Essen. Der Karstadt-Mutterkonzern hat nach Informationen der WAZ beim Deutschlandfonds eine Bürgschaft beantragt. Ohne Staatshilfe hätte Arcandor schon im Juni Probleme, neue Kredite zu bekommen. Verdi-Chef Bsirske fordert eine Gleichbehandlung mit der Industrie.
Karl-Gerhard Eick, der Vorstandschef des schwer angeschlagenen Handels- und Touristikkonzerns Arcandor, kennt das politische Geschäft. Jahrelang war er Finanzvorstand des einstigen Staatskonzerns Telekom, bei dem der Bund immer noch ein einflussreicher Aktionär ist. Nun ist Eick wieder auf den Staat angewiesen – wenn auch anders als während seiner Zeit bei der Telekom. Der Chef der Karstadt-Mutter benötigt dringend eine millionenschwere staatliche Bürgschaft, um Kredite abzusichern.
In einem Monat werden Bankkredite über 650 Millionen Euro fällig – zwei weitere Kredite in Höhe von 75 sowie 175 Millionen Euro folgen im September. Auf den Zeitraum von fünf Jahren gerechnet summiert sich der Finanzbedarf von Arcandor auf insgesamt 1,8 Milliarden Euro.
„Wenn im Juni die Kredite fällig werden, wird es nur mit einer Bürgschaft gehen”, sagt Jürgen Erdmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). „Die Kapitalbasis ist gering, die Verschuldung hoch, die Ertragslage unbefriedigend. In einer solchen Situationen können Banken nur mit entsprechenden Sicherheiten Kredite vergeben. Das wäre auch ohne Finanzkrise so.”
"Arcandor" läuft die Zeit davon
Von den Banken wird der Ball weitergespielt zur Politik. Für in Not geratene Unternehmen steht der 115 Milliarden Euro schwere „Wirtschaftsfonds Deutschland” zur Verfügung. Dem Vernehmen nach wurde bei Arcandor bereits seit Tagen ein Antrag auf eine staatliche Bürgschaft vorbereitet und inzwischen eingereicht. Auch Konzernchef Eick hat dazu Gespräche in Berlin geführt. „Arcandor läuft die Zeit davon”, gibt Aktionärsschützer Erdmann zu bedenken. „Selbst wenn ein Antrag auf die Bürgschaft gestellt wird, muss er noch bearbeitet werden.”
Da im Fall Arcandor eine Bürgschaft von mehr als 300 Millionen Euro zu erwarten ist, müsste der „Lenkungsausschuss Unternehmensfinanzierung” grünes Licht geben. Ihm gehören auf Staatssekretärsebene Vertreter des Wirtschafts-, Finanz- und Justizministeriums sowie ein Vertreter des Kanzleramts an.
Dieses Gremium erhält eine Empfehlung des „Lenkungsrats Unternehmensfinanzierung”. Mitglieder sind Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft – darunter Hubertus Schmoldt, Michael Rogowski, Jürgen Heraeus, Hubertus Erlen und Alfred Tacke.
Die Unterstützung der Gewerkschaft hat Arcandor. Verdi-Chef Frank Bsirske sagte dieser Zeitung: „Der Staat sollte Karstadt helfen, zumindest mit Bürgschaften.” Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft kritisiert eine Fixierung der Politik auf die Industrie. „Ein Kaufhaus-Konzern wie Karstadt mit 60 000 Beschäftigten ist nicht weniger wichtig als ein Autohersteller. Ich fordere eine Gleichbehandlung.”
Ökonomen wenden ein, Karstadt stecke nicht erst seit der Finanzkrise in Schwierigkeiten. Das ist aber Bedingung des Deutschlandfonds. Wer Hilfe will, muss nachweisen, erst nach dem Sommer 2008 in Nöte geraten zu sein. Bsirske stellt die Gegenfrage: „Was sind denn die Kriterien für ein gesundes Unternehmen? Sind Schulden nicht bedient oder Löhne nicht gezahlt worden? Auf Karstadt trifft das nicht zu.”. Kommunen und Länder sollten ein hohes Interesse haben, Karstadt zu stabilisieren.
Kein Neid bei Kaufhof
Dass sich Konkurrent Kaufhof benachteiligt fühlen könnte, weil Karstadt durch eine Bürgschaft bessere Kreditbedingungen erhielte, glaubt Bsirske nicht: „Wenn man mit Kaufhof-Mitarbeitern spricht, hört man den Wunsch, dass Karstadt als Anbieter intakt bleibt. Beide Ketten tragen wechselseitig zur Attraktivität der Städte bei. Wäre der Kaufhof in Schwierigkeiten, würden wir uns für die Arbeitsplätze dieses Unternehmens genauso einsetzen.”