Bochum. Überlebensgroß schwebt Steven Sloane über dem Gelände im Schatten der Bochumer Marienkirche. Hier, mitten in dem Viertel, das man durchaus den Kiez der Stadt nennen kann, sollte noch im Kulturhauptstadtjahr 2010 das neue Konzerthaus eröffnet werden. Doch ob das klappt?
Und Steven Sloane, dem renommierten Generalmusikdirektor der Symphoniker, war im Vorgriff auf dieses Ereignis vor wenigen Wochen der Titel des Intendanten verliehen worden, nebst einer ordentlichen Gehaltserhöhung. Doch nun scheint alles anders. Nur Tage nach Sloanes Vertragsverlängerung verweigerte der Arnsberger Regierungspräsident Helmut Diegel dem städtischen Haushalt die Genehmigung. Ab jetzt heißt es: sparen! Die Worte Diegels waren dabei mehr als deutlich. Die Stadt Bochum habe die sich seit Herbst abzeichnende Wirtschaftslage „völlig ausgeblendet”. Er erwarte ein jährliches Defizit, das sich „jenseits der 100-Millionen-Grenze” bewege. „Aus die Maus!” mag da manch ein Kulturbeflissener der Stadt gedacht haben.
Dieter Fleskes, SPD-Mann und Kulturausschuss-Vorsitzender, gesteht: „Wir sind alle ziemlich geschockt!”. Denn wer die Situation realistisch betrachtet, der kommt schnell zu dem Schluss, den auch Grünen-Sprecher Wolfgang Cordes zieht: „Wir müssen so stark sparen, so tief in die Strukturen eingreifen, da ist das Konzerthaus Luxus, politisch nicht vermittelbar”.
Wie verrückt gespendet
Dabei sahen sich all die Befürworter des Konzerthaus-Baus schon kurz vor dem ersten Spatenstich. Nach Jahren des Streitens um die Sinnhaftigkeit eines vierten Konzerthauses im Ruhrgebiet neben Dortmund, Essen und Duisburg, hatten sie sich durchgesetzt. Die Stadt hatte 15 Millionen Euro zugesichert, Lotto-Unternehmer Faber generös weitere fünf und die Bochumer selbst hatten wie verrückt gespendet. Eigentlich sollte schon am 30. Mai mit dem Bau begonnen werden, um zumindest im Herbst des Kulturhauptstadt-Jahres konzertant aufzu-trumpfen. Nach 90 Jahren sollten die Bochumer Symphoniker nicht mehr mit der Tuba auf dem Rücken zwischen „unzulänglichen Probenräumen” und „fremden Bühnen” pendeln.
„Stellen Sie sich vor, der VfL hätte kein Stadion. Immer auswärts spielen und zum Training jeden Tag nach Dortmund – klingt schrecklich”, war 2008 plakatiert worden, und im Oktober desselben Jahres beschloss der Rat tatsächlich den Neubau nach den Plänen des Kölner Architekten van den Valentyn. Steven Sloanes Drohung, er werde Bochum andernfalls verlassen, tat wohl ein Übriges dazu.
Konzert mit Grönemeyer
Nun, ausgerechnet kurz vor dem gemeinsamen Benefiz-Konzert Grönemeyers mit den Symphonikern, macht sich allenthalben große Depression breit. „Ich bin nicht mehr so optimistisch wie vor vier Wochen! Die Stadt ist in einer sehr, sehr schwierigen Situation”, erklärt denn auch Peter Dönninghaus, der Vorsitzende des Freundeskreises Bochumer Symphoniker.
Hinzu kommt, dass Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) kürzlich bei einem Gespräch mit Regierungspräsident Diegel offenbar schon ihre Präferenzen klar definiert hat. Nicht das Konzerthaus, sondern der Gesundheitscampus genieße für die Stadt oberste Priorität. Jener Campus, für den die Stadt im Mai den Zuschlag erhalten hat, der 500 neue Arbeitsplätze bringen soll, für den Bochum 10 Millionen Euro als städtische Mitgift versprochen hat.
Umstritten tatsächlich war der Konzertbau von Anfang an, auch unter den Bildungsbürgern der Stadt. Warum noch dieses vierte Haus, wenn auch Dortmund, Essen und Duisburg oft nicht ausgelastet sind, wenn auch deren Betrieb jährlich mit Millionen bezuschusst werden muss?
SPD-Mann Dieter Fleskes kennt diese Argumente nur all zu gut, und er weiß auch, dass Regierungspräsident Helmut Diegel sie teilt: „Er hat am Konzerthaus kein Wohlgefallen. Und er ist es, der die gemeinnützige GmbH genehmigen muss, die wegen der Spenden gegründet werden muss, um den Bau zu betreiben.”
Sorge, dass Sloane geht
Fleskes also gibt sich zwar optimistisch, ist aber sehr in Sorge. Auch weil er fürchtet, Dirigent Steven Sloane, dem die Symphoniker ihren hervorragenden Ruf verdanken, werde der Stadt alsbald den Rücken kehren. Einzig Bochums Kulturdezernent Karl-Michael Townsend mag sich auf dererlei Gedankenspiele nicht einlassen. Townsend geht davon aus, dass man sich in Kürze für einen Investor entscheiden wird und dem Rat am 25. Juni eine entscheidungsreife Vorlage bieten kann. Townsend: „Bochum hat sich mit einer Reihe von Kulturhauptstadt-Projekten außerordentlich gut aufgestellt. Wir werden sie nicht in vorauseilendem Pessimismus begraben.”