Berlin. Der Nachfolger für den deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen steht fest. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) soll am 1. November nach Brüssel wechseln. Während Oettinger aus der Union mit Vorschusslorbeeren bedacht wurde, kritisierten SPD und Grüne die Nominierung.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) steht überraschend vor einem Wechsel als EU-Kommissar nach Brüssel. Der 56-Jährige soll zum 1. November Nachfolger von Günter Verheugen (SPD) werden, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag in Berlin sagte. CDU-Fraktionschef Stefan Mappus (CDU) will nun neuer Ministerpräsident werden. Er kündigte am Samstagabend nach einer Sitzung des geschäftsführenden Fraktionsvorstands an, sich um das Amt zu bewerben.

Während Oettinger aus der Union mit viel Vorschusslorbeeren bedacht wurde, kritisierten SPD und Grüne die Nominierung. Merkel würdigte Oettingers politische und wirtschaftliche Erfahrungen sowie sein Eintreten für die Belange der Bundesländer. Damit könne er als guter Ansprechpartner für Bund und Länder in Europa fungieren: «Er wird ein politisches Schwergewicht in Brüssel sein».

Laut Unions-Fraktionschef Volker Kauder wurde Oettinger am Donnerstag angerufen, bereits am Freitag habe er zugesagt. Dies sei eine «exzellente Lösung für Brüssel». Bundesbildungsministerin Annette Schavan sprach von einer «guten Entscheidung», Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) von einem überraschenden Vorschlag, der aber »Charme« habe.

"Ausgewiesener Wirtschaftsfachmann"

Mappus sagte, Oettinger werde als «ausgewiesener Wirtschaftsfachmann« in Brüssel »wichtige Impulse setzen». Der Vize-Fraktionschef der EVP im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU), wertete die Personalie als «ein gutes Signal«. «Oettinger wird als Politiker ein wahrnehmbares Europa-Gesicht in Deutschland werden und ein starkes deutsches Gesicht in der EU», sagte er. Der Ex-Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), nannte Oettinger einen engagierten und überzeugten Europäer, der hart an der Sache arbeiten werde.

Baden-Württembergs SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel betonte, es habe sich seit längerem abgezeichnet, dass Oettinger sein Amt in Stuttgart aufgeben werde: »Die Kanzlerin zieht einen angeschlagenen Ministerpräsidenten aus dem Verkehr.«

"Wegloben Oettingers"

Auch Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann sprach von einem »Wegloben Oettingers". Der Ministerpräsident sei an seinem zentralen politischen Projekt, der Haushaltskonsolidierung, gescheitert. Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir kritisierte die Personalie als «Missachtung von Europa». Die Grünen-Fraktionschefin im EU-Parlament, Rebecca Harms, nannte Oettingers Nominierung »politisch verrückt«.

Als Favorit für die Nachfolge des Ministerpräsidenten gilt Mappus. Schavan, die Oettinger 2004 im Ringen um den Posten des Regierungschefs unterlegen war, sagte, Mappus habe als Fraktionschef das erste Zugriffsrecht. Gönner betonte, sie gehe davon aus, dass Mappus antreten werde. Fraktionsvorsitzende seien die »geborenen Kandidaten«. Sie fügte hinzu: »Ich glaube, dass er das auch so sieht.« Der Heilbronner CDU-Kreisvorsitzende Bernhard Lasotta forderte dagegen eine Mitgliederbefragung. Dieses Verfahren habe sich bei der vorigen Kandidatenentscheidung bewährt.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke verlangte für die Kür des Nachfolgers ein «schnelles und geordnetes Verfahren». Das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der schwarz-gelben Regierungskoalition dürfe keinen Schaden nehmen. (ddp)