Essen/Düsseldorf. Hells Angels und Bandidos bekämpfen sich, weil sie sich bei Geschäften in die Quere kommen. Doch sie halten immer noch den Mythos des älteren Motorradfahrers hoch, der durch die Weiten der Prärie fährt. Die Auseinandersetzung sei wohl noch nicht beendet, so das Landeskriminalamt.

Nachwuchssorgen müssen sich die Rocker im Revier offenbar nicht machen. „Ich möchte zu euch gehören und mit Stolz und Ehre das Bandidos-Zeichen verteidigen gegen alle, die sich nicht zurückhalten können”, schrieb Denjo aus Berlin am Sonntag mit dem branchenüblichen Pathos ins Internet-Gästebuch der Bandidos. Am Tag nach der Schlägerei mit den Hells Angels in Duisburg. „Es wäre mir eine Ehre, für euch zu kämpfen”, schloss er seine Bewerbungsmail im Tonfall eines zweitklassigen Westerns. Dass es möglichst nicht mehr so weit kommt, ist Job der Polizei. Und die wird genug zu tun bekommen. „Wenn man sich die Geschehnisse der letzten Wochen vor Augen führt, dann muss man davon ausgehen, dass die Auseinandersetzung nicht beendet ist”, fürchtet Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes.

13 Tote in Skandinavien

Dass sich die beiden rivalisierenden Rockergruppen gegenseitig derart aus den Sätteln heben, wie in den 90er-Jahren in Skandinavien, soll eine 20-köpfige Sonderkommission für Rockerkriminalität in Münster verhindern. In Schweden, Dänemark und Norwegen bearbeiteten sich Hells Angels und Bandidos damals mit Maschinenpistolen, Raketenwerfern, Handgranaten und Autobomben. Bilanz: 13 Tote, fast 90 Verletzte. „Wir hoffen sehr, dass es hier nicht so weit kommt”, sagt Münsters Polizeisprecher Alfons Probst, „aber ausschließen kann man gar nichts.”

Seit zwei Jahren eskaliert die Gewalt der Kuttenträger auch in Deutschland. Es begann mit dem Mord an einem Höllenengel. Zwei Bandidos erschossen den 47-jährigen Motorradhändler aus Ibbenbüren in seinem Laden. Der Richter verpasste den beiden Männern lebenslängliche Haftstrafen, die federführenden Ermittler saßen in Münster. Sie kennen die Szene und sollen ab sofort landesweite Einsätze koordinieren. Rund 1000 Polizisten sicherten im Juni 2008 das Gerichtsgelände. 300 Hells Angels donnerten auf ihren Harleys zufrieden nach Hause.

Nie mit der Polizei zusammenarbeiten

Vor drei Wochen traf es einen 32-jährigen Bandido. Er hatte einem 31-Jährigen, der den Hells Angels nahesteht, die Freundin ausgespannt. Der machte sich das Motto der Engel zu eigen und drückte ab: „When in doubt, knock them out” – im Zweifel erst mal zuschlagen. „God forgives – Bandidos don't” lautet die nicht viel charmantere Entgegnung: Der Herr vergibt, Bandidos nicht. Fortsetzung folgt. Wahrscheinlich.

Am Samstag die Schlägerei im „Fat Mexican”, dem Clublokal der Bandidos, Stunden später eine Handgranate gegen die Angels in Solingen, die jedoch nicht explodiert, kurz darauf Schüsse auf ein Essener Clubheim der Bandidos. Am 14. November feiern die deutschen Bandidos in Dortmund ihren zehnten Vereins-Geburtstag. Die Polizei ist vorbereitet. „Die Bevölkerung”, so Probst, „war bisher zu keiner Zeit gefährdet, die Aktionen richten sich ja immer gegen die Rivalen.” Gleichwohl dulde man keinen rechtsfreien Raum und keine Selbstjustiz.

Dass sich die Banden befehden, hat mit Stolz und Ehre freilich nichts zu tun. Sie kommen sich bei lukrativen, illegalen Geschäften in die Quere, weiß man im Landeskriminalamt, beim Drogenhandel, bei Waffenschieberei und im Rotlichtmilieu. Sie verteidigen Gebietsansprüche. Die Beweislage ist schwierig, denn an einen Ehrenkodex halten sich die Rocker: nie mit der Staatsmacht zusammenarbeiten. Wer trotzdem plauderte, fiele in Ungnade. Kein beruhigendes Gefühl. Daher: „Es gibt”, sagt Probst, „keine Aussagen.”

Ein generelles Verbot der Gruppen, wie von Kriminalisten und einigen Politikern gestern gefordert, funktioniert ebenfalls nicht ohne weiteres: „Man muss ihnen strafrechtliche Verstöße nach dem Vereinsgesetz nachweisen”, erklärt LKA-Sprecher Scheulen. Das sei bisher nur 1983 in Hamburg und 2001 in Düsseldorf gelungen, als es um den Handel mit Drogen ging. Straftaten einzelner Mitglieder seien nicht zwangsläufig als Delikte der gesamten Organisation festzumachen.

Keine romantischen Wochenendausflüge

Woran es liegt, dass manchen Zeitgenossen immer noch Freiheit und Abenteuer durch den Kopf geistern, wenn sie an Motorradrocker denken? „Auch diese Gruppen machen ja Öffentlichkeitsarbeit”, sagt Scheulen, „in Magazinen pflegen sie den Mythos des älteren Motorradfahrers, der da durch die Weiten der Prärie fährt. Das Bild wird hochgehalten, auch wenn es in der Realität um etwas ganz anderes geht als romantische Wochenendausflüge.”