Berlin/Erfurt. Alles nochmal auf Anfang. Die Thüringer SPD als drittstärkste Fraktion (18,5 Prozent) nach der Linken (27,4 Prozent) will nun doch mit der CDU (31,5) verhandeln.
Am Morgen nach dem Wendemanöver der Thüringer SPD hatte sich Bodo Ramelow bereits wieder gefasst. „Das war keine Überraschung für mich”, sagte der Linkspartei-Spitzenkandidat im WAZ-Gespräch. Die SPD unter Christoph Matschie habe „doch von Anfang an das Aus für ernst-hafte Koalitionsverhandlungen mit uns provoziert und am Mittwoch sogar eine Unterwerfungserklärung auf den Tisch gelegt”. Letztere in Form eines Satzes: „Die SPD stellt den Ministerpräsidenten.”
Ramelow wollte dagegen eine Findungskommission, die gemeinsam entscheidet, nachdem er sowie Matschie den Verzicht auf das Amt erklärt hatten. Alles Geschichte. Matschie, der gelernte Theologe schwimmt gegen den Strom.
Gegen alle Erwartungen bahnt die SPD in Thüringen ein Bündnis mit der Althaus-Wahlverlierer-Partei CDU an und setzt jene Konstellation fort, die gerade auf Bundesebene abgewählt wurde.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag fielen im SPD-Landesvorstand die Würfel. Draußen vor dem Tagungsort hielten die Jusos ein Tuch mit dem Slogan hoch. „Schwarz-Rot ist unser Tod.” 18:6-Stimmen waren trotzdem dafür. Bodo Ramelows Motivsuche ist schnell beendet: „Es ging Matschie nie um einen Politikwechsel, sondern um Pöstchen. Das nenne ich Wählerbetrug.” Die SPD nennt es normal. In der künftigen Landesregierung in Erfurt soll ausgerechnet jenes Quartett zu Ministerehren kommen, das für die SPD die Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien führte: Christoph Matschie (Kultur), Heike Taubert (Soziales), Matthias Machnig (Wirtschaft) und Holger Poppenhäger (Justiz).
Ramelow findet das „einfach nur unwürdig”. Nun werde sich die „völlig zerrissene SPD” auf den „sächsischen Weg begeben”, sprich: in Richtung zehn Prozent marginalisieren. Dies sei umso bedauerlicher, als man sich zuletzt inhaltlich „zu fast 90 Prozent auf ein rot-rot-grünes Programm verständigt habe”. Als Kompromisskandidat fürs Ministerpräsidentenamt war nach WAZ-Informationen Erfurts SPD-Oberbürgermeister Andreas Bausewein ausgeguckt.
„Ein Scharlatan”
Christoph Matschie rechtfertigte die Abfuhr für die Linke gestern mit einer „Vertrauensbildung”, die „nicht funktioniert” habe. Anders als vor der Landtagswahl sieht er plötzlich gute Chancen, diverse Ziele mit der CDU umsetzen zu können. Die SPD, so Matschie, könne gestärkt aus dem Zusammengehen mit der CDU hervorgehen. Ramelows Konter: „Unsinn, dieser Kurswechsel wird die SPD in Thüringen überflüssig machen.”
Eine Einschätzung, die an prominenter Stelle in der SPD in Erfurt geteilt wird und auf eine mögliche Zerreißprobe hinweist. Richard Dewes, Ex-Innenminister, schimpft Parteifreund Matschie einen „politischen Scharlatan”. Das Argument, mit der Union sei eine stabilere Regierung möglich, sei substanzlos. Dewes setzt wie die Thüringer Jusos auf den Landesparteitag, damit die Ehe mit der CDU unter der designierten Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht noch gestoppt wird. „Sonst wird die SPD atomisiert.” Bodo Ramelow will seinen Teil dazu beitragen. Als künftiger Oppositionsführer will er alle Anträge einbringen, die vor der Wahl den SPD-Stempel trugen. „Dann wird man sehen, wie es die SPD mit der Wahrheit hält. Links blinken und rechts abbiegen: Das wird die Linke der SPD nicht durchgehen lassen.”