Düsseldorf. Es war eine seiner ersten Dienstreisen als Arbeitsminister. Franz Josef Jung wollte sich ein Bild vom Alltag der Düsseldorfer Arbeitsagentur machen. Zu einem Gespräch mit Jobsuchenden kam es nicht, dafür machte Jung einen Vorschlag, der Arbeitsplätze sichern soll: mehr Kurzarbeit.
Franz Josef Jung betritt die Düsseldorfer Arbeitsagentur durch die Hintertür. Er eilt vorbei an den Besuchertoiletten, die sich in einem jämmerlichen Zustand befinden. Er huscht durchs Berufsinformationszentrum – und bleibt dabei trotz der Mannschaft, die ihn begleitet, gänzlich unbemerkt von den vier Männern, die zur Mittagszeit an Bildschirmen nach Jobangeboten suchen. Dann steuert Jung ein Konferenzzimmer an, wo Führungskräfte der Arbeitsagentur auf ihn warten. So sieht es also aus, wenn sich der neue Bundesarbeitsminister ein Bild von der Lage vor Ort macht.
Franz Josef Jung (CDU) ist vergleichsweise unerwartet vom Verteidigungsressort ins Amt des Arbeitsministers gewechselt. Nun muss sich der Mann, der noch vor ein paar Tagen für den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zuständig war, um Rentner, Arbeitslose und Beschäftigte kümmern. Dabei kämpft Jung auch gegen den Ruf, eine Verlegenheitslösung in der Ministerriege von Kanzlerin Angela Merkel zu sein.
Seine Dienstreise nach Düsseldorf ist die erste dieser Art in Jungs neuer Funktion. Viel Zeit der Einarbeitung wird dem Nachfolger von Olaf Scholz (SPD) kaum gegeben sein. Schließlich befindet sich die Republik in der schärfsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Während sich Jung in Düsseldorf informiert, veröffentlicht die Europäische Union ihr Herbstgutachten zur Konjunktur. Vor allem eine Prognose lässt aufhorchen. So erwartet die EU-Kommission, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland von aktuell 7,7 Prozent auf 9,2 Prozent im nächsten Jahr steigen wird.
Angesprochen auf die düstere Vorhersage, verweist der Minister bei einer kurzer Pressekonferenz in der Arbeitsagentur auf „Zahlen, die Mut machen”. Der Rückgang der Beschäftigung sei in Deutschland weniger drastisch ausgefallen als befürchtet. Die in den vergangenen Monaten beschlossenen „Maßnahmen” hätten sich positiv ausgewirkt.
Wenn Jung von „Maßnahmen” spricht, meint er vor allem das Instrument der Kurzarbeit. Rund 1,1 Millionen Kurzarbeiter gibt es derzeit in Deutschland. Die Kurzarbeit – sie wurde stufenweise von sechs auf 24 Monate erhöht – hat Entlassungen verhindert. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) zahlt Kurzarbeitern bis zu 67 Prozent des Lohnes, der wegen der Arbeitszeitverkürzung wegfällt. Die Betriebe werden entlastet, weil die BA zunächst 50 Prozent der Sozialabgaben auf das Kurzarbeitergeld übernimmt, ab dem siebten Monat sogar 100 Prozent. Die Kurzarbeit wurde in der Wirtschaftskrise auf 24 Monate erhöht – früher galten sechs Monate.
Nicht nur bei den Gewerkschaften, auch aus Arbeitgeberverbänden wird der Ruf nach einer Verlängerung der Kurzarbeit-Regelung laut, die bislang bis zum Jahresende gilt. Auch Jung macht sich diese Position zu eigen. „Grundsätzlich werden wir eine Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelung vornehmen”, sagt er in Düsseldorf. Auf Nachfrage lässt er allerdings offen, wie er sich das Vorgehen im Detail vorstellt. „Lassen Sie das erstmal so stehen”, sagt Jung den Journalisten.
Ein kostspieliges Instrument
Auch Frank-Jürgen Weise, der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), ist nach Düsseldorf gereist, um den Minister zu begrüßen. Auch Weise betont, die Kurzarbeit sei ein Instrument, das geholfen habe, die Krise abzufedern. Doch die Kurzarbeit ist für die BA auch kostspielig. Etwa fünf Milliarden Euro gibt die Behörde in diesem Jahr für die Kurzarbeit aus. Um dies zu finanzieren, habe die BA bisher noch auf finanzielle Rücklagen aus Aufschwungzeiten zugreifen können, berichtet Weise. Doch in absehbarer Zeit wird das Polster wohl verschwunden sein. Weise anwortet nur ausweichend, wenn er nach einem möglichen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge gefragt wird. Und die Kurzarbeit ist kein Allheilmittel. Sie hilft lediglich den Beschäftigten, nicht aber den Arbeitssuchenden.
Auch an Khalid ist Minister Jung in Düsseldorf vorbeigeeilt. Der 32-Jährige, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist seit zwei Monaten arbeitslos und sucht einen Job. „Vermittlung? Das kann man vergessen. Man muss selber suchen gehen”, sagt Khalid, der vor neun Jahren mit einem abiturähnlichen Abschluss aus Marokko nach Deutschland gekommen ist und zuletzt als Kellner gearbeitet hat. Wenn Khalid einen Wunsch an den neuen Minister frei hätte, wäre es eine bessere Arbeitsvermittlung.