Solar-Kraftwerke in der Sahara sollen sauberen Strom für Europa liefern. 400 Milliarden Euro Investitionen

Essen. Das Öl des 21. Jahrhunderts kommt aus der Wüste: Sonnenstrom. Seit Jahren schon geistert die Vision von riesigen solarthermischen Kraftwerken in Nordafrika durch die Fachkongresse. Nun nimmt der gigantische Energietransfer in Richtung Europa Gestalt an: Für den 13. Juli hat der Versicherungskonzern Münchner Rück ein mögliches Konsortium aus etwa 15 Finanz- und Energieunternehmen nach München eingeladen. Auch Bundesministerien sowie Vertreter nordafrikanischer Staaten sollen bei der Gründung der Ökostrom-Initiative mit am Tisch sitzen.

In zwei, drei Jahren könnten die ersten Umsetzungspläne des Milliardenprojekts auf dem Tisch liegen, glaubt der Münchner-Rück-Vorstand Torsten Jeworrek. Greenpeace nannte die Initiative „eine der klügsten Antworten auf die globalen Umwelt- und Wirtschaftsprobleme dieser Zeit.”

Nahezu unglaublich in Zeiten der Finanzkrise: 400 Milliarden Euro könnten in die Wüstenprojekte fließen. Diese Investition, so eine Studie der Organisation Club of Rome, sei nötig, um Solarkraftwerke auf einer Fläche von der Größe Mallorcas sowie die Netze zu errichten. 15 Prozent der EU-Stromversorgung könnten mit sauberer Energie aus Afrika gedeckt werden.

Die Idee stammt aus einer Öko-Denkfabrik. Die 2003 gegründete Initiative Trans-Mediterranean Renewable Energgy Cooperation, kurz TREC, wurde vom Club of Rome, dem Hamburger Klimaschutz-Fonds und dem Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrum gegründet. Das Netzwerk von 50 Wissenschaftlern und Politikern entwickelte das „Desertec” genannte Konzept. Der Kerngedanke: Solar-Kraftwerke und Windparks im Nahen Osten und Nordafrika sollen die klimafreundliche Stromerzeugung und die Wasserentsalzung vorantreiben. Eine Energiealternative für Europa, das von Öl, Erdgas oder Uran abhängig ist. Aber auch eine Chance für Staaten im Nahen Osten und Nordafrikas, die sich Arbeitsplätze, Strom und Trinkwasser erhoffen.

Im Sonnengürtel gibt es kein Energieproblem, sagt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. Dort wurde im Auftrag des Bundesumweltministeriums in Studien das Potenzial der Sonne errechnet. Fazit: Auf weniger als 0,3 Prozent der Wüstenflächen Nordafrikas und des Nahen Ostens könne genügend Strom und entsalztes Wasser erzeugt werden, um den Bedarf dieser Länder sowie Europas zu decken. Energie gebe es dort mehr als genug: In weniger als sechs Stunden ginge soviel Energie von der Sonne nieder, wie die Menschheit in einem Jahr verbrauche.

Teurer Transport

Das Problem liegt darin, Strom kostengünstig zu transportieren, zu verteilen und gegebenfalls auch zu speichern, sagen Experten. Um den Solar- und Windstrom ins weit entfernte Europa zu bringen, müssen teure Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) errichtet werden. Nur sie halten auf den riesigen Distanzen den Übertragungsverlust in Grenzen. Insgesamt gingen zehn bis 15 Prozent des Stroms beim Transport verloren, schätzen Netzexperten.

Der Club of Rome beziffert die nötigen Investitionen in die Netze auf 45 Milliarden Euro. Auf Wirtschaftlichkeit hin wurden bislang 20 Trassen von Nordafrika nach Europa durchgerechnet. Auf diesen Wegen könne der Wüstenstrom innerhalb von zehn bis 15 Jahren konkurrenzfähig werden, sagte ein Sprecher des Desertec-Projekts dieser Zeitung. Dazu bedürfe es jedoch in Europa Subventionen in der Form von Abnahmegarantien zu bestimmten Preisen.

Weit höher als die technischen seien politische Hürden, heißt es vor der Gründung des Desertec-Projekts. Deutschlands größte Photovoltaikfirma Solarworld befürchtet die gleiche Abhängigkeit wie beim Öl, würden Solarkraftwerken in politisch instabilen Ländern errichtet. Andere wiederum sehen in dem Projekt die Chance, instabile Regionen durch die Perspektive von Wohlstand, Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit zu befrieden. „Die Zeit ist jetzt reif”, sagt Friedrich Führ, Vorstand der Desertec-Stiftung. „Wir brauchen es nur zu tun.”