanische Delegation in Kopenhagen verhandlungsunfähig, heißt es in Kreisen von Nichtregierungsorganisationen. Und auch 2010, wenn in den USA Zwischenwahlen anstehen, dürften es weitgehende Klimaschutzbeschlüsse schwer haben.
Kein Geld, kein Vertrag
Die Krux aber ist: Derzeit stocken die Verhandlungen über ein neues Klimaschutzabkommen gerade deswegen, weil die Industrieländer mit konkreten Zusagen geizen. China und Indien etwa sind erstmals bereit, Auflagen für die wachsende Wirtschaft zu dulden – allerdings nur dann, wenn die westlichen Industriestaaten in Vorleistung treten und zusagen, die Emissionen bis 2020 um bis zu 40 Prozent zu senken.
Zweiter Knackpunkt vor Kopenhagen ist der Streit um die Finanzen. „No money, no deal”, heißt es in der Allianz der Entwicklungsländer, ohne Geld kein Abkommen. Die EU einigte sich auf dem Gipfel am Freitag darauf, armen Ländern mit Milliardenhilfen die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu ermöglichen. Die vagen Zusagen der EU werten Beobachter als erstes Gesprächsangebot, dessen Unschärfe der Verhandlungsstrategie geschuldet sei: Wenn es in Kopenhagen um die Details eines Abkommens geht, will die EU-Delegation noch Trümpfe in der Hinterhand haben. Der große Klimapoker hat längst begonnen.