Brüssel. Er ist der bekannteste Deutsche in Brüssel. Nach zehn Dienstjahren in der EU-Machtzentrale zählt Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) zu den wenigen, die Europa ein Gesicht verleihen.

Und siehe da: Zum ersten Mal ist in Berlin ein lebhafter Parteienstreit darüber entbrannt, wen sie als seinen Nachfolger in die EU-Hauptstadt schicken.

Weil Verheugens Parteifreund Martin Schulz nach dem SPD-Wahldebakel nur noch schwer vermittelbar ist, sind die Chancen eines CDU-Kandidaten rasant gestiegen. Allen voran wohl die von Peter Hintze, von dem man in Brüssel tuschelt, dass er bereits die Zusage der Kanzlerin in der Tasche habe.

Nur: Der Wirtschaftsstaatssekretär und frühere CDU-Generalsekretär ist längst nicht der einzige aussichtsreiche Anwärter. Die Wahl könnte am Ende auch auf Hessens Ministerpräsident Roland Koch fallen. Oder auf Peter Altmaier, den Parlamentarischen Staatssekretär, vielleicht sogar auf dessen Vorgesetzten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Oder auf Friedrich Merz und Elmar Brok, den profiliertesten CDU-Europa-Abgeordneten.

Die CDU-Strategen sind aktuell entschlossener denn je: Nachdem über zwanzig Jahre lang andere den Kommissar stellten, sehen sie endlich die Zeit reif für einen Unions-Mann in der Chefetage des Berlaymont. Der letzte CDU-Kommissar – von 1981 bis 1988 - war ein gewisser Karl-Heinz Narjes.

Doch wie wird man überhaupt EU-Kommissar? „Das ist gar nicht so einfach“, sagt Günter Verheugen, der es wissen muss, „weil es dafür überhaupt keine Regel gibt.“ Fest steht nur, dass die Bundesregierung einen Kandidaten wird vorschlagen müssen, der nicht nur von Kommissionspräsident Barroso, sondern auch vom EU-Parlament akzeptiert werden muss.

Den Drang, gleich nach der Europawahl Nägel mit Köpfen machen zu wollen, verspürt die Kanzlerin jedoch keineswegs. Noch liegen die Bundestagswahlen im September vor ihr. Und dann sind da noch die Iren, die wohl erst im Oktober die lang ersehnte Zustimmung zum Lissabon-Vertrag geben werden. Somit dürfte Verheugens Nachfolger erst am 1. Januar des Jahres 2010 seinen Dienst antreten.